Antoinette Braun sucht zwei Kavaliere. Menschen, einen Mann und eine Frau, die ihr kurz nach dem ersten Advent aus einer Lage geholfen haben, die so misslich war, dass sie alleine nicht mehr herausgekommen wäre: Sie lag vor dem Konstanzer Bahnhof – und hatte sich den linken Schulterkopf gebrochen.
Denn der 4. Dezember war einer dieser Tage, an dem Minusgrade selbst die Straßen entlang des Bodensees zufrieren ließen. Alles war völlig vereist – auch am innerstädtischen Bahnhofsplatz, erinnert sich die 65-Jährige.
65-Jährige rutscht am Bahnhof in Konstanz aus
Antoinette Braun wollte trotz der Witterung in die Stadt. Sie wollte, erzählt sie, in den Wochen vor Weihnachten Geld nach Afrika schicken, so wie sie es zwei Mal im Jahr tue.
Als der Transfer dann getätigt war und sie die Bahnhofshalle verließ, konnte sich die Konstanzerin auf der spiegelglatten Treppe kaum halten. Antoinette Braun stürzte auf den Bauch.
Die 65-Jährige stieß sich die Stirn an, schürfte sich die Knie auf und verstauchte sich die Hand. „Ich stand ganz unter Schock“, sagt sie heute.

Alleine, mit eigenen Kräften, konnte sie nicht mehr aufstehen. Also rief sie um Hilfe.
Ein Mann weigerte sich tatsächlich. Zwei andere Menschen dagegen hielten für sie an, packten zu. Antoinette Braun erzählt: „Sie halfen mir auf, die junge Frau reichte mir die Tasche.“
Gut, dass es sie noch gibt, solche Vorbilder. Vor allem im Alltag, im täglichen Straßenverkehr, wo es ganz besonders auf Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und partnerschaftliches Verhalten ankommt – also auf die typischen Tugenden eines Kavaliers.
Kavalier der Straße: Auf was kommt es an?
„Solche Menschen schauen nicht einfach weg, sondern helfen – auch über das normale Maß hinaus“, sagt Dieter Popp vom Polizeipräsidium Konstanz. Sie opfern ihre Freizeit, um anderen aus schlimmen Situationen zu helfen. Genau das will die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tageszeitungen, zu der auch der SÜDKURIER gehört, mit der Auszeichnung „Kavalier der Straße“ würdigen.
Im Mittelpunkt der Auszeichnung stehen Leute, die bei Verkehrsunfällen unterstützen. Menschen, die sich sehr rücksichtsvoll verhalten, vor allem gegenüber Schwächeren und Gefährdeten wie Kindern. Die sich geistesgegenwärtig verhalten und etwa einen Unfall verhindern. Oder Menschen, die gefährliche Verkehrshindernisse melden und beseitigen.
Solche und andere Beispiele für Kavaliere der Straße hat die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tageszeitungen seit 1959 mehr als 65.000 Mal geehrt. Auch heute noch gehen Bewerbungen dafür ein. Denn anders als oft angenommen habe Zivilcourage in den vergangenen Jahren nicht abgenommen, sagt Dieter Popp, der als einer von drei Kavaliers-Juroren Anträge bewertet, die in das Verbreitungsgebiet des SÜDKURIER fallen.
Allerdings sei die Ich-Bezogenheit in der Gesellschaft gewachsen. „Menschen gehen rücksichtsloser mit einander um“, sagt Dieter Popp. Je mehr Aggressoren sich allerdings auf der Straße aufhielten, desto mehr Leute fänden sich auch, die dagegenhalten – mit Empathie.
Konstanzerin hofft, dass sich ihre Retter melden
Auch Antoinette Braun wünscht sich, dass ihre Kavaliere gewürdigt werden. Der Haken: „Der Sturz hat mich so überrascht, dass ich mich kaum an etwas erinnern kann“, sagt sie. Die 65-Jährige wisse nicht, wie die beiden Menschen heißen, die ihr geholfen haben. Sie wisse nicht mehr genau, wie sie aussahen.
Sie weiß aber, dass die Personen zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen seien, die eine weiblich, die andere männlich.

Die Konstanzerin hofft, dass sich ihre Kavaliere vielleicht über den SÜDKURIER melden. Zumal sich der Unfall doch als gravierender herausstellte, als er zunächst schien. Antoinette Braun konnte nämlich ihren Arm nicht mehr heben. Nicht einmal, um die Teller nach dem gemeinsamen Familienessen aufzuräumen. Der Arzt bescheinigte ihr später einen gebrochenen Schulterkopf. „Auch deshalb hätte mich so gerne bei meinen Helfern bedankt.“