Ulrike Bäuerlein und dpa

Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 hat viele Menschen umgetrieben – nun ist der Aufreger zu wuchtiger Kunst geworden. Am Montagabend ist mit dem aufwendigen Aufbau einer Skulptur des Satire-Künstlers Peter Lenk mit dem Titel „S 21. Das Denkmal – Chroniken einer grotesken Entgleisung“ vor dem Stuttgarter StadtPalais begonnen worden. Sie ist neun Meter hoch, zehn Tonnen schwer und dürfte sicher das eine oder andere Gemüt erregen.

Ein Arbeiter steht neben der Statue.
Ein Arbeiter steht neben der Statue. | Bild: Sebastian Gollnow

Insgesamt sind auf der Skulptur mehr als 150 Figuren zu sehen, die an Akteure rund um das milliardenschwere Großprojekt erinnern sollen. Herzstück des Satire-Kunstwerks ist eine Figur, die an Laokoon aus der griechischen Mythologie angelehnt ist.

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Dieser hatte versucht, den Einzug des hölzernen Pferdes nach Troja zu verhindern, und wurde daraufhin von Schlangen umwunden und getötet. Lenks „schwäbischer Laokoon“ trägt die Züge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und ringt mit ICE-Waggons statt mit Schlangen.

Eine Figur mit dem Kopf von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann liegt vor der Aufstellung auf einem Lastwagen.
Eine Figur mit dem Kopf von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann liegt vor der Aufstellung auf einem Lastwagen. | Bild: Sebastian Gollnow

Gegenüber dem SÜDKURIER sagte Kretschmann: „Erstmal finde ich es gut, dass das Denkmal aufgestellt werden konnte. Stuttgart 21 stand heftig in der Kritik, demnach ist es richtig, eine kritische Würdigung zu gewähren.“

Kretschmann: „Haltung richtig getroffen“

Mit seiner Abbildung ist Kretschmann recht zufrieden: „Ich finde, meine Haltung ist richtig getroffen, auch wenn ich nicht in sämtlichen Details korrekt dargestellt werde: Ich wollte Stuttgart 21 nicht, aber nachdem der Volksentscheid mehrheitlich für den Weiterbau ausging, mussten wir es bauen. Richtigerweise hat Peter Lenk mich nicht bei den feixenden kleineren Gestalten seines Kunstwerks eingereiht, sondern mit mürrischem Blick ausgestattet.“

Jedoch sieht Kretschmann auch Grenzen der Darstellung: „Die Parallele zu Laokoon stößt an Grenzen. Der Volksentscheid hat dazu geführt, dass die Landesregierung bauen muss, aber er hat mich mit diesem letztinstandlichen Votum auch von der Schlange befreit: das Volk hat gesprochen und die Marschrichtung final vorgegeben.“

Rund 140.000 Euro hat das Projekt nach Angaben des 73 Jahre alten Künstlers gekostet – seine rund 3500 Arbeitsstunden nicht mitgerechnet. Ein Großteil der Kosten wurde über Spenden finanziert. Gut 110.000 Euro von knapp 780 Spendern habe er erhalten, erklärt Lenk, der bereits mit anderen oft unbekleideten Figuren, mit einem ungeschönten Blick auf Körperformen oder -teile wie dicke Bäuche, propere Hinterteile und hängende Brüste für Aufsehen gesorgt hat.

Missstände in Politik und Wirtschaft im Blick

Seine Werke zielen dabei meist auf Missstände in Politik und Wirtschaft und stets nimmt er auch die historische oder zeitgenössische Prominenz aufs Korn.

Sein neues und ungewöhnliches „Model“, das Bahnprojekt Stuttgart 21, umfasst den Umbau des Hauptbahnhofs und die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm. Nach letzten Schätzungen soll der Mega-Bau 8,2 Milliarden Euro kosten. Der Protest gegen das Projekt hat wie kein anderes Thema die Stadtgeschichte der vergangenen Jahre geprägt.

Arbeiter fertigen für die S21-Statue das Fundament.
Arbeiter fertigen für die S21-Statue das Fundament. | Bild: Sebastian Gollnow

Die Stadt Stuttgart hatte Lenks Giganten nach wochenlangem Zögern genehmigt. Er ist nun Teil einer neuen Skulpturengalerie, die bis März zu sehen ist. Werke von Hermann-Christian Zimmerle und Erik Sturm sind bereits aufgebaut.