Er hat die Sensation verpasst – aber wenn Marian Schreier enttäuscht davon ist, dass es am Ende nicht für den OB-Sessel in Stuttgart gereicht hat, lässt er es sich am Abend nicht anmerken.
Schon vor Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses, als sich abzeichnete, dass sich das Ergebnis von CDU-Kandidat Frank Nopper um die 42 Prozent, Schreiers Ergebnis dagegen um die 37 Prozent einpendeln würde, hatte Schreier dem wahrscheinlichen Wahlsieger gratuliert. Und als am späteren Abend der Wahlleiter im großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses das amtliche Endergebnis bekannt gibt und der neu gewählte OB seine ersten Worte als Wahlsieger an die Öffentlichkeit richtet, stellt sich Schreier parallel der Presse.
„Ich freue mich über das Ergebnis“, sagt Schreier und sieht dabei ganz und gar nicht unglücklich aus. „Viele haben am Anfang gesagt, dass es unmöglich ist, als unabhängiger Kandidat überhaupt in Schlagdistanz zu kommen.“ Sein Wahlergebnis habe gezeigt, dass das durchaus möglich sei. 36,9 Prozent oder 73210 Stimmen hat Schreier beim entscheidenden zweiten Wahlgang bekommen, mehr als doppelt so viele wie in der ersten Runde. Der Abstand zum Wahlsieger Nopper mit 42,3 Prozent war geringer, als es viele vorausgesagt hatten.

Spekulieren darüber, woran es am Ende gelegen haben könnte, dass die ganz große Sensation nicht eintrat, mag Schreier nicht. „Das werden wir in den nächsten Tagen noch genau analysieren“, sagt er. „Aber ich finde es schon sehr interessant, dass Frank Nopper und ich an der Wahlurne praktisch gleichauf waren.“ Bei der Briefwahl konnte dagegen Nopper einen großen Vorsprung erzielen. „Das zeigt mir, dass wir doch noch eine große Dynamik entfalten konnten in den letzten Tagen vor der Wahl“, sagt Schreier. Dies war eines der Ziele seiner Wahlkampagne gewesen.

Wäre es nur der Stuttgarter Kessel gewesen, hieße der neue Stuttgarter Oberbürgermeister allerdings jetzt Marian Schreier. In allen fünf Stuttgarter Innenstadtbezirken schnitt Schreier besser ab als Nopper, in zwei Bezirken lag er sogar 17 Prozent vor der Wahlsieger. Dagegen konnte sich Schreier in keinem der 18 Umland-Stadtbezirke durchsetzen.
Nach dem Marathon-Wahlkampf der vergangenen Wochen wollte Schreier am Abend der Entscheidung noch entspannen – und wird dann im Lauf der Woche ins Hegau zurückkehren. „Die Rückkehr nach Tengen wird mir gar nicht schwer fallen, ich freue mich, dort die Kommunalpolitik fortsetzen zu können“, sagt er dem SÜDKURIER.
Schreier ist dankbar für die große Unterstützung
„Ich habe ja auch während des Wahlkampfs die Amtsgeschäfte weitergeführt und jede Gemeinderatssitzung geleitet.“ Schreier äußert sich dennoch dankbar für die Unterstützung aller Amtsleitungen in Tengen, die ihren Bürgermeister während des Stuttgarter Wahlkampfs nach außen vertreten haben.
Die meist gestellte Frage an den 30-Jährigen aber war am Abend der Stuttgarter Wahl die nach seiner Zukunft, die nur wenige nach dem sensationellen Abschneiden in Stuttgart noch im Hegau vermuten. Konkret äußern mag sich Marian Schreier dazu nicht – einer Kandidatur für den Landtag aber erteilte er eine Absage. „Es ist zu früh, um darüber zu spekulieren“, so Schreier. „Aber ich werde weiter leidenschaftlich Politik und Kommunalpolitik machen.“
Er wird Mitglied der SPD bleiben
Und auch sein Verhältnis zur SPD, die ihm wegen der nicht abgestimmten Kandidatur ein Parteiausschlussverfahren androhte und bei der Schreiers Mitgliedschaft bis zur Wahl auf Eis gelegt wurde, sieht der Tengener Bürgermeister nicht beschädigt. „Ich war und bin SPD-Mitglied. Und daran ändert sich auch nichts“, sagt er.
Dem TV-Moderator und Satiriker Jan Böhmermann ist durch das Stuttgarter Wahlergebnis zumindest ein Blackout erspart geblieben. „Wenn heute ein 30-Jähriger zum Oberbürgermeister von Stuttgart gewählt wird, FALLE ICH IN OHNMACHT“, hatte Böhmermann am Sonntagvormittag getwittert. Marian Schreier kann sich jedenfalls bundesweiter Beachtung sicher sein.