Zwei junge Klimaaktivisten, die am Dienstag vor dem Amtsgericht im Stuttgarter Stadtbezirk Bad Cannstatt wegen einer Straßenblockade hätten erscheinen sollen, stehen jetzt im Zentrum einer bundesweiten Empörungswelle. Der Grund: Die 22-Jährige und der 24-Jährige hatten dem Gericht vor dem Termin mitgeteilt, dass sie nicht erscheinen könnten. Sie sind seit bereits November außer Landes.

Dies bestätigte Mechthild Weinland, Direktorin und Sprecherin des Amtsgerichts, unserer Zeitung am Donnerstag auf Nachfrage. Die beiden gehören zu den fünf Klimaaktivisten der „Letzten Generation“, die im September 2022 in Stuttgart für mehrere Stunden den Berufsverkehr auf einem viel befahrenen Kreuzungsknoten zweier Bundesstraßen lahmgelegt hatten und dafür Strafbefehle wegen Nötigung erhalten hatten.

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Die junge Frau hatte Einspruch eingelegt und war daher als Zeugin geladen, der junge Mann dagegen hatte einen Strafbefehl über 50 Tagessätze zu je 20 Euro kassiert. Während die drei anderen Aktivsten zum Gerichtstermin erschienen, fehlte das Duo.

Entschuldigt waren sie nicht

„Mit der Mitteilung, dass sie nicht kommen können, sind sie nicht entschuldigt“, sagt Gerichts-Direktorin Weinland, „der Richter hätte sie vom Erscheinen entpflichten müssen. Das war aber nicht der Fall.“ Da der Strafbefehl für den 24-Jährigen bereits feststand, habe das Nichterscheinen lediglich die Folge, dass damit die Einspruchsmöglichkeit gegen den Strafbefehl verworfen wurde, so die Amtsgerichts-Direktorin.

Hier werden sie von der Straße abgelöst: Im September sorgen Klimaaktivisten für Stau und Großeinsatz der Polizei in Bad Canstatt.
Hier werden sie von der Straße abgelöst: Im September sorgen Klimaaktivisten für Stau und Großeinsatz der Polizei in Bad Canstatt. | Bild: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttgart

Aufgebracht hatte das Thema, das mittlerweile bundesweit in den Medien debattiert wird, die Lokalpresse. Mit dem Titel „Prozess geschwänzt für den Badeurlaub: Klima-Kleber fliegen nach Bali – so rechtfertigen die Chaoten ihre Doppelmoral“ hatte das Boulevard-Blatt „Bild“ den Aufschlag für eine Entrüstungskampagne gesetzt, dem vor allem im Internet eine Welle von wütenden Reaktionen folgte.

Dass die Aktivisten nicht auf Bali, sondern seit November für mehrere Monate in Thailand sind und dies seit langem geplant war, wie eine Sprecherin der „Letzten Generation“ am Donnerstag in einem Statement mitteilte, spielt allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Sachlicher Kernpunkt der Kritik: Hierzulande für den Klimaschutz den Verkehr blockieren, aber mit dem Flugzeug nach Asien zu reisen, sei Zeichen einer fragwürdigen Doppelmoral.

So begründet die Letzte Generation das Vorgehen

Die „Letzte Generation“ sieht indes keinen Widerspruch in diesem Verhalten. „Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden – gerade bei ökologisch bewusst lebenden Menschen –, wenn Protestierende der ‚Letzten Generation‘ in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so“, teilt die Klimaschutz-Bewegung am Donnerstag mit.

Sich politisch gegen den Klimakollaps zu engagieren, gehe zwar oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. „Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun. Aber falls irgendein Zweifel bestand, ob Menschen, die Fleisch essen, Auto fahren oder Langstreckenflüge machen, mit uns gegen den Verfassungsbruch der Regierung auf die Straße gehen können, dann möchten wir den hiermit ausräumen: Ja!“ heißt es in dem Statement.

„Wenn das nicht doppelmoralisch ist...“

Diese Sicht erntete bei der Politik am Rande der Plenarsitzung im Stuttgarter Landtag wenig Verständnis. „Also wenn es nicht doppelmoralisch ist, zuerst andere mit Klebeaktionen und einem vermeintlich moralischen Fingerzeig über Klimasünden zu belehren – und das auf extremste Weise und unter Gefährdung von Menschenleben – aber dann selbst mit dem Flieger nach Thailand Tonnen von CO2 zu produzieren, was ist es bitte dann?“, fragte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Auch die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) äußert sich kritisch. „Da wird ja versucht, eine Straftat mit einem wichtigen Anliegen und hehren Überzeugungen zu rechtfertigen. Aber während der Gerichtstermin dazu stattfindet, fliegt man um die halbe Welt. Das lässt dann schon Zweifel an den Grundsätzen aufkommen“, so die Justizministerin. Auffallend still blieb es dagegen bei den Grünen. Der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz habe kein Interesse daran, den Fall zu kommentieren, ließ sein Pressesprecher mitteilen.