Vor dem Start des Referendums über eine Verfassungsreform in der Türkei gibt es noch einige der umstrittenen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Baden-Württemberg. Die Abgeordnete der Regierungspartei AKP, Ayse Sula, wird vom 16. bis 18. März in Stuttgart sein. Nach weiteren Angaben des Innenministeriums vom Dienstag ist ihr Kollege Yalçin Akdogan am 18./19. in Mannheim. Zur selben Zeit tritt der Abgeordnete Mahir Ünal in Karlsruhe und Stuttgart auf. Vom 24. bis 25. März ist AKP-Berater Ozan Ceyhun in Stuttgart und Mannheim unterwegs. In welchen – öffentlichen oder privaten – Gebäuden die Politiker ihre Veranstaltungen abhalten, war dem Innenministerium nicht bekannt. In den betroffenen Kommunen lagen keine Anmeldungen für solche Veranstaltungen vor.
In der Türkei ist das Referendum über die Verfassungsreform, die die Machtbefugnisse von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan massiv ausweiten würde, für den 16. April terminiert. Die gut 1,4 Millionen Türken in Deutschland können zwischen dem 27. März und dem 9. April wählen.
Die Stadt Gaggenau hatte kürzlich die Veranstaltung eines türkischen Verbandes mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag wegen Sicherheitsbedenken nicht genehmigt. Das Saarland will als erstes deutsches Bundesland solche Wahlkampfauftritte verbieten.
Das Innenministerium bietet Kommunen rechtlichen Rat an, wenn es um die Genehmigung von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker geht. Das Versammlungsrecht sei aber in Deutschland ein hohes Gut, fügte der Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU) hinzu.
SPD-Landeschefin gegen Auftrittsverbote für türkische Politiker
SPD-Landeschefin Leni Breymaier lehnt Auftrittsverbote ab. „Es geht um unser Grundgesetz – und wir haben Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, sagte Breymaier der „Schwäbischen Zeitung“ (Mittwoch). „Ich glaube, wir halten diese Veranstaltungen hier aus, auch wenn sie uns nicht gefallen.“
Die Türkische Gemeinde will die Opferrolle der Türkei indes nicht durch ein Einreise- oder Veranstaltungsverbot für Politiker der Regierungspartei AKP stärken. „Aus dieser Rolle heraus verhindert die türkische Regierung, dass man über Inhalte der Verfassungsänderung diskutiert“, sagte Bundes- und Landeschef Gökay Sofuoglu der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland solle man am besten ignorieren.
Die Spannung zwischen Deutschland und der Türkei erschwere die Situation der Deutsch-Türken, weil sie Diskussionen über die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft oder kommunales Wahlrecht für Ausländer neu befeuere. Er warnte vor einem Rückwärtstrend in der Migrationspolitik. Nach Meinung des Stuttgarter Verbandschefs soll die Türkei weiter die Chance auf einen EU-Beitritt erhalten. „Perspektivisch gehört die Türkei zur Europäischen Union.“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält einen EU-Beitritt der Türkei angesichts der aktuellen Spannungen für „meilenweit“ entfernt. Als grundsätzlicher Befürworter eines EU-Beitritts des Landes betonte er, dieser setze voraus, dass das Land die sogenannten Kopenhagener Kriterien – darunter die Beachtung der Menschenrechte – erfülle. Die Türkei tue im Moment aber alles, um immer größere Gräben aufzureißen und sich von der EU zu entfernen. Die Zuständigkeit in der Frage, ob Wahlkampfauftritte der türkischen Regierung in Deutschland zuzulassen sind, sieht Kretschmann bei der Bundesregierung.
Die FDP verlangt mehr Haltung der grün-schwarzen Koalition: „Die Landesregierung muss sich endlich dafür einsetzen, dass die Regierung Merkel türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland untersagt“, sagte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. In Deutschland dürfe nicht für den Umbau demokratischer Staaten in Diktaturen geworben werden.