Sira Huwiler

Herr Mary, Ihr neuestes Buch trägt den Titel „Kann denn Single Zufall sein?“ Gibt es eine Antwort auf diese Frage?

Ja. Es ist alles andere als Zufall, wenn jemand dauerhaft Single bleibt. In dem Fall hat er zahllose potenzielle Partner aussortiert. Er sagt: „Der nicht, die nicht, der nicht, die nicht ... usw.“ Manche Singles haben 50 oder 100 Dates, ohne dass sie den oder die Richtige finden.

Etwas mehr als die Hälfte der Bundesbürger ab 14 Jahren ist Single, rund zwei Drittel davon sagen, dass sie zufrieden mit dem Alleinsein sind. Warum schätzen so viele Menschen hierzulande das Single-Leben?

Singlesein kann eine wichtige Zeit sein, um sein eigenes Ding zu machen oder nach einer Beziehung wieder zu sich selbst zu finden. Aber wenn alle zufrieden damit wären, würden ja nicht so viele einen Partner suchen. Ich wende mich in meinem neuen Buch an Singles, die suchen, aber nicht finden. Viele sind verzweifelt, wissen einfach nicht, woran es liegt.

 

Single-Fakten

  • Zwei Drittel zufrieden
    Mehr als die Hälfte der Bundesbürger ab 14 Jahren ist laut dem Statistik-Portal Satista Single. 61,9 Prozent der Singles geben an, zufrieden mit dem Leben ohne einen Partner zu sein.
  • Single-Gründe von Frauen
    Befragte sagen selbst, dass sie Single sind, weil sie zu hohe Ansprüche haben (30,2 Prozent), weil sie ihre Unabhängigkeit noch nicht aufgeben wollen (26,6 Prozent) oder weil sie sich noch nicht wieder bereit für eine neue Partnerschaft fühlen (18,2 Prozent).
  • Single-Gründe von Männern
    Sie sagen, dass sie Single sind, weil sie schüchtern sind und wenige Menschen kennenlernen (28,7 Prozent), auch sie ihre Unabhängigkeit noch nicht aufgeben wollen (27,7 Prozent) oder ihre Ansprüche an einen neuen Partner zu hoch sind (25,5 Prozent).
  • Internet
    Rund drei Millionen Singles nutzen das Netz jährlich für Online-Dating in Singlebörsen und Flirt-Portalen. Doch die meisten lernen ihren Partner laut Statista im Freundeskreis (27 Prozent), beim Ausgehen (16 Prozent), im Job (11 Prozent) oder sogar in der Nachbarschaft (6 Prozent) kennen.
(sih)

 

 

Was steht der Partnerfindung oft im Weg?

Hinderlich ist die Suche nach dem oder der „Richtigen“. Die meisten dauerhaft suchenden Singles haben ungute Erfahrungen mit Beziehungen gemacht. Nun wollen sie das nicht noch einmal erleben. Daher suchen sie den Richtigen, also jemanden, der perfekt zu ihren Erwartungen passt. Wer nicht zu passen scheint, wird aussortiert. Die Kriterien, nach denen das entschieden wird, sind aber zumeist unbewusst und darüber hinaus sehr fragwürdig. Denn die Passung wird vom Partner abhängig gemacht. Der eigene Anteil an den Vorgängen in einer Beziehung oder bereits im Date wird außer Acht gelassen. Anders gesagt: Man sorgt besser selbst für seinen emotionalen Schutz, als diesen vom Partner abhängig zu machen.

Sie haben als Paarberater mit eigener Praxis in Hamburg ein Konzept entwickelt, wie man einen Partner findet, ohne ihn zu suchen. Wie sieht das aus?

Man muss aufhören, nach dem Richtigen oder einer Beziehung zu suchen. Statt dessen sucht man Begegnungen, in denen man sich so zeigt, wie man ist. Ohne Strategie, ohne Verstellung, ohne die üblichen Tipps und Tricks aus den üblichen Single-Ratgebern. Dazu gehört etwas Mut. Zu zeigen wer ich bin, ist aber die einzig sinnvolle Art des Aussortierens. Dann wenden sich nämlich von selbst diejenigen ab, denen ich nicht zusage und diejenigen wenden sich zu, die mich genau so mögen, wie ich nun mal bin.

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die bereits oft enttäuscht wurden, wieder Nähe zulassen zu können?

Wer oft enttäuscht wurde, der ist wahrscheinlich der Beziehung vorausgeeilt. Das heißt, er hat mehr auf die eigenen Erwartungen oder die Versprechen des anderen geschaut als auf das, was tatsächlich in der Begegnung mit dem anderen geschieht. Eine Begegnung findet jedoch nicht statt, solange man zu wissen glaubt, wie der andere tickt, was das, was er sagt oder tut, bedeutet. Dann bezieht man sich im Grunde nur auf sich selbst. Begegnung wird möglich, wenn man die Bedeutung erfährt, die eine Aussage oder ein Verhalten für den anderen tatsächlich hat – frei von eigenen Erwartungen. Erst dann bezieht man sich auf ihn.

Haben Sie ein Beispiel?

Gerne: Wenn jemand sagt: „Ich liebe dich“, dann gibt man dem aufgrund eigener Hoffnungen eine bestimmte Bedeutung. Womöglich zieht man mit ihm zusammen oder heiratet ratzfatz, weil man glaubt, endlich am Ziel angekommen zu sein. Nach einer Weile stellt sich dann heraus, dass der andere etwas anderes gemeint hat, dass er mit Liebe etwas anderes verbindet. Daher lässt man sich besser Zeit, bis man seine eigenen Bedeutungen und Wünsche klar offengelegt und die des anderen erkannt hat. Dann erst findet echte Begegnung statt, und dann erst stellt sich heraus, ob man zusammenpasst.

 

 
 

 

Wo macht man am besten den ersten Schritt, wenn man einen Partner fürs Leben finden will?

Das ist sehr individuell. Auf jeden Fall muss man Begegnungen suchen, egal wo und egal wie. Und dann muss man aufhören zu prüfen, ob der andere als Partner für ein Leben taugt. Eine Beziehung muss aufgebaut werden, man kann sie nicht abchecken, wenn sie noch nicht da ist. Am Aufbau ist man aber immer auch selbst beteiligt. Passung ist kein Fakt, so wie bei einem Puzzle, sondern Ergebnis einer intimen Kommunikation. Je besser die gelingt, desto höher sind die Chancen.

Was macht zwei sich unbekannte Menschen zu potenziellen Partnern und was eher nicht?

Es wird viel von Werten gesprochen und anderen Kriterien, die man checken soll. Das funktioniert aber nicht. Denn Liebe ist heute eine Gefühlssache, ihre Motive bleiben dem Bewusstsein letzlich verborgen. Eben deshalb ist man ja auf Austausch, Selbstoffenbarung und Zuwendung angewiesen. Wer Begegnungen sucht und sich darin auf einen authentischen Kontakt einlässt, der findet früher oder später einen Partner.

Wer einen Partner sucht, muss auch aktiv die Begegnung suchen. Etwa in einer Bar.
Wer einen Partner sucht, muss auch aktiv die Begegnung suchen. Etwa in einer Bar. | Bild: Viacheslav Iakobchuk - stock.adobe.com

Und wie hält eine Partnerschaft ein Leben lang, gibt es ein Geheimnis?

Sie fragen nach einer Garantie. Wenn es die gäbe, würde Liebe ihren Sinn verlieren. Gerade deshalb, weil man Liebe nicht garantieren kann, ist sie so wertvoll. Wer nur die Dauer sucht, der kann einfach aushalten und mit dem Partner zusammenbleiben, auch wenn er dabei unglücklich ist. Das machte früher einmal Sinn, als Partner sich zum Überleben brauchten. Gottseidank ist heute die Qualität einer Beziehung das Wichtigste. Wer sich um diese Qualität kümmert, macht eine lange Dauer sehr viel wahrscheinlicher.

Wie kümmert man sich um die Qualität der Beziehung, gibt es Alltagstipps?

Die Antwort hierauf scheint paradox zu sein. Man muss sich gerade den Störungen zuwenden, die in einer Beziehung unvermeidbar auftauchen. Wenn etwas nicht so wie erwartet verläuft, nutzt Enttäuschung nichts, und Streit und Kampf schaden. Was hilft ist Neugier. Es geht um die Frage, was sich auf der einen oder anderen Seite unbemerkt verändert hat und wie man das in der Beziehung unterbringen kann. Wer zeigt, was sich bei ihm verändert hat, geht ein Risiko ein, erhält aber auch eine Chance auf Erneuerung der Liebe.

Fragen: Sira Huwiler

 

Zur Person

Michael Mary arbeitet seit 1980 als Paar-, Individual- und Singleberater. Inzwischen hat er 36 Ratgeber-Bücher veröffentlicht, darunter einige Best- und Longseller. Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) und beim Südwestfunk (SWR) war er von 2008 bis 2010 an Sendungen zum Thema Paarberatung beteiligt. (sk)
 

Buchtipp: Michael Mary, Kann denn Single Zufall sein? Nordholt-Verlag, 240 Seiten, 18 Euro.
Buchtipp: Michael Mary, Kann denn Single Zufall sein? Nordholt-Verlag, 240 Seiten, 18 Euro. | Bild: Nordholt Verlag