Anette Brecht-Fischer

Wer sein Körpergewicht stabil hält, lebt in einer gut austarierten Balance: Die Energiezufuhr durch die Nahrung entspricht dem Energieverbrauch. Dieser setzt sich aus zwei Größen zusammen: Zum einen ist dies die Menge an Energie, die der Körper nüchtern und in völliger Ruhe braucht, um seine Funktionen aufrecht zu erhalten. Dieser sogenannte Grundumsatz ist vom Alter, Geschlecht, der Körpergröße und der Muskelmasse abhängig. Zweitens gehört der Arbeitsumsatz dazu – die Energiemenge, die der Organismus für seine Muskeltätigkeit braucht. Jemand, der den Tag vorwiegend am Schreibtisch sitzend verbringt, hat einen niedrigeren Arbeitsumsatz als ein Kellner oder Landwirt, die sich bei der Arbeit viel bewegen. Wenn man zusätzlich noch mehr Muskelarbeit macht, also zum Beispiel Sport treibt, kann man seinen Arbeitsumsatz erhöhen.

Genau dieser Aspekt beflügelt so manchen, der abnehmen möchte. Wird der Energieverbrauch größer als die Energiezufuhr, dann führt das theoretisch zur Gewichtsabnahme. Es klingt so schön: Ein bisschen mehr Bewegung am Tag und schon pendelt sich der Zeiger der Waage bei einem niedrigeren Gewicht ein. Doch was so einfach erscheint, funktioniert nicht immer.

Der Gang zur Waage ist nicht leicht, wenn man abnehmen möchte. Besonders frustrierend ist es, wenn sie plötzlich gar mehr anzeigt, ...
Der Gang zur Waage ist nicht leicht, wenn man abnehmen möchte. Besonders frustrierend ist es, wenn sie plötzlich gar mehr anzeigt, obwohl man viel Sport treibt. | Bild: Vladimir Voronin – stock. adobe.com

Das bestätigt auch Claudia Osterkamp-Baerens, die neben ihrer eigenen Praxis als Ernährungsberaterin in Ottobrunn bei München die Leistungssportler am Olympiastützpunkt Bayern unterstützt. „Es klingt so logisch, mit Sport abzunehmen.“ Ihre Klienten haben oft genaue Vorstellungen: „Körperliche Aktivität erhöht den Energieverbrauch. Nachbrenneffekte vergrößern die Energieausgaben zusätzlich und das regelmäßige Training erhöht auch noch den Grundumsatz.“ Doch Theorie ist das Eine, die Praxis das Andere. Viele erleben trotz Sport keine oder nur eine sehr geringe Gewichtsabnahme. „Das Training bringt nicht den erhofften Erfolg, was häufig zu einer hohen Unzufriedenheit führt“, beschreibt die Expertin die Gemütslage der Betroffenen.

Der Grund dafür ist in der effizienten Arbeit des Körpers zu sehen, der selbst bei Bewegung nur relativ wenig zusätzliche Kalorien verbraucht. Obwohl man sich beim Sport verausgabt, steckt der Organismus das gut weg. „Der Energieumsatz beim Sport steht in keinem Vergleich zur gefühlten Anstrengung“, dämpft Osterkamp-Baerens alle Hoffnungen auf schnelle Abnehmerfolge. Eine Stunde kombiniertes Krafttraining im Fitnessstudio verbraucht etwa 300 bis 400 Kilokalorien (kcal). Man müsste acht bis elf Stunden pro Woche trainieren, um auf relevante 3500 Kilokalorien Mehrverbrauch zu kommen. Auch ein schneller Freizeitläufer müsste fünf bis sieben Stunden wöchentlich trainieren, um diese Kalorienmenge zusätzlich zu verbrennen. Das ist für einen Hobby-, aber auch Profisportler nicht einfach.

Bild 2: In der Sport-Falle: Warum abnehmen auf dem Laufband gar nicht so einfach ist
Bild: stock.adobe.com / SK-Montage: Schönlein

Gerade bei Untrainierten könne ein Energieumsatz, der zur Gewichtsabnahme führt, nur durch einen hohen Zeiteinsatz erreicht werden, so die Ernährungsexpertin. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Wenn regelmäßig gleich viel trainiert wird, dann lernt der Körper damit umzugehen und verbraucht relativ wenig Energie dabei. Nur wenn das Training in Intensität und Umfang gesteigert wird – also ein richtiger Trainingsplan vorliegt, der abgearbeitet wird –, lässt sich der Arbeitsumsatz weiter erhöhen. Dies wird jedoch bei Freizeitsportlern selten der Fall sein. Auch der Nachbrenneffekt, der so lange nach einem Training anhält, bis Atmung, Puls und Hormonhaushalt wieder auf dem Normallevel sind, hält sich bei Hobbysportlern in Grenzen.

Bleibt noch die durch den Sport erhöhte Muskelmasse. Muskeln verbrauchen auch dann Energie (Kalorien), wenn sie nicht arbeiten. Mehr Muskeln bedingen also in der Folge einen höheren Grundumsatz, allerdings wirkt sich das auf der Waage des Abnehmwilligen erst einmal durch ein Plus und nicht durch ein Minus aus, schließlich bringt die neu gewonnene Muskelmasse zunächst mehr Gewicht: „Für eine Grundumsatzerhöhung, die sich auf die Gesamtenergiebilanz nachhaltig auswirken würde, muss Muskelmasse von mehreren Kilo zusätzlich aufgebaut werden“, betont Osterkamp-Baerens. Wenn nur einige Kilo Übergewicht runter sollen, ist Krafttraining folglich nicht zielführend. Im Allgemeinen wird eine Kombination von Ausdauersportarten und Krafttraining empfohlen. Allerdings gibt es kaum gute Studien, die die Effekte der beiden Aktivitäten im Vergleich untersucht haben.

Damit die Pfunde purzeln, muss zusätzlich auf die Ernährung geachtet werden, zumal viele Freizeitsportler meinen, sie hätten sich durch die Anstrengung eine Extraportion verdient. Besonders bei Zwischenmahlzeiten sollte man aufpassen. Da sei auch die Handvoll Studentenfutter zu viel, so die Expertin. Eine zusätzliche Kohlenhydrat-Zufuhr sei im Allgemeinen nicht nötig, zumal die Ernährung reich an Kohlenhydraten sei. Wenn überhaupt sollten Freizeitsportler im Gegensatz zu Profisportlern eher vor dem Training Kohlenhydrate aufnehmen. Nach dem Sport müssen Wasser- und Mineralienverluste wieder ausgeglichen werden. Darüber hinaus wird empfohlen, ein bis zwei Stunden lang nichts zu essen, wenn man abnehmen will, denn dann wird der Fettstoffwechsel mobilisiert.

Eine Zeit lang Kalorien zu zählen, bringt nichts - beim Abnehmen kommt es darauf an, die Ernährung langfristig umzustellen.
Eine Zeit lang Kalorien zu zählen, bringt nichts - beim Abnehmen kommt es darauf an, die Ernährung langfristig umzustellen. | Bild: Franziska Gabbert (dpa-tmn)

Allein mit sportlicher Betätigung abzunehmen, klappt also kaum, wie viele Analysen zeigen, bei denen verschiedene Studien zum Thema ausgewertet werden. Das Fazit: Der Abnahmeeffekt mit Sport als einzige Maßnahme ist relativ gering, aber der dabei stattfindende Umbau des Körpers ist ein wichtiger Nebeneffekt. Deshalb haben moderate Bewegung und Sport einen bedeutenden Stellenwert bei der Gewichtsreduzierung von übergewichtigen und adipösen Menschen. Außerdem lässt sich durch ein wenig mehr Bewegung im Alltag ein erhöhter Blutdruckwert senken und das Risiko für Herzerkrankungen verringern.

 

Kalorienverbrauch durch Sport

Um ungefähr 500 kcal pro Tag oder 3500 kcal pro Woche sollte der Arbeitsumsatz erhöht werden, wenn man abnehmen möchte – ohne mehr zu essen. Wer nach einer Diät sein neues Gewicht langfristig halten möchte, sollte etwa 2200 bis 2400 kcal pro Woche durch Bewegung verbrauchen. Am effektivsten ist hierbei Fuball, laufen, schwimmen und Wasser-Aerobic. Es handelt sich dabei immer um Durchschnittswerte, die je nach Gewicht, Alter und Geschlecht der Person sowie je nach der Intensität der Bewegung unterschiedlich ausfallen können. (abf)