Maria Wendel

Immer wieder gibt es Diskussionen ums Bürgergeld. Eine Reform der seit 2023 existierenden Sozialleistung, die das frühere Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ersetzte, ist aktuell eines der zentralen Ziele der schwarz-roten Bundesregierung. Geplant sind unter anderem strengere Sanktionen für sogenannte „Verweigerer“, Maßnahmen gegen Sozialleistungsmissbrauch und Kürzungen bei den Zuschüssen für Wohnkosten – und wenn es nach Bundeskanzler Friedrich Merz geht, sollen auch die Ausgaben für die Grundsicherung deutlich reduziert werden.

Während die politische Debatte nicht abebbt, ermöglichen neue Zahlen einen genaueren Blick auf die Erwerbsbiografien von Bürgergeld-Empfängern: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat jüngst neue Daten zur Beschäftigungsdauer von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ELB) veröffentlicht. Sie werfen ein Schlaglicht auf ein sensibles Thema: Wie viele Bürgergeld-Empfänger haben noch nie gearbeitet?

Zahlen zur Grundsicherung veröffentlicht: So viele Bürgergeld-Empfänger haben noch nie gearbeitet

Ausgewertet wurde die „Dauer der Beschäftigung und Nicht-Beschäftigung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ im Jahr 2023. Laut dem Methodenbericht der BA vom August 2025 bezogen im Jahresschnitt 2023 rund 3,93 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld. Davon waren etwa 2,97 Millionen nicht erwerbstätig – und hatten teilweise seit Jahren keine sozialversicherungspflichtige oder geringfügige Beschäftigung ausgeübt.

Die Statistik unterscheidet dabei zwischen Menschen, die aktuell nicht arbeiten, und jenen, die seit Beginn der Datenerfassung keine Beschäftigungsmeldung aufweisen. Für viele dieser Personen liegt die letzte Beschäftigung mehr als fünf Jahre zurück. Bei einem Teil gab es sogar gar keine Beschäftigung seit Einführung des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – es regelt Bürgergeld und Grundsicherung für Arbeitsuchende – im Jahr 2005.

Laut der Auswertung gibt es erwerbslose Bürgergeld-Empfänger, die noch nie gearbeitet haben – wobei sich die Aussagen der BA auf den Zeitraum seit 1997 beziehen. Die Daten der Beschäftigungsstatistik reichen nämlich nur 28 Jahre zurück. Für rund 1,2 Millionen Personen haben die Fachleute keine Angaben zur letzten Beschäftigung gefunden.

Wie eine Sprecherin der Arbeitsagentur gegenüber IPPEN.MEDIA jedoch erklärte, seien unter diesen 1,2 Millionen Leistungsbeziehenden lediglich etwa 36.000 Personen, die seit 2005 im Leistungsbezug sind und seit 1997 keiner Beschäftigung nachgegangen sind. Das entspricht nur rund drei Prozent aller erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger. Auch, ob diese Personen zu den sogenannten „Totalverweigerern“ gehören, die jede Arbeit ablehnen, geht nicht aus der Auswertung hervor.

Bürgergeld-Empfänger, die noch nie gearbeitet haben: Mögliche Gründe

Es kann laut IPPEN.MEDIA viele Gründe für die lange Arbeitslosigkeit geben, etwa psychische oder gesundheitliche Einschränkungen. Als erwerbsfähig zählen Menschen ab einer möglichen Arbeitszeit von drei Stunden am Tag. Ob dies aber auch bei körperlicher Arbeit wirklich möglich ist, ist eine andere Frage. Das macht die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt schwierig – ebenso wie mangelnde Qualifikationen.

Wie die BA-Sprecherin weiter erklärte, sind ein Großteil der Bürgergeld-Empfänger, die laut Statistik noch nie gearbeitet haben, „Personen, die noch gar nicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt ‚ankommen‘ konnten“ – also etwa:

  • Jugendliche, die noch am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen: Allein 418.000 Personen aus dieser Gruppe sind zwischen 15 und 25 Jahren alt, gelten offiziell als erwerbsfähig, gehen jedoch zum Teil noch zur Schule oder studieren und leben in einem Bürgergeld-Haushalt.

  • Geflüchtete, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. Laut BA handelt es sich um 630.000 Geflüchtete, die Bürgergeld beziehen, aber in Deutschland noch nicht gearbeitet haben. Beschäftigungen im Ausland, vor der Zuwanderung, würden laut Sprecherin nicht in der Statistik abgebildet, da entsprechende Angaben nicht vorliegen.

So viele Bürgergeld-Empfänger arbeiten

Im Gegensatz dazu gibt es auch die Bezieher, die arbeiten, aber dennoch nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und deshalb zusätzlich Bürgergeld erhalten. Die BA bezeichnet diese Menschen als Ergänzer, umgangssprachlich spricht man von Bürgergeld-Aufstockern. Rund 737.000 Leistungsberechtigte sind laut Statistik derzeit erwerbstätig – das entspricht knapp 19 Prozent der Gesamtgruppe der Bürgergeld-Empfänger. Die Auswertung zeigt außerdem: 368.000 Bürgergeld-Bezieher waren weniger als ein Jahr arbeitslos.

Die neuen Kennzahlen zeigen, wie heterogen die Gruppe der Bürgergeld-Empfänger ist – von Menschen mit lückenloser Erwerbsbiografie bis hin zu jenen, die nie in einem sozialversicherungspflichtigen Job gearbeitet haben. Für die Politik bedeutet das: Pauschale Maßnahmen greifen oft zu kurz. Es braucht differenzierte Strategien, um Langzeitarbeitslose gezielt zu fördern. Derzeit wird laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) gespannt auf einen entsprechenden Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) gewartet. Dabei gehe auch um die Frage, wie Menschen wieder in Arbeit gebracht werden können und welche Sanktionen denjenigen drohen, die sich weigern, eine zumutbare Tätigkeit aufzunehmen.

Übrigens: Die Präsidentin der Armutskonferenz, Barbara Höckmann, kritisierte kürzlich die Debatte rund ums Bürgergeld und warf einigen Akteuren vor, mit verzerrten Darstellungen Stimmung gegen Empfänger zu machen. Viele Behauptungen – etwa über angeblich massenhafte Arbeitsverweigerung – seien statistisch nicht haltbar und würden die Realität der Betroffenen verkennen.