Lina Frijus-Plessen

Die Entwicklung der Regelsatzhöhe beim Bürgergeld und seinem Vorgänger, Hartz IV, folgte zuletzt einem Aufwärtstrend: Für alleinstehende Leistungsberechtigte etwa erhöhte sich der Regelbedarf der Bundesagentur für Arbeit zufolge innerhalb der letzten 20 Jahre um insgesamt 218 Euro. Die Entwicklung fand am 1. Januar 2024 ein jähes Ende, als eine sogenannte „Nullrunde“ eingeläutet wurde. Der Bürgergeld-Regelsatz blieb auf dem Niveau, auf das er Anfang 2023 gestiegen war. Zuletzt wurde in der Bundespolitik diskutiert, ob es zu einer weiteren Nullrunde kommt. Nun ist eine Entscheidung gefallen.

Bürgergeld 2026: Kabinettsbeschluss zur Nullrunde – Bundesrat entscheidet im Oktober

Wie schon im Januar 2025 wird es auch zum 1. Januar 2026 keine Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes bekommen. Die zweite Nullrunde in Folge beschloss das Kabinett von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch, 10. September 2025. Eine Zustimmung des Bundestags ist nicht nötig, allerdings muss der Bundesrat zustimmen, der am 17. Oktober 2025 dazu tagen wird.

Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger müssen also auch im kommenden Jahr mit dem aktuellen Regelsatz der Sozialleistung zurechtkommen, sollte der Bundesrat zustimmen. Die Entscheidung gegen eine Erhöhung hatte sich zuletzt bereits abgezeichnet. Statt mehr Geld soll es Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas zufolge künftig härtere Sanktionen für Bürgergeldbeziehende geben, die etwa Termine beim Jobcenter versäumen. „Ich sorge für mehr Zug in der Betreuung. Wer ohne Grund nicht zum Termin kommt, dem wird jetzt deutlich mehr gestrichen“, kündigte die SPD-Politikerin in der Bild an. Sie wolle Menschen bei der Jobsuche stärker unterstützen, doch wer sich der Arbeitsvermittlung verweigere, „dem machen wir es deutlich schwerer“, so Bas.

Wie wird entschieden, ob das Bürgergeld erhöht wird?

Das Bürgergeld soll als Leistung des Sozialstaats laut Bundesregierung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums beitragen. Wie viel Geld notwendig ist, um dieses zu gewährleisten, wird jährlich mittels eines gesetzlich festgelegten Verfahrens überprüft, wobei die Bedarfshöhen gegebenenfalls angepasst werden. Die Basis des Verfahrens bildet die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre erhoben wird.

Angesichts der stark angestiegenen Energiepreise und Lebenshaltungskosten im Jahr 2022 wurde die Ermittlung der Regelbedarfe angepasst. Seit Anfang 2023 werden dabei nicht mehr nur die Preis- und Lohnentwicklung, sondern auch die aktuelle Inflationsrate berücksichtigt, wie die Bundesregierung auf ihrer Website erläutert. Demnach wurde auch für 2024 eine Erhöhung des Bürgergelds um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr beschlossen. Alleinstehende Erwachsene erhielten damit 61 Euro mehr als 2023.

Aufgrund der inzwischen sinkenden Inflation hätten 2025 nach Angaben der Bundesregierung rein rechnerisch auch die Regelsätze beim Bürgergeld verringert werden müssen. Doch die sogenannte Besitzschutzregelung nach Paragraf 28a Absatz 5 SGB XII verhindert ein Absenken der Beträge. Einmal beschlossene Regelsatzhöhen müssen in den Folgejahren mindestens beibehalten werden. So kam es im Jahr 2025 zu einer Nullrunde.

Wie reagieren Politik und Sozialverbände auf die Nullrunde 2026?

Mitglieder der Regierungsparteien Union und SPD befürworteten die erneute Nullrunde beim Bürgergeld. So bezeichnete Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) die ausbleibende Erhöhung der Regelbedarfe im Interview mit der Rheinischen Post als „richtiges Signal“ und grundlegende Änderungen, wie die von Bas geplante Ausweitung von Betreuungsmaßnahmen und Sanktionen, als „überfällig“. Und auch vonseiten der SPD erhält das geplante Vorgehen Rückendeckung: Dabei handele es sich um einen weiteren Schritt in Richtung einer notwendigen Reform des Bürgergelds, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese der Rheinischen Post.

Deutliche Kritik kam hingegen von der Linken. Nach Ansicht des Parteichefs Jan van Aken betreibe Bas mit ihren Plänen eine Politik, „die bei den Ärmsten knausert und den Superreichen nützt“, wie er der Rheinischen Post mitteilte. Die weitere Nullrunde beim Bürgergeld kritisierte die sozialpolitische Sprecherin der Linken, Cansin Köktürk, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als „eine zutiefst ungerechte Entscheidung und ein unverantwortlicher Angriff auf das Existenzminimum“. Auch BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht sprach sich gegen die ausbleibende Erhöhung aus: „Diese Entscheidung ist falsch und Willkür der Ministerin“, erklärte sie der Berliner Morgenpost.

Sowohl der Paritätische Gesamtverband als auch der Sozialverband Deutschland warfen der Koalition vor, durch dieses Vorgehen die soziale Spaltung voranzutreiben. „Die zweite Nullrunde im Bürgergeld hintereinander bedeutet mehr Not und wachsende Ausgrenzung derer, die am wenigsten haben“, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, in der Stuttgarter Zeitung. Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, bezeichnete es gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als unverantwortlich, mit Sparmaßnahmen beim Bürgergeld das Existenzminimum infrage zu stellen.