Aus freiburg ralf mittmann

Christian Streich ist ein Fußballexperte erster Güte. Ein Trainer, der sich allzeit weitergebildet hat, der ein Bewunderer der katalanischen Finesse ist, die der große FC Barcelona oft genug eindrucksvoll zur Schau stellt. Der Coach des SC Freiburg ist auch ein gewiefter Taktiker und ein mutiger Vertreter seiner Zunft, der über Spielsysteme nicht nur sinniert, sondern auch mal dieses oder jenes anwendet. Beim 1:1 gegen 1899 Hoffenheim wich Streich von der meistens gepflegten Viererreihe in der Abwehr ab und versuchte es mit einer zentralen Dreierkette, die im Notfall durch die Außenverteidiger zu einem Fünferverbund wachsen sollte. Dies natürlich sorgfältig geplant, wie Julian Schuster bestätigte: „Wir haben die Dreierkette die ganze Woche über trainiert.“ Aber, so der Kapitän weiter, der im hinteren Dreierverbund auf der Mittelposition agierte: „Wir haben während des Spiels dann umgestellt.“

Präziser hätte es heißen müssen: mehrfach umgestellt, weil auch die Hoffenheimer sehr variabel waren in ihrer Grundausrichtung. In Summe wollte der Trainer „sehr zufrieden“ sein mit seinem Plan, der dazu geführt habe, dass der spielstarke Gegner kaum zu Abschlüssen im Strafraum kam. Das war auch dem Hoffenheimer Trainer nicht verborgen geblieben, er freilich führte das eher auf gezieltes Mauern der Freiburger zurück. „Die hatten denn doch viel Personal in der eigenen Box“, kommentierte Julian Nagelsmann mit einem Lächeln im Gesicht, das freundlich rüberkam, aber nicht frei von Süffisanz war. Streich war’s egal, er betonte, seine Mannschaft hätte „nicht mehr abspulen können als das, was wir abgespult haben“.

Und verwies darauf, dass in der Schlussphase sogar ein Sieg hätte herausspringen können. „Ich hatte in der letzten Viertelstunde das Gefühl, dass eher wir das 2:1 machen“, sagte er und verwies auf das Pech von Janik Haberer. Dessen herrlicher Direktschuss nach schöner Vorarbeit von Vincenzo Grifo (Flanke) und Nils Petersen (Kopfballablage) krachte in der 80. Minute an den Pfosten. Wäre der Ball ins Tor gegangen, hätte Streich alle Trümpfe in Händen gehabt.

So blieb doch ein zweispältiges Gefühl – bei verwirrten Zuschauern, irritierten Medienvertretern, aber auch einigen seiner Spieler. „Wir spielen die Dreierkette ja nicht so oft und hatten schon unsere Probleme – vor allem vor der Pause“, bekannte Alexander Schwolow. Der Sportclub-Torhüter hatte trotz weitgehender Blockade des Gegners im Strafraum alles andere als einen geruhsamen Nachmittag. Der 23-Jährige war bei Schüssen aus der Distanz fünfmal gefordert, davon zweimal extrem. Schwolow bestand die Prüfungen mit Auszeichnung, beim Gegentreffer, den ihm Kramaric in den Torwinkel setzte, war er chancenlos. Seine Vorderleute sah man im ersten Durchgang mehrfach miteinander diskutierend, das Abwehrtrio reklamierte zu große Abstände zu den Mittelfeldstrategen. Das hatte aber auch damit zu tun, dass sich Schuster, Manuel Gulde und Marc-Oliver Kempf beim zu oft untauglichen Spielaufbau – zu langsam, zu viel quer, zu unpräzise im Zuspiel – zu weit zurückzogen, anstatt Raumgewinn nach vorne zu schaffen. Und es hatte damit zu tun, dass Verbindungsmann Niocolas Höfler einen schwachen Tag hatte. Dem eigentlich technisch versierten Mittelfeldrecken unterliefen einige hanebüchene Ballverluste in der eigenen Hälfte.

Nicht nur die veränderte taktische Ausrichtung sorgte für Diskussionsstoff. Vor allem Streichs Verzicht auf Vincenzo Grifo wollte kaum jemand einleuchten. Der Trainer verwies ungerührt darauf, dass der „Vince“ eben die meisten Einsatzzeiten aller Offensivkräfte habe, es andere auch mal verdient hätten, von Anfang an zu spielen, und qualitativ doch alle eng beieinander wären. Das war nicht böse gegenüber Grifo, dafür freundlich gegenüber den meisten – aber doch ein bisschen Etikettenschwindel. Grifos Einsatz mit viel Tempo in den 17 letzten Spielminuten unterstrich das, und beinahe hätte er ja auch noch einen Assist verbucht, wenn Haberers Schuss ins Tor gegangen wäre. Dann freilich hätte auch Streich wieder hundertprozentig Recht gehabt...

Fazit: in vielerlei Hinsicht ein schwieriger Fußball-Nachmittag mit einem in erster Linie aus Freiburger akzeptablen Ende.