Weder auf dem offiziellen Mannschaftsfoto noch im Klubmagazin „Eintracht vom Main – Unsere 50. Saison“ taucht Filip Kostic auf. Wer sein Konterfei oder seinen Steckbrief dort sucht, wird nicht fündig. Typische Folge eines späten Sommertransfers. Rückblick: Der Handlungsdruck auf die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt war Mitte August erheblich gestiegen, als der Pokalsieger erst den Supercup gegen den FC Bayern, dann auch noch die erste Pokalrunde beim SSV Ulm fürchterlich in den Sand gesetzt hatte. Am 20. August gaben die Hessen bekannt, sich für zwei Jahre auf Leihbasis die Kostic-Dienste gesichert zu haben.

Ausgeliehen vom Hamburger SV

Nicht alle im Umfeld des Pokalsiegers empfingen den bei der WM in Russland mit Serbien in der Vorrunde gescheiterten und sowohl mit dem VfB Stuttgart als auch dem Hamburger SV abgestiegenen Nationalspieler so euphorisch wie Sportdirektor Bruno Hübner („bekommen genau den Spielertyp, den wir für unser Spiel brauchen: technisch versiert, schnell und zielstrebig“) und Sportvorstand Fredi Bobic („wird unsere Flexibilität steigern“).

Neue Position bringt Erfolg

Doch wenn Eintracht Frankfurt nun heute Abend beim VfB Stuttgart antritt (20.30 Uhr) antritt, dann kommt Kostic als vielseitiger Allrounder, der im dritten Anlauf endlich auf der Überholspur ist. Der seit Donnerstag 26-Jährige spielt statt Linksaußen jetzt Linksverteidiger und bildet mit seinem Pendant Danny da Costa auf rechts die neuen Adler-Flügel. Trainer Adi Hütter ist die erfolgreiche Umschulung zu verdanken. Der Österreicher, unzufrieden mit den Disziplinlosigkeiten seines niederländischen Linksverteidigers Jetro Willems, wagte bereits am vierten Spieltag im Heimspiel gegen RB Leipzig (1:1) den Versuch, Kostic anders einzusetzen. Der 48-Jährige erkannte, dass die vom Vorgänger Niko Kovac benutzte Dreierkette für die defensive Stabilität zwar am besten passt, es aber für die offensive Durchschlagskraft neue Ansätze braucht. Kostic aus der Tiefe des Raumes anlaufen zu lassen und mit der Absicherung der linken Seite mehr Verantwortung zu übertragen, avancierte zur besten Idee.

Neue Rolle verinnerlicht

Die Nummer zehn ist treuer Zulieferer für die Stürmer Ante Rebic, Luka Jovic und Sebastién Haller, nachdem er verinnerlicht hat: „Ich denke zuerst an die Defensive und dann kommen die Läufe nach vorne. Es war nur anfangs ein komisches Gefühl.“ Drei Torvorlagen und zwei (Europa-League-)Tore zeugen seitdem davon, dass sich beides verbinden lässt: mit Attacke grätschen und im Vollsprint flanken, Räume verdichten und Räume aufreißen, Gegenspieler decken und Gegenspielern weglaufen. Dass er seriöse Leistungen in Serie anbietet, erklärte Kostic in der „Sportbild“ so: „Ich brauche eben eine gute Mannschaft, um mein Spiel zu machen.“

Seit sechs Pflichtspielen ungeschlagen

Die seit sechs Pflichtspielen ungeschlagene Eintracht will den goldenen Oktober am Neckar fortführen. Auch für Bobic ist es – noch viel mehr als für Kostic – eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Bevor der in Stuttgart aufgewachsene Sportvorstand nämlich beim VfB im September 2014 von seinen Aufgaben entbunden wurde, hatte er noch den in den Niederlanden beim FC Groningen kickenden Kostic für fünf Millionen Euro verpflichtet. Beim Wechsel zum HSV brachte der Linksaußen zwei Jahre später 14 Millionen Euro ein. Dennoch weinte im Schwabenland ihm beim Abstieg kaum jemand eine Träne nach: Kostic galt vielen als Inbegriff des Fußball-Söldners, der sein Potenzial viel zu selten ausreizte. Ein Vorwurf, der ihn auch mit dem Hamburger Absturz in Liga zwei begleitete. Auch an der Elbe wollten sie ihn wegen des hohen Gehalts nicht behalten – und der Spieler selbst erstklassig bleiben. Dass die Eintracht nach dem auf zwei Spielzeiten angelegten Leihgeschäft die bei 6,5 Millionen Euro veranschlagte Kaufoption zieht, wird immer wahrscheinlicher. Und damit auch sein Erscheinen auf dem Mannschaftsfoto.