Wenn man Umfragen Vertrauen schenken darf, dann zählt Ostern zu den bekanntesten unter den unbekannten Festen. Während die meisten Deutschen Sinn und Zweck einer Fußball-WM zutreffend erklären und mit tiefgründigem Wissen auftrumpfen können, wird es für die Karwoche zappenduster. Jeder Zweite kann Ostern nicht oder nur bruchstückhaft einordnen – ein Schicksal, das es mit Weihnachten teilt. Den meisten Zuspruch erhalten Antworten wie „Eier färben“ oder „Fest der Geschenke“. Beides sind höchst sympathische und gesellige Umschreibungen für das wichtigste Fest der Christen – und liegen doch scharf daneben.

Die weitverbreitete Unkenntnis könnte man ausholend kritisieren. Man könnte die Unterlassungen der Religionslehrer beklagen und der C-Partei eine draufgeben. Im selben Atemzug kann man das verheerende Werk der Säkularsierung geißeln, die mit den Kirchen auch die Köpfe leert. Und wenn man schon in Fahrt ist, wird auch der Schwenk auf die zunehmende Infantilisierung der Gesellschaft nicht fehlen, deren Leben sich in Selfies selbst bespiegelt. Und die den Himmel vor allem als Kulisse für Weltraumfilme kennt. Überhaupt das unselige Werk der Computer!

All diese Kulturkritik kann man Wort für Wort an die Klagemauer schreiben. Doch trägt das nicht weiter. Eine freie Gesellschaft hat das Recht zu glauben und ebenso ein Recht, nicht zu glauben oder eine andere Wahrheit zu installieren. Immer mehr Menschen nehmen das in Anspruch. Religionsfreiheit wird für sie zur Freiheit von Religion. „Auch der Unglaube ist nur ein Glaube,“ sagte kürzlich Arnold Stadler.

Umzug in ein neues Gehäuse

Radikaler Unglaube dürfte dabei die wenigsten Menschen umtreiben. Vielmehr suchen sich die Reste an religiösen Überzeugungen ein neues Gehäuse, eines, das ihnen zeitgemäßer erscheint. Die Zahl derer, die sich als spirituell bezeichnen und „offen für alles“ sind, wächst. Dazu gehören auch Buddhisten, die sich verbal zu dieser Philosophie bekennen. So „wie man eine Mode annimmt“, nannte es der Dalai Lama mit kritischem Unterton. Und da ist der Atheismus alten Schlages, bis heute Sache einer Minderheit. Er lässt die Seinen ohne Hoffnung in die Grube fahren.

Spannender sind technische Fantasien. Auf Umwegen kommt das ewige Leben wieder zum Vorschein. Der Historiker Yuval Noah Harari hat es beschrieben. In seinem Bestseller „Homo Deus“ entwirft der Israeli ein Zukunftsbild – halb Science Fiction aus dem OP, halb Verheißung. Der Mensch könne unsterblich werden, behauptet Harari kühn. Seine Prognose wirft sich nicht auf traditionelle jüdische oder christliche Vorstellungen von Ewigkeit. Vielmehr, so will er wissen, seien die Religionen von Abraham bis Mohammed Auslaufmodelle, Folgen einer tiefsitzenden Angst vor dem Nichts. Nur deshalb habe man Götterbilder gegossen.

Hararis Gottmensch („Homo Deus“) ist eine kühne medizinische Vision: Durch den Fortschritt der Medizin leben wir bereits jetzt länger. Dazu kommen Implantate, Künstliche Intelligenz und gezüchtete Organe. Durch zeitigen Austausch und gute Betreuung kann ein Mensch eines Tages unbegrenzt leben. Harari schildert das mit jungenhafter Begeisterung. Die Kehrseite scheint ihn nicht zu interessieren: Nur eine Elite wird sich diesen Weg leisten können. Die breite Masse müsste den Uralt-Menschen dienen.

Tod, Leben, Gericht

Diese Schildkröten-Menschen wollen nicht sterben und dürfen es auch nicht. Sie leben in einer selbst gemachten Hölle, bewohnen ein kaltes Paradies, wo ihr Sonderstatus schwerste soziale Verwerfungen auslösen wird. Die eigentliche Frage bleibt trotz maximalem Aufwand unbeantwortet: Was bringt das Ganze? Und wo ist der Sinn des Lebens?

Ostern gibt darauf einen Hinweis: Fürchte dich nicht, wenn du jetzt oder morgen stirbst. Es gibt ein Leben nach dem Tod und ein Wiedersehen mit guten Menschen, die vor dir gegangen sind. Und es gibt ein Gericht. Es bildet eine Instanz, vor der jeder Rechenschaft ablegen muss, ohne Tricks. Das ist die christliche Antwort auf die Schrecken der eigenen Sterblichkeit. Möglicherweise ist die Antwort zu simpel, aber es ist eine gewaltige Antwort.

Was Ostern meint, lässt sich auch an einem Beispiel dieser Tage ablesen: Nach dem Mord an ihrer Tochter, der Studentin Maria, gründeten Friederike und Clemens Ladenburger in Freiburg eine Stiftung. In einem Interview sagten die Eltern : „Als Christen waren wir vom Moment der Todesnachricht an gewiss, dass es Maria gut geht, dass sie gut aufgehoben und bewahrt ist. Sie lebt weiter mit uns und wir können uns auf ein Wiedersehen mit ihr freuen.“