Donald Trump zelebrierte am Sonntag den Tod des IS-Chefs Abu Bakr al-Baghdadi als persönlichen Erfolg – und als politischen Triumph während der für ihn bisher gefährlichsten Phase der Präsidentschaft.

Die Operation gegen Baghdadi hatte einem Bericht der „New York Times„ zufolge im Sommer dieses Jahres mit der Planungsphase begonnen, nachdem es der CIA in Kooperation mit irakischen und kurdischen Geheimdienst-Agenten in Nordsyrien offenbar gelungen war, eine der Ehefrauen und einen Kurier des Terroristen-Anführers festzusetzen und zum Reden zu bringen. Daraus ergaben sich Anhaltspunkte für den Aufenthaltsort Baghdadis nahe Idlib fünf Kilometer südlich der türkischen Grenze.

US-Präsident Trump präsentiert im Weißen Haus in markigen Worten jede Menge Einzelheiten über den Einsatz.
US-Präsident Trump präsentiert im Weißen Haus in markigen Worten jede Menge Einzelheiten über den Einsatz. | Bild: JIM WATSON/AFP

Baghdadi sei dann – so schilderte es Trump in seinem fast 50-minütigen TV-Auftritt – „wie ein Hund“ und „wie ein Feigling“ gestorben und habe am Ende in einem Tunnel, verfolgt von US-Spezialeinheiten, eine Selbstmordweste gezündet. Getötet wurden dabei auch drei Kinder des Flüchtenden, lediglich zwei US-Soldaten und ein Diensthund der Elitetruppe seien verletzt worden.

Die Ironie des Geschehens fiel nicht wenigen Beobachtern in Washington auf. Richard Haass, Präsident des „Council on Foreign Relations„, einer außenpolitischen Denkfabrik in Washington, formulierte zu dem Geschehen: „Diese erfolgreiche Operation wäre nicht möglich gewesen ohne US-Truppen, die nun abgezogen werden, ohne die Hilfe der betrogenen Kurden und ohne die Unterstützung des so oft kritisierten US-Geheimdienstes“. Doch solche Details interessierten Trump während seiner 48-minütigen Siegesrede nicht.

Abu Bakr al-Baghdadi, Anführer der IS-Terrormiliz in Syrien in einem früheren Propagandavideo.
Abu Bakr al-Baghdadi, Anführer der IS-Terrormiliz in Syrien in einem früheren Propagandavideo. | Bild: dpa

Stattdessen präsentierte er in oft markigen Worten jede Menge Einzelheiten über den Einsatz und die vorausgegangenen Ermittlungen – was wiederum Geheimdienstexperten zu der Kritik veranlasste, Trump habe womöglich zuviel preisgegeben, was wiederum verdeckt am Boden arbeitende Helfer gefährden könne. Allerdings sollte man auch davon ausgehen, dass deren Job nun nach dem Tod Baghdadis erledigt ist und sie sich in Sicherheit gebracht haben. Trump verglich den Einsatz gegen Baghdadi zudem mit der Tötung Osama Bin Ladens, die sein Vorgänger Barack Obama verantwortet hatte. Osama Bin Laden sei „sehr groß“ gewesen, so Trump, aber nur aufgrund der Ereignisse in New York und der Anschläge gegen das „World Trade Center„. Baghdadi sei ein wichtigeres Ziel gewesen, weil er und seine Terrororganisation „tödlicher“ gewesen sei.

Kritisch aufgenommen wurde auch die Tatsache, dass Trump führende Demokraten im Kongress bewusst über den Einsatz in Syrien im Dunkeln gelassen hatte. Dazu zählen auch Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses und Erzfeindin Trumps, und Senats-Fraktionschef Charles Schumer. In Washington gebe es zu viele Indiskretionen, hatte Trump lamentiert – und damit der Opposition in einem kühnen Seitenhieb indirekt einen möglichen Hochverrat unterstellt, der dann für die Spezialeinheiten während der zweistündigen Operation zur Bedrohung geworden wäre. Informiert hatte der Präsident vorab hingegen einige seiner Verbündeten unter den Republikanern. Ein Fakt, der die Animosiäten zwischen Trump und den Demokraten, die schon im kommenden Monat offiziell ein Amtsenthebungs-Verfahren gegen den Präsidenten einleiten könnten, verstärken dürften.

Was Experten zur Zukunft des IS sagen

  • Jean-Pierre FiliuJean-Pierre , Nahost-Experte an der Universität Sciences Po in Paris: Für Filiu ist der Tod Baghdadis „ein schwerer Schlag für die Organisation, zu deren “Kalif‘ er sich 2014 erklärt hat“ – auf dem Höhepunkt der Schreckensherrschaft der IS-Miliz in Syrien und im Irak, die durch Anschläge, Enthauptungen und Vergewaltigungen geprägt war. Allerdings spricht Filiu von einem eher „symbolischen Verlust“ für den IS. Es sei nicht sicher, dass die operative Führung der Miliz durch den Tod al-Baghdadis lange gelähmt werde.
  • Hischam al-Haschemi, renommierter irakischer Dschihadisten-Forscher, glaubt, dass der Tod al-Baghdadis zu „einem Moment des Schweigens und einer Pause bei den Terroranschlägen führen wird“. Der Wissenschaftler aus Bagdad vergleicht die Lage mit der nach der Ermordung des früheren Al-Kaida-Chefs im Irak, Abu Omar al-Baghdadi, 2010. Damals habe Al-Kaida vier Monate gebraucht, um im Irak wieder aktiv zu werden. Auch der nun getötete IS-Führer al-Baghdadi ging aus den Reihen des Terrornetzwerks Al-Kaida im Irak hervor. Al-Haschemi glaubt, dass er als ‚Kalif‘ durch einen Tunesier oder einen IS-Anhänger von der arabischen Halbinsel ersetzt werden könnte.
  • Rita Katz, Leiterin des auf die Überwachung extremistischer Websites spezialisierten US-Unternehmens Site, nennt „den Tod al-Baghdadis, wenn er bestätigt wird, einen schrecklichen Schlag gegen den IS und sein Netzwerk.“ Die Geschichte lehre aber, dass die Dschihadistenmiliz sehr „widerstandsfähig“ sei. (AFP)