Forschungsgruppe Wahlen

In Thüringen wird die Linke erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Partei, CDU und SPD fallen auf ihre schwächsten Ergebnisse in diesem Bundesland: Nie zuvor gab es für CDU und SPD zusammen bei einer Landtagswahl weniger Unterstützung. Die AfD legt stark zu, die Grünen bleiben relativ schwach, die FDP hat Zuwächse. Wie schon in Sachsen und Brandenburg steigt die Wahlbeteiligung deutlich.

Die Linke verdankt ihren Wahlsieg ihrem Parteiansehen, guter Regierungsarbeit und gewachsenem Politikvertrauen. Die Basis für den Erfolg legt aber Bodo Ramelow: Bei Leistungsbilanz und Ansehen deutlich besser als die CDU-Ministerpräsidenten Lieberknecht und Althaus vor fünf bzw. zehn Jahren, wünschen sich die meisten Thüringer Ramelow weiter als Regierungschef. Die CDU, genau wie die SPD ohne bundespolitischen Rückenwind, wird bei Ansehen und politischer Arbeit positiv gesehen, beim Kandidat und zentralen Themen hat sie aber relative Defizite.

So liegt CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring beim Ansehen (+5/-5-Skala: 0,9) klar hinter Bodo Ramelow (1,6; 2014: 0,9), der inzwischen auch im CDU-Lager positiv bewertet wird. 73 Prozent der Thüringer bescheinigen Ramelow gute Arbeit und 53 Prozent bevorzugen ihn, aber nur 32 Prozent Mohring als Regierungschef. Im Duell Linke- gegen AfD-Kandidat sind 72 Prozent für Ramelow und lediglich 14 Prozent für den AfD-Mann Björn Höcke, der selbst die eigenen Reihen nur bedingt überzeugt. Beim Ansehen mit minus 2,6 tief im Negativbereich, sehen 66 Prozent in Höcke „eine Gefahr für die Demokratie“.

Das bereits 2014 niedrige Ansehen der thüringischen AfD ist nochmals erheblich gesunken (+5/-5-Skala: minus 2,3; 2014: minus 1,4). CDU (0,9; 2014: 1,1), SPD (0,6; 2014: 0,9) und Grüne (minus 0,2; 2014: 0,3) haben Imageverluste. Die Linke schafft einen Bestwert (1,1; 2014: 0,7), was sich auch sachpolitisch erklärt: Neben viel Zuspruch bei „Sozialer Gerechtigkeit“ wird ihr beim Top-Thema „Bildung und Schule“ am meisten zugetraut und für 40 Prozent kümmert sich die Linke am ehesten um die Sorgen und Probleme der Ostdeutschen. Die CDU führt zwar weiter bei „Wirtschaft“ und „neue Jobs“, hat hier aber sichtbare Kompetenzverluste.

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Während die Linke für 61 Prozent der Befragten „Thüringen in den letzten fünf Jahren vorangebracht“ hat, können sich die Grünen in der Regierung nicht profilieren, zumal es im Land für 74 Prozent „viel wichtigere Themen als Klimaschutz“ gibt. Bei der SPD, deren Koalitionsarbeit leicht positiv bewertet wird, sehen 67 Prozent den Grund für das schlechte Ergebnis primär „bei der SPD im Bund“. Hier hat neben der SPD auch die CDU Ansehensverluste, parallel ist die Zufriedenheit mit der schwarz-roten Bundesregierung (0,0; 2014: 1,5) eingebrochen.

Besonders laut ist die Kritik an Koalition und Kanzlerin unter AfD-Anhängern, die die AfD als Protestplattform sehen: Für 93 Prozent nennt die AfD „als einzige Partei die wichtigen Themen beim Namen“. 29 Prozent wählen die AfD als „Denkzettel“, aber 69 Prozent „wegen ihrer politischen Forderungen“. Vom Thema Ausländer abgesehen, genießt die AfD unter allen Thüringern kaum Politikvertrauen, trägt aber als Partei, in der gut zwei Drittel rechtsextremes Gedankengut weit verbreitet sehen, „durch ihre Positionen und Aussagen“ für 63 Prozent „Mitschuld an rechtsextremen Gewalttaten“.

Besonders erfolgreich ist die AfD wie gewohnt bei Männern, unter Wählern mit niedrigerer Schulbildung sowie außerhalb der größeren Städte. Bei allen unter 60-jährigen Männern wird die AfD mit 32 Prozent klar stärkste Partei, unter Wählern mit Haupt- oder Realschulabschluss hat sie rund dreimal so viel Unterstützung wie unter Wählern mit Hochschulabschluss (29, 30 bzw. zehn Prozent).

In der Generation 60plus wählen nur 16 Prozent AfD, die Linke liegt hier weit vor der CDU (40 bzw. 24 Prozent). Bei den unter 30-Jährigen liegt die CDU nur knapp vor den Grünen (13 bzw. elf Prozent), Linke und AfD sind bei den jungen Wählern ähnlich stark (22 bzw. 24 Prozent).

Besonders gute Ergebnisse erzielt die Linke unter konfessionslosen sowie unter formal hochgebildeten Wählern, bei den ab 60-Jährigen mit Hochschulabschluss schafft sie 47 Prozent.

Auch wenn mit dem AfD-Erstarken bisherige Koalitionsmodelle jetzt auch im Erfurter Landtag keine Mehrheit mehr finden, plädieren die Thüringer für politische Basiskontinuität und gegen AfD-Verantwortung: Eine Regierungsbeteiligung der AfD lehnen 68 Prozent ab, bei der Linken fänden das umgekehrt 51 Prozent und bei der CDU 49 Prozent prinzipiell gut. Dass die CDU ein Bündnis mit der Linken ausgeschlossen hat, sehen 59 Prozent aller Thüringer und selbst 47 Prozent der CDU-Anhänger kritisch, gegenüber einer Minderheitsregierung gibt es große Vorbehalte.

Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.628 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Thüringen in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 18.808 WählerInnen am Wahltag.