Der Name Petry hat im westfälischen Bergkamen einen guten Ruf. Denn Helmut Petry leitete bis zu seinem Tod vor 16 Jahren die evangelische Kirchengemeinde im Stadtteil Oberaden. Auch seine Frau Magdalena ist Pastorin, unterrichtete als Religionslehrerin am hiesigen Gymnasium. So wurde auch Sohn Sven fast zwangsläufig ein Mann Gottes. Nicht nur deshalb glänzte der Name Petry weiter im Bewusstsein der Kleinstadt. Denn inzwischen war der großgewachsene Junge mit der sonoren Stimme selbst verheiratet – und Frauke, seine Frau, steuerte zum Ansehen bei. Sie promovierte in ihrem chemischen Spezialgebiet mit „magna cum laude“ („mit großem Lob“), gründete eine ökologisch orientierte Firma, heimste bald erste Preise ein – so etwa als Existenzgründerin des Jahres.
Schließlich attestierte ihr sogar Bundespräsident Joachim Gauck eine „ganz besondere Courage und Tatkraft“, als er der damals 37-Jährigen im Schloss Bellevue die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland überreichte. Die Einladung hatte Ehemann Sven aus der Post gefischt. Er war halt häufiger zu Hause, seit das Paar 2009 ins sächsische Tautenhain im Landkreis Leipzig gezogen war. Er wurde hier Gemeindepfarrer, die Familie lebte nun im Pfarrhaus mit ihren vier Kindern.
Alles sah nach endloser großer Liebe und trauter Kleinbürgerlichkeit aus. Immerhin kannten sie sich seit dem Gymnasium in Bergkamen, waren seitdem ein Paar, spornten sich dennoch auch schulisch an: Frauke wurde beim Abitur Klassenbeste, Sven knapp nach ihr Zweiter. Und offenbar beeinflusst durch das kulturell-religiöse Milieu, wollte die junge Frauke Marquardt – aufgewachsen in einer brandenburgischen Industrie-Tristesse – sogar Kirchenmusik studieren. Orgel spielte sie da bereits ganz passabel in der Kirche ihres späteren Schwiegervaters.
Es kam anders. Sie entschied sich für etwas „weniger Brotloses“, wie sie es später einmal nannte. Und Sven Petry folgte seiner blitzgescheiten und offenbar hoch ambitionierten Frau gen Osten. Im Grunde sei sie „genetisch ehrgeizig“, entschuldigt sie dies gern. Ob hierin Wurzeln für ihre spätere politische Karriere liegen und ob ihr tief geerdeter westfälischer Mann damit zunehmend mehr Probleme bekam, kann man nur mutmaßen. Zunächst lebte die Familie weiter ihren Bilderbuchalltag.
Sven kümmerte sich um seine teils arg maroden sechs Gotteshäuser in vier sächsischen Dörfern, trieb Gelder für neue Dächer und Orgeln auf und predigte sonntags von der Kanzel über Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Offenbar nicht ohne Erfolg. In manchem Ort gehört heute wieder jeder zweite Einwohner der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde an. Und Frauke stritt in der Elternvertretung ihrer Ältesten mit, sang in einem Leipziger Kirchenchor, saß zuweilen nach des Gatten Morgenandacht an der Dorforgel.
Womöglich waren beide da auch noch im politischen Gleichklang, so als Frauke Petry – die AfD gab es noch nicht – zunehmend lauter auch mal über eine familienunfreundliche Gesellschaft grummelte. „Beruf und Familie müssen sich gleichrangig miteinander vereinbaren lassen“, sagt denn auch Sven Petry. Oder als sie für eine Frauenquote in der Wirtschaft plädierte und schließlich sogar die Drei-Kind-Familie propagierte, verbunden mit der Forderung, das steuerliche Splitting nur noch traditionellen Hetero-Ehen zuzugestehen.
Der AfD nie beigetreten
Womöglich gab ihr Sven dabei auch nicht immer Recht. Doch nach außen suchte er noch lange den Schulterschluss mit seiner Frau. So war er es auch, der 2014 aus dem Familienbudget stolze 3000 Euro auf ein Wahlkampfkonto der AfD überwies. Später darauf angesprochen, begründete er dies mit „rein privaten Gründen“. War das Liebe, war es Loyalität gegenüber der Gattin, die ab 2013 schwere Zeiten durchmachte? Denn damals war ihre Firma schon in den Konkurs gerutscht. Oder beeindruckte ihn ihr Aufstieg ins Spitzenteam der neuen AfD? Liebäugelte er anfangs selbst mit dieser Partei, die sich da noch vor allem eurokritisch gab, nicht aber als klarer Rechtsausleger?Fakt ist, Pfarrer Petry trat der AfD nie bei. Seine – auch politische – Bühne blieb der Predigtstuhl. Gleichwohl hatte er sich die ersten knapp zwei Jahre quasi eine Art Schweigegelübde auferlegt: „Kein öffentliches Wort zum politischen Tun seiner Frau!“ Im Grunde hält sich der 39-Jährige bis heute daran. Er äußert sich nicht in den Medien über die Mutter seiner Kinder.
Dennoch fand er eigene Wege, um Signale zu senden – an seine Noch-Gemahlin wie an die Welt, aus der er kommt und in der der Name Petry seinen guten Klang behalten soll: Er twittert gegen rechtspopulistische Ansichten, wie sie die AfD vertritt. Er stärkt via Facebook der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin den Rücken und trat der von Frauke Petry als „Kartellpartei“ geschmähten CDU bei. Vor allem von der Kanzel herab mahnt der Priester mit den graumelierten Haaren und dem meist etwas spöttischen Lächeln seine Gemeinden im sächsischen Pegida-Land mit eindeutigen Worten: „Wenn jemand in friedlicher Absicht vor der Haustür steht, dann hat man ihn zunächst einmal hereinzulassen!“ Denn er wüsste nicht, so sagt er den Gläubigen auf Nachfrage, „wie man von einem christlichen Standpunkt aus ernsthaft zu einem anderen Schluss kommen“ könne. Mithin lehnt er auch einen generellen Aufnahmestopp ab.Ob es nur moralische Bedenken waren, die Sven Petry dazu veranlassten, sich gegen seine Frau zu stellen, oder aber auch persönliche Enttäuschung, sei dahingestellt. Denn wahrscheinlich dürfte ihm seit Juni letzten Jahres – als er sich derart zu öffnen begann – klargeworden sein, dass seine Frau Frauke ihn betrog und die Ehe wohl nicht mehr zu retten ist. Ein trauriges Ende für eine deutsch-deutsche Vorzeigefamilie.