Die Fußball-EM der Frauen hat Millionen Zuschauer vor die Bildschirme gelockt: Das Finale zwischen Deutschland und England am Sonntag sahen in der Spitze bis zu 22 Millionen Menschen hierzulande – das ist Rekord. Toll, dass der Frauenfußball endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient, freuen sich die Anhänger. Tatsächlich haben die deutschen Mädels in mehrerlei Hinsicht positiv überrascht. Der Hype um den Frauenfußball ist trotzdem endlich.
Fünf Lehren aus der Frauenfußball-EM:
1. Frauenfußball ist Fußball
Überraschung des Jahres: Eingefleischte Fußball-Fans machen es sich kollektiv vor dem Fernseher gemütlich, um Frauen beim Kicken zuzusehen! Selbst Kommentatoren-Legende Marcel Reif konnte den Spielen etwas abgewinnen, auch wenn er immer noch der Meinung ist, dass es sich hier um eine andere Sportart handelt. Geschenkt.

Ja, Frauenfußball ist anders als Männerfußball (der von nun an bitte immer so genannt wird), aber Frauenhandball ist auch anders, oder Volleyball, Boxen… Dass es im Grunde um dieselbe Sportart geht, ist in diesen Fällen aber nie bestritten worden.
2. Dumm kickt gut, schlau aber auch
Was die Zuschauer ebenfalls erfreute: Der Teamgeist der Mädels und ihre intelligenten und freundlichen Repliken auf die Fragen der Reporter. Die Frauen können sich eben noch über die Aufmerksamkeit von Medien freuen, was einem wie Tonis Kroos irgendwie abhanden gekommen ist. Reporter mit kritischen Fragen werden bei der Frauen-EM jedenfalls nicht gleich vom Spielfeldrand gejagt. Viel Kritik wurde allerdings auch nicht geäußert.
Die Damen zeigen sich in den Interviews höflich und eloquent. Übrigens: Die Hälfte des Frauen-Nationalteams studiert nebenher, die anderen haben eine anständige Ausbildung absolviert. Das sieht man bei den männlichen Spitzenkickern zwar auch, aber deutlich seltener. Was auch daran liegen dürfte, dass die Jungs zu früh zu gut verdienen, um schon in jungen Jahren über einen Brotberuf außerhalb des Fußballs nachzudenken.
3. Frauen sind auch keine Engel
Hin und wieder stellt man trotzdem fest: Frauenfußball wird überschätzt, oder eher überhöht. Nein, nicht weil die Damen nicht auch anständige Technik und clevere Taktik draufhätten. Beides kann sich durchaus sehen lassen.
Es ist eher so, dass der Frust über den Millionärsfußball der Männer – durchkommerzialisiert mit allen Folgen – manchen Blick auf die kickenden Frauen verklärt: Da gäb‘s keine Schwalben, heißt es, da wird nicht theatralisch auf dem Rasen gewälzt, obwohl gar nichts wehtut, und und und. Spätestens das Endspiel aber gezeigt: Auch die Frauen können unfair fallen, Zeit schinden und jubeln, zumindest die Engländerinnen.
4. Frauenfußball ist hip
Ohne Frage: Das Zuschauen hat Freude gemacht. Der Eindruck, der sich beim Schauen der Fernsehübertragungen dennoch einstellte, ist der einer leicht übertriebenen Begeisterung von Moderatoren und Kommentatoren. Angesichts des Enthusiasmus, mit dem im Fernsehen berichtet wurde, sei eine Frage erlaubt: Wie kommt es, dass die kickenden Frauen unterm Jahr sehr selten in den Sportsendungen auftauchen? Warum spielt Frauenfußball unterm Jahr nur eine marginale Rolle?
Klar, der Maßstab sind die Zuschauerzahlen. Und die haben in Deutschland noch viel Luft nach oben, wie der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, wo, wie in in Spanien, bereits heute Frauen-Ligen große Stadien füllen.
5. Männerfußball wird weiter herrschen
War da was? Die Frauen-EM ist vorbei. Ob jetzt alle Neu-Fans die Stadien der Frauen-Bundesliga füllen werden? Vielleicht wird es ein paar Neuzugänge geben. Das wäre jedenfalls zu hoffen. Aber statt 80.000 werden es bald wieder eher 800 sein, die die Tore in der Frauen-Bundesliga bejubeln. Das wird die harte Realität sein bis zum nächsten Jahr. Dann ist WM und die Begeisterung für die Mädels wird wieder hochkochen.
Immerhin wird das dann auch schon ganz selbstverständlich sein: Es ist Fußball-WM der Frauen und wir schauen zu. Bis dahin aber flimmert noch viel Männer-Fußball über die Bildschirme. Auch wer die WM in Katar boykottiert, bekommt da einiges zu sehen. Erstmal ist Bundesliga-Start.