Je älter er wurde, desto skurriler wurde sein Auftritt. Karl Lagerfeld schuf nicht nur Kleider für die schönere Hälfte der Menschheit – er stilisierte sich selbst zum modischen Ereignis. Mozartzopf, dunkle Brille und weißer Stehkragen arrangierte er zum Markenzeichen. Seine Auftritte waren für den Laien interessanter als die staksenden und bildschönen Models. Claudia Schiffer war eleganter, doch trug auch sie nur, was ihr ein anderer auf den Leib geschneidert hatte. Der Deutsche Lagerfeld hatte es in Paris zum Inbegriff französischer Mode gebracht. Das war Diplomatie mit der Nähmaschine.
So erfrischend er neue Mode schuf, so statisch wirkte er selbst. Das todschicke Schwarz-Weiß verkleidete ihn mehr als dass es ihn kleidete. Er versteckte sich hinter dem düsteren Panzer wie eine Figur aus dem venezianischen Karneval. Der Zuseher war fasziniert und zugleich erschreckt. Kein anderer Zeitgenosse ließ seiner Einsamkeit so freien Lauf. Der Mann hatte Mut.