Johannes, bei den ESC-Wettquoten halten Sie sich mit „Wasted Love“ beständig auf Platz zwei, nur knapp hinter dem Topfavoriten Schweden.

Das ist total der Wahnsinn. Ich fühle mich extrem geehrt.

Was machen Sie denn, wenn Sie das Ding in Basel gewinnen?

Das wäre natürlich ultrakrass, elf Jahre nach Conchita Wurst wieder den Sieg für Österreich zu holen. Jetzt kommen natürlich von überall her die Leute auf mich zu und sagen: „Du gewinnst, du gewinnst.“ So viel Druck auf einmal! (lacht) Ich finde es sehr süß, wie sich die Menschen quasi schon darauf vorbereiten, dass ich den Sieg holen könnte.

Als Conchita 2014 mit „Rise Like A Phoenix“ triumphierte, waren Sie 13.

Ja, ich erinnere mich gut. Das war das erste Mal, dass ich den Eurovision Song Contest geschaut habe, mit meiner Familie. Wir haben damals in Dubai gelebt und erst sehr spät mitbekommen, dass eine Frau mit Bart zum Song Contest geht. Und dann wurde sogar in Dubai über Conchita berichtet, was nicht sehr häufig vorkommt, denn die queere Community ist ja gewissermaßen dort verbannt. Das hat meine ganze Familie so fasziniert, dass wir die Show auch erstmals geschaut haben. Und seitdem gucken wir den ESC jedes Jahr.

Holen Sie sich Tipps bei Conchita?

Ja, total. Ich bin in ständigem Kontakt mit Conchita. Sie unterstützt mich voll, hat mir Mut zugesprochen und mir versprochen, dass sie für alle Fragen, die ich habe, ein offenes Ohr hat.

Von Sänger Conchita Wurst, der den ESC 2014 in Kopenhagen gewann, hat JJ sich schon Tipps geholt.
Von Sänger Conchita Wurst, der den ESC 2014 in Kopenhagen gewann, hat JJ sich schon Tipps geholt. | Bild: Jörg Carstensen, dpa

Sie sind 2016, also mit 15, von Dubai nach Wien zurückgekehrt, wo Sie geboren sind. Wie haben Sie Dubai erlebt?

Ich hatte in Dubai eine wirklich schöne Kindheit. Das Leben dort war spannend und supermodern, es gab die tollsten Sachen. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich ein so privilegiertes Leben führen durfte. Meine Mutter, die von den Philippinen und aus einem nicht so wohlhabenden Elternhaus kommt, hat meiner Schwester und mir auch die nicht so glitzernden Seiten von Dubai gezeigt, das war ihr wichtig. Sie hat uns dahin gebracht, wo die billigen Arbeitskräfte leben, und uns klargemacht, dass es nicht alle Menschen so gut haben wie wir.

Ihr Vater ist Österreicher. Auf was für eine Schule sind Sie in Dubai gegangen?

Auf die German International School. Wir waren Kinder aus vielen verschiedenen Nationen, bunt gemischt. Diese Vielfalt hat mich schon früh sehr weltoffen werden lassen. Ich bin ein multikultureller Mensch. Dass meine Eltern aus zwei verschiedenen Kulturen kommen, hat es mir leicht gemacht, Verständnis und Interesse für unterschiedlichen Kulturen und Religionen zu entwickeln.

Sie kommen aus der klassischen Musik, sind ausgebildeter Countertenor, haben aber auch an Castingshows teilgenommen. Wo sehen Sie sich musikalisch?

In der perfekten Nische. (lacht) Die Musik, die ich mache, gibt es nicht so oft, aber sie entspricht exakt meinem künstlerischen Ich. Für mich ist es kein Problem, Pop und Klassik gleichzeitig zu lieben und zu singen.

In „Wasted Love“ kombinieren Sie Operngesang und elektronischen Pop. Werden Sie sich irgendwann zwischen den Stilen entscheiden?

Das ist eine Frage, die ich mir selbst jeden Tag stelle. Solange beides funktioniert und mir beides Spaß macht, werde ich auch beides gerne fortführen.

Wie ist „Wasted Love“ entstanden?

Es geht in dem Song um meine persönliche Erfahrung mit einer unerwiderten Liebe. Das war eine schwere Zeit für mich vergangenes Jahr, als ich das alles durchmachen musste. Den Song schrieben wir im Sommer zu dritt in Berlin, eine Songwriterin, der Produzent und ich. Das war dann erstmal wie eine Therapiestunde für mich. Ich habe mich bei der Songschreiberin Teodora Spiric ausgeheult, und dann haben wir den Text geschrieben, während der Produzent melancholische Akkorde gespielt hat. Dann nahm ich meinen Gesang auf, und wir dachten, es muss noch irgendwas Peppiges in den Song rein, das die Leute total überrascht.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie bereiten Sie sich auf Ihren Auftritt im Mai in Basel vor?

Auf Hochtouren. (lacht) Gerade mache ich sehr viel Sport, um den Klangkörper zu stabilisieren und die Kondition zu verbessern. Ich mache Krafttraining, laufe und konzentriere mich auf Übungen für den Bauch.

Für Deutschland treten Abor & Tynna an, zwei Geschwister, die ebenfalls aus Wien kommen. Kennen Sie sich?

Wir haben uns vor Kurzem das erste Mal getroffen. Ich kenne ihren Papa, weil er an der Staatsoper bei den Philharmonikern spielt, wo ich in der „Zauberflöte“ mitgewirkt habe. Es ist wirklich verrückt, wie klein die Welt ist.