Frau Chirwa, Sie kommen gerade von einem Casting. Wie oft passiert es eigentlich, dass Sie einen Anruf bekommen für ein Casting schon am nächsten Tag?
Das passiert nicht so oft. Aber es gibt immer Phasen, in denen viel gecastet wird, und dann wieder Phasen, in denen eher gedreht wird. Im Moment ist es tatsächlich so, dass jeden Tag entweder eine Anfrage kommt oder eine Zu- oder Absage, auf jeden Fall passiert immer etwas – und das ist gut so.
Sie gehören zum Ensemble der neuen ZDF-Serie „Blutige Anfänger“ über Nachwuchspolizisten. Sind Sie dazu auch durch ein Casting gekommen?
Ja, das ist eigentlich immer so. Bei „Blutige Anfänger“ war es ganz verrückt. Ich hatte damals gerade den letzten Drehtag von einem anderen Projekt und war danach praktisch jeden Tag bei einem (Konstellations-)Casting.
Stand der Beruf der Polizistin eigentlich irgendwann mal auf der Liste Ihrer Traumjobs?
Nein, nie. Die Schauspielerei war schon ganz lange mein Traum. So mit fünf, sechs Jahren habe ich viel getanzt und hatte regelmäßig Auftritte. Da war mir schnell klar, dass ich auf die Bühne will. Polizisten waren für mich immer eher die Bösen. (lacht)
Sie haben in der Serie „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ eine Ärztin gespielt, in „Blutige Anfänger“ sind Sie Polizistin. Welche Dienstkleidung ist Ihnen lieber?
Ich sage es ja ungern, aber mit schusssicherer Weste und diesen fetten Boots fühlt man sich wirklich unschlagbar! (lacht)
Ihre Figur Ann-Christin, was für ein Mensch ist sie?
Ann-Christin ist eine Frau, die ihr eigenes Ding durchzieht, die ganz genau weiß, was sie will. Sie ist geradezu süchtig nach Arbeit, nach Erfolg, und will jeden Fall unbedingt lösen – das hat für sie höchste Priorität. Anders als ihre Kollegen lässt sie sich nicht von privaten Befindlichkeiten und Problemchen ablenken.
Hatten Sie gleich in der ersten Casting-Runde das Gefühl, dass Sie diese Rolle unbedingt spielen wollen?
Ich fand sie von Anfang an total interessant und hatte wirklich Lust, so eine Frau zu spielen – eine starke Frau, die mich als Schauspielerin herausfordert, wo ich beim Spielen immer wieder überlegen muss, welche Fehler sie vielleicht macht oder wie sie mit einer bestimmten Situation umgeht.
Unterscheidet sich „Blutige Anfänger“ in den Arbeitsabläufen sehr von „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“? Immerhin sind es beides Serien.
Der große Unterschied war die Drehzeit. Bei „In aller Freundschaft“ war ich quasi fest angestellt, es wurde von Montag bis Freitag gedreht, wobei ich natürlich auch immer wieder mal frei hatte zwischendurch. Bei „Blutige Anfänger“ wurde die ganze Staffel in ein paar Wochen komplett abgedreht. Ich hatte das Gefühl, das war viel mehr Rock‘n‘Roll. (lacht) Jeden Tag gab es etwas Neues, auf das man sich einstellen musste, und man hat auch immer wieder mit anderen Kollegen gedreht. Es war ein bisschen so, als würden drei Filme auf einmal gedreht werden …

In der Serie sind einerseits junge Schauspieler dabei, so wie Sie oder Luise von Finckh, aber auch sehr erfahrene Kollegen wie zum Beispiel Esther Schweins. Was bringt Sie beruflich weiter: von älteren Kollegen zu lernen oder von Gleichaltrigen motiviert zu werden?
Beides, definitiv. Luise von Finckh ist ein richtiger Wirbelwind und hat uns immer wieder angestachelt, Dinge auszuprobieren. Dann aber Schauspieler zu sehen, die mit bestimmten Situationen geduldiger umgehen oder einfach viel mehr wissen als man selbst – das ist auch super. Ich lerne von allen, von den jungen genauso wie von den erfahrenen Kollegen.
Ob „Blutige Anfänger“ eine zweite Staffel bekommt, muss sich ja erst noch zeigen. Aber könnten Sie sich denn vorstellen, sich noch mal so lange auf eine Rolle festzulegen wie bei „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“?
Für mich ist das allerwichtigste, das war im Übrigen auch der Grund für meinen Ausstieg aus „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“, dass ich auch andere Projekte machen und verschiedene Charaktere spielen will, dass ich mal wieder Zeit finde fürs Theater oder für einen Kinofilm. Wenn mir bei einer Serie genug Zeit für so etwas bleibt, dann wäre ich auf jeden Fall gern weiter dabei.
Sie waren ja auch in einer kleinen Rolle in „Drei Engel für Charlie“ zu sehen. Hollywood … Wie war diese Erfahrung für Sie?
Oh Gott, ich war so aufgeregt! Und der Dreh war wirklich total spannend. Das war ja ein echtes Frauenpower-Projekt – mit drei starken Frauen in den Hauptrollen und noch dazu einer Regisseurin, Elizabeth Banks. Bislang habe ich ja sehr viel Theater gespielt, deshalb ist für mich eigentlich jedes Projekt fürs Kino oder Fernsehen eine Möglichkeit, etwas Neues zu lernen. Jede Serie, jeder Film ist anders. Klar gibt es Parallelen, aber allein der Ton macht so viel aus. Die amerikanische Mentalität unterscheidet sich sehr von unserer, wenn ich da an die Umgangsformen in Berlin denke … Und was man auch nicht vergessen darf: Hollywood ist finanziell eine komplett andere Liga.
Sie haben bislang vor allem Figuren gespielt, die ihren Platz im Leben noch finden müssen. Eine junge Ärztin, eine Polizistin in Ausbildung … Nun werden Sie dieses Jahr 30. Hoffen Sie auf „erwachsenere“ Rollen?
Ach, mir reicht es, wenn ich mit 80 keine Studentin mehr spielen soll. (lacht) Ich habe ja nach hinten raus noch so viel Zeit, Professorinnen, Mütter oder Großmütter zu spielen. Je länger ich als jung durchgehe, desto größer wird die Bandbreite meiner Rollen. Ich mache mir da keinen Stress, weder beruflich noch privat. Es ist nicht so, dass ich jetzt unbedingt Kinder haben muss, ein Auto kaufen und ein Haus bauen muss. Ich werde zwar 30, aber ich fühle mich ganz oft noch wie Anfang 20.

Sie besuchen immer wieder Sambia, die Heimat Ihres Vaters. Waren Ihren Ihre Wurzeln schon immer wichtig?
Sambia war schon immer ein Teil von mir, ich bin damit aufgewachsen, meine Wurzeln waren quasi Teil meiner Erziehung. In dem Land war ich dann zum ersten Mal mit 13. Das war mir schon früh wichtig, die Welt aus verschiedenen Perspektiven kennen zu lernen, andere Orte zu sehen. Deutschland ist ja doch sehr klein. Ich bin ja nach dem Schauspielstudium auch erst mal nach Südafrika gegangen, dann war ich in New York und Los Angeles …
Wenn man schon so viel von der Welt gesehen hat, wo hat man da Heimatgefühle?
Ich habe eigentlich immer Heimatgefühle, solange um mich herum Liebe, Freiheit und Ehrlichkeit sind. Wenn ich mich wohlfühle, dann ist es egal, wo ich gerade bin. Ich habe mal in New York einen Türken getroffen, dem bin ich fast um den Hals gefallen. (lacht) In Berlin ist die türkische Kultur so allgegenwärtig, dass sie für mich auch eine Form von Heimat ist. Aber die Familie spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Als ich zum allerersten Mal meine Oma in Sambia getroffen habe – da war so viel Liebe!
Sie sind auf Instagram sehr aktiv. Was ist Ihnen dort wichtig? Ein berufliches Netzwerk pflegen, unterhalten, ernste Themen ansprechen?
Alles. Ich versuche zu teilen, was ich wichtig finde. Dazu gehört natürlich auch meine Arbeit – oder die Arbeit von Kollegen, die ich schätze. Ich sehe Instagram auf jeden Fall auch als Sprachrohr, weil ich darüber Dinge nach außen tragen kann, die mir wichtig sind. Das ist ein Geschenk. Früher habe ich die Plattform auch noch viel mehr benutzt, um mich von Künstlern inspirieren zu lassen.
Was erhoffen Sie sich beruflich für die Zukunft?
Mein großer Traum ist, dass es weiter so gut läuft wie bisher. Dass ich immer neue Projekte machen und mit Menschen arbeiten kann, die ich schätze. Dass ich mehr Verantwortung bekomme und größere Herausforderungen. Und dass ich die Freiheit habe, Charaktere zu formen.