Herr Ullmann, in Ihrem neuen Film "Kilimandscharo: Reise ins Leben" wollen Sie hoch hinaus. Was war denn die höchste Erhebung, die Sie privat jemals erklommen haben?
Ehrlich gesagt leide ich unter Höhenangst … Auf hohe Berge zu klettern, ist deshalb gar nicht so meins. Aber was die höchste Erhebung war? Hm, da muss ich überlegen. Wahrscheinlich war es die Zugspitze, das ist ja immerhin der höchste Berg Deutschlands. Da war ich vor 15 Jahren mal oben – das war schon spektakulär. Was ich aber ganz sicher nicht mehr machen würde, ist, mit einer Gondelbahn dort hochzufahren. Der extreme Wind und das Wackeln der Gondeln sind keine gute Mischung für Menschen mit Höhenangst. Beim nächsten Mal laufe ich dann lieber oder nehme den Rollstuhl, wie im Film.
Und wie war das bei den Dreharbeiten? Wie viele Höhenmeter haben Sie da zurückgelegt?
Da sieht man mal wieder, wie das beim Film läuft. (lacht) Wir haben gar nicht in Tansania gedreht, die Bedingungen dort wären zu extrem gewesen, durch die unterschiedlichen Klimazonen, die es allein auf dem Kilimandscharo gibt. Wir haben in Südafrika gedreht, vor allem in der Umgebung von Kapstadt.
Sagen Sie bloß!
Die Produktion hat wirklich eine irre Leistung erbracht. Es wurden Landschaften gesucht – und gefunden, die dem Kilimandscharo und dessen Umgebung wahnsinnig ähnlich sind, dann wurden Sets aufgebaut, die 1:1 so aussahen, als wären wir wirklich am Kilimandscharo. Natürlich haben wir auch mit dem Green Screen gearbeitet, haben unsere Szenen also vor einem grünen Hintergrund gespielt, auf den im Nachhinein dann zum Beispiel der Berg eingefügt wurde. Da braucht man viel Vorstellungskraft. Ich erinnere mich an eine Szene in der Lodge, da sitzen wir auf der Terrasse und im Hintergrund ist eindrucksvoll der Kilimandscharo zu sehen – in Wirklichkeit saßen aber wir am Meer. Das war beim Drehen schon seltsam.
Man merkt es im Film nicht.
Gott sei Dank!
Sie wollen im Film den Kibo bezwingen, einen Berg im Kilimandscharo-Massiv – allerdings sitzt Tom, den Sie spielen, im Rollstuhl … Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das erfahren haben.
Es war ähnlich wie bei "Mein Blind Date mit dem Leben", wo es um einen fast Blinden geht, der eine Ausbildung zum Hotelfachmann macht. Ich konnte mir beide Male erst mal gar nicht vorstellen, dass das überhaupt funktioniert. Aber dann habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es tatsächlich zwei Rollstuhlfahrer gibt, die den Kibo bezwungen haben. Natürlich gehört wahnsinnig viel Vorbereitung dazu und auch ein speziell angefertigter Rollstuhl. Auch meiner war so gebaut, dass er den Berg hochgekommen wäre. Er war zwar mit einem kleinen Motor ausgestattet, aber es war immer noch eine krasse Anstrengung, sich über das Geröll zu kämpfen.
Haben Sie vor den Dreharbeiten trainiert?
Ja. Ich habe das am Anfang ehrlich gesagt unterschätzt, weil ich schon mal jemanden spielen durfte, der im Rollstuhl sitzt. Ich dachte, ich kenne das Gefühl, im Rollstuhl zu sitzen. Trotzdem wollte ich den Rollstuhl vor dem Dreh so früh wie möglich haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Und das war schon ein Schock, weil Welten zwischen einem Rollstuhl, wie man ihn kennt, und dem für den Film liegen. Ein paar Wochen vor Drehbeginn bin ich in Hamburg und auch in Berlin immer wieder durch die Stadt gefahren und habe mich an den Rollstuhl herangetastet. Beim Dreh habe ich mich dann so sicher mit dem Rolli gefühlt, dass er gar nicht mehr wegzudenken war. Nach Drehschluss war ich aber dann doch immer ganz froh, wenn ich wieder aussteigen konnte.
Einige Mitglieder aus der Gruppe, mit der Tom auf den Kibo will, sind skeptisch und glauben nicht, dass er den Aufstieg schaffen kann. Das spornt ihn erst recht an. Wie reagieren Sie, wenn Ihnen jemand etwas nicht zutraut?
Als Schauspieler erlebt man das eigentlich dauernd, dass jemand einem irgendetwas nicht zutraut. Man geht zu Castings, um zu beweisen, dass man es eben doch kann und dass man der Richtige für diese Rolle ist. Man braucht schon ein dickes Fell – und Durchsetzungsvermögen. Genau das hat auch Tom als ehemaliger Spitzensportler. Und dazu auch noch ein großes Selbstbewusstsein. Aber natürlich ist es gerade für ihn, der lernen muss, mit dem Rollstuhl zu leben, und der viel mit sich selbst zu kämpfen hat, besonders bitter, wenn ihm niemand etwas zutraut. Deshalb will er umso mehr beweisen, dass er das schaffen kann.
Setzen Sie sich auch gern hohe Ziele und gehen an Ihre Grenzen?
Das mache ich andauernd! Ich setze mir sogar Ziele, die viel zu weit weg erscheinen – es sind eigentlich eher Träume, die ich habe, und von denen ich weiß, dass ich viele davon wahrscheinlich gar nicht erreichen werde. Aber ich setze sie mir trotzdem – ohne einen zu großen Druck aufzubauen. Mein Ziel ist es, immer wieder neue Seiten an mir selbst kennenzulernen. In meinem Beruf ist es wie bei Tom, dem immer wieder gesagt wird, dass etwas nicht geht. Es liegt an ihm, die Leute vom Gegenteil zu überzeugen.
In "Kilimandscharo – Reise ins Leben" ist auch Anna Maria Mühe dabei. Sie standen nicht das erste Mal zusammen vor der Kamera. Ist sie inzwischen so etwas wie eine Lieblings-Kollegin?
Ja, ich glaube, unser Verhältnis ist ein sehr besonderes. Aber wir kennen uns nun schon seit gut 15 Jahren auch privat sehr gut – es ist ein Riesenglück und ein Riesenprivileg, mit Menschen arbeiten zu dürfen, die man so sehr schätzt. Anna ist ein toller Mensch, und was sie vor der Kamera macht, ist einfach stark.
Sie stehen schon sehr lange vor der Kamera. Kommt es Ihnen auch so vor oder eher nicht, weil für Sie als Schauspieler ja keine Rolle wie die andere ist?
Ich glaube, jeder hat ein ganz anderes Bild von sich selbst als die, die von außen drauf schauen. Ich fühle mich ehrlich gesagt immer noch ein bisschen wie am Anfang. Ich bin jetzt Anfang 30, mit elf Jahren habe ich angefangen, aber ich habe lange gebraucht, um zu sagen, dass ich Schauspieler von Beruf bin. Das habe ich erst sagen können, als ich auch davon leben konnte. Als Schauspieler hat man so viele verschiedene Rollen, man probiert sich immer wieder neu aus. Man lernt ständig dazu, und ich durfte zwar schon viele und tolle Erfahrungen machen und fühle mich auf jeden Fall sicherer als vor zehn Jahren – und trotzdem werde ich immer wieder an meine Grenzen gebracht.
Haben Sie trotzdem noch Ihren Plan B? Also die Ausbildung zum Erzieher?
Also, ich denke nicht täglich darüber nach – aber das wäre garantiert immer noch ein schöner Plan, an dem ich Freude hätte, weil ich weiß, dass mich der Beruf glücklich machen würde. Momentan darf ich viel arbeiten und kann das machen, worauf ich Lust und woran ich Spaß habe. Und wenn es irgendwann mal so sein sollte, dass ich nicht mehr als Schauspieler arbeite, dann wäre der Erzieher-Beruf sicher eine Variante. Vielleicht eröffne ich dann auch einen Kindergarten? (lacht) Vor allem hier in Hamburg könnte der gut gebraucht werden.
Hoffen wir mal für Ihre Fans, dass Sie noch sehr lange vor der Kamera stehen. Apropos: Was muss denn eine Rolle unbedingt haben, damit Sie sie spielen wollen?
Hm, eine Formel gibt es da nicht. Es ist das Neue, das mich reizt, das Unbekannte. Es muss nicht immer die Hauptrolle sein, manchmal sind die Nebenrollen für mich viel spannender, viel reizvoller, weil ich so etwas vorher noch nicht spielen durfte. Das war schon so, als ich ich immer als der liebe, nette Junge von Nebenan besetzt wurde, weil das erst einmal offensichtlich war. Aber dann dachte ich mir: Ich will auch mal etwas anderes spielen, sonst muss ich ja kein Schauspieler sein. Ich bin immer auf der Suche, Figuren zu finden, die mich fordern, die mich an meine Grenzen und darüber hinaus bringen, an denen ich auch mal zerbreche – aus solchen Rollen geht man gestärkt heraus, und das finde ich spannend.
Gibt es in Ihrer Karriere Rollen, die Ihnen unter diesem Gesichtspunkt mehr bedeuten als andere?
Viele. Und ich bin auch kein Mensch, der irgendetwas bereut, was er gemacht hat. Irgendwie hat alles immer seinen Sinn gehabt. Was mir aber besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist ein Film, den ich bestimmt drei Mal abgesagt habe, bevor ich dann doch zugesagt habe. Das war "Verfolgt" mit der großartigen Maren Kroymann. Es geht um eine sadomasochistische Beziehung zwischen einem Jungen in einer Jugendvollzugsanstalt und seiner Wärterin, die ungefähr 30 Jahre älter ist. Als ich das Drehbuch gelesen habe, dachte ich: "Das kann ich nicht spielen! Das ist viel zu extrem! Und wer will sich so etwas angucken?" Heute bin ich sehr froh, dass die Produzentin mich damals doch noch überredet hat. Die Rolle hat mich an meine Grenzen gebracht, ich bin so an mir selbst verzweifelt.
Aber im Nachhinein hat sich der Kampf gelohnt, weil nicht nur der Film toll geworden ist, sondern ich auch gestärkt aus diesem Projekt rausgegangen bin. Man muss sein Ziel einfach immer im Kopf haben – manchmal dauert es vielleicht ein bisschen länger, aber die Zeit muss man sich geben.
Zur Person
Kostja Ullmann (33) stand bereits als Kind auf der Bühne und vor der Kamera, sein Kino-Debüt gab er 2004. Man kennt ihn aus TV-Produktionen wie dem Tatort oder "Das Wunder von Berlin", aus der Verfilmung der Edelstein-Trilogie von Kerstin Gier und aus Kino-Filmen wie "Mein Blind Date mit dem Leben". Seit 2016 ist er mit Moderatorin und Schauspielerin Janin Ullmann, geborene Reinhardt, verheiratet.