Sonntagmittag in Stockach. Matthias Reim öffnet die Haustür und begrüßt herzlich den SÜDKURIER. Der 61-Jährige sieht etwas angeschlagen aus. Die Augen sind gerötet, er hustet, fasst sich an den Hals. „Das ist eben der Nachteil an dem Job. Seit vier Wochen habe ich eine Erkältung, die einfach nicht weggehen will. Ich bin ständig auf Tour, spiele vor ein paar tausend Leuten, da kannst du dir echt keine Zeit nehmen, krank zu sein oder eine Erkältung mal richtig auszukurieren.“
Dennoch, bei Matthias Reim, dem Stehaufmännchen, der um die Höhen und Tiefen seines Lebens nie ein Geheimnis gemacht hat, läuft es momentan besser denn je. Nach privater Insolvenz und gesundheitlichen Schicksalsschlägen wie einer Herzmuskelentzündung im Jahr 2015, lebt er seit bald drei Jahren mit seiner Freundin, der Sängerin Christin Stark (30), in Stockach am Bodensee.
Vor Kurzem ist sein neues Album erschienen. „MR20“ heißt es – der Titel ist für eingefleischte Reim-Fans selbsterklärend. „Mir ist einfach kein besserer Titel eingefallen“, sagt der Musiker schulterzuckend und schmunzelt. „Das Album ist so persönlich, wie es persönlicher nicht sein könnte. Daher MR20. MR sind meine Initialen – und es ist mein 20. Album.“
Wohl kaum jemand hat in den vergangenen drei Jahrzehnten das Genre Schlager und Deutschrock so stark geprägt wie Matthias Reim. Mit dem neuen Album ist er zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Wie vor 30 Jahren, beim Komponieren von „Verdammt, ich lieb‘ dich“, das „aus dem Bauch heraus“ und mit ein wenig Lebenserfahrung entstanden ist, hat sich Reim auch bei seinem neuen Album einzig von seinem Gefühl leiten lassen.

„Normalerweise schaut man, wenn man ein Album zusammenstellt, was gerade in den Hitlisten ist. Wo ist der Trend, was kommt an, was wollen die Leute hören?“, erklärt er. „Mir war das dieses Mal egal, ich wollte genau wie vor 30 Jahren über das schreiben, was ich erlebt habe, was mich geprägt hat, womit ich authentische Musik machen kann und den Leuten einen Matthias Reim zeige, so, wie er ist.“
In der Tat ist auf dem Album eine große Portion Reim spürbar – obwohl es neben den typischen ehrlichen Texten, unterlegt mit dem immerwährend tanzbaren Disco-Fox-Beat, überraschend neue Töne liefert. Ein Hauch von Retro-Sound, irgendwo zwischen Led Zeppelin und Deep Purple. Und in einem der Songs steckt musikalisch etwas von Elton Johns „Rocket Man“. Ein solch breites musikalisches Spektrum gab es bisher auf Reims Alben noch nie.
Er weiß genau, wo das Album in den Charts steht
„Dass das Album erfolgreich sein würde, das hatte ich mir erhofft, aber die Dimension, in der es sich in den Charts nach oben katapultiert, übertrifft jegliche Erwartung“, sagt Reim kopfschüttelnd und kramt sein Smartphone hervor. Entschuldigend sagt er: „Das ist echt furchtbar und ich hasse es, aber dank der schnelllebigen Technik bin ich zu jedem Zeitpunkt informiert, wo mein Album gerade steht. Es ist echt eine Sucht, ich schaue mehrfach täglich nach.“
Aktuell ist das Album auf Platz drei der Charts, hinter den Toten Hosen und der Kelly Family. Innerhalb von nur vier Tagen wurden die Songs allein auf Spotify 1,2 Millionen Mal gestreamt. „Eine Erfolgssucht“, so nennt Reim die ständige Kontrolle und empfindet sie als anstrengend. Überhaupt scheint sein Leben sehr anstrengend zu sein. Er jettet von einem Konzert zum nächsten, hat manchmal zwei Auftritte an einem Abend an unterschiedlichen Orten.

Sein Erfolg habe sich in den vergangenen Jahren verändert, erzählt der Sänger. Während er noch vor einigen Jahren hauptsächlich in Ostdeutschland der gefeierte Star war, seien seine Konzerte mittlerweile in ganz Deutschland und vor allem in Baden-Württemberg gut besucht.
Die Konzerte bedürfen einer perfekten Planung, es geht schon lange nicht mehr ausschließlich um seine Musik, sondern um das Gesamtpaket. Seine Lebensgefährtin ist bei den Konzerten dabei, sie singt im Background-Chor und präsentiert ein gemeinsames Duett mit Reim.
Als Künstler muss man immer abliefern
Auf die Frage, wie es ihm vier Jahre nach seiner Herzmuskelentzündung gesundheitlich geht, antwortet Reim: „Gut. Ich lasse mich regelmäßig durchchecken, habe einen tollen Kardiologen in Singen. Der sagte, es sei ein Wunder, dass ich nach der Erkrankung wieder ein solches Pensum bewältigen würde. Das ist aber das Risiko aller Künstler. Du hast Termine, die Fans warten, du hast Verträge, da musst du abliefern.“
So oft es geht, ist Reim in seinem Haus in Stockach. Der Bodensee sei sein Zuhause, sein Ruhepol, sagt er. In den Herbstferien waren seine Kinder bei ihm – dann ist er einfach nur Papa, ohne Anspruch, ohne Termine, dann kann er runterfahren. Dieses Mal war auch sein ältester Sohn Julian mit dabei, der in Köln lebt.
Mittlerweile sind Vater und Sohn Künstlerkollegen. „Ich bin unendlich stolz auf Julian. Er ist wirklich gut, schreibt schon lange Songs, ist jetzt mit seinem ersten Song als Sänger bei vielen Shows zu Gast.“ Auf eine Sache legt Matthias Reim besonderen Wert: „Ich möchte, dass Julian alleine seinen Weg geht, will niemals, dass er als ,der Sohn von‘ seine Karriere startet, denn das hat er gar nicht nötig. Irgendwann mal vielleicht, wenn er sich als Sänger etabliert hat, dann würde ich gerne ein Duett mit ihm machen.“
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