Stockach - Die Städte Pfullendorf und Überlingen haben das Projekt "Stolpersteine" bereits realisiert. Konstanz ist gerade dabei und hat die ersten drei Steine gesetzt. Seit 1997 erinnert der Künstler Gunter Demning mit dieser Gedenk-Aktion an die Schicksale von Menschen, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. Kleine Steinquader, die mit einer Messingplatte abschließen, werden in den Bürgersteig eingelassen und weisen auf die Menschen hin, die in dem Haus hinter dem Stein gelebt haben. Die Messingplatte ist mit einem Schriftzug versehen: hier wohnte oder hier lebte, dem Namen, dem Geburtsjahr und dem Datum der Deportation oder des Todes. Bislang hat Gunter Demnig in 180 Städten und Gemeinden Deutschlands rund 8500 Stolpersteine gesetzt. Darüber hinaus ist das Projekt auch in Österreich, Italien und Holland verwirklicht worden.
In Stockach lebten zu Beginn des Nationalsozialismus vier jüdische Familien. Laut Stockacher Stadtverwaltung befanden sich die Wohnhäuser dieser Familien in der Tuttlingerstraße und in der Hauptstraße. Nach 1933 wurden sie gezwungen, Stockach zu verlassen und ihren Besitz aufzugeben.
Zwei Gedenksteine sollen vor das Haus in die Hauptstraße 8 eingelassen werden. Hier hatten Hermann Weil und seine Frau gewohnt. Sie führten ein großes Textilfachgeschäft. Hermann Weil war Stifter des Ehrenmals für das Infanterieregiment 111 im Stadtgarten. Er gehörte dem Narrengericht an, war Mitglied des Bürgerausschusses und des Gemeinderates. 1938 mussten er und seine Frau Stockach verlassen. Hermann Weil wurde nach Dachau verschleppt, seine Frau konnte die Freilassung erreichen. Anschließend flüchteten sie über die Schweiz nach Portugal und von dort in die USA. 1962 kam Hermann Weil noch mal zu einem kurzen Besuch nach Stockach zurück.
Alfred Rothschild und seine Frau lebten in der Tuttlingerstraße 8. Auch sie sollen zwei Stolpersteine erhalten. Rothschild bekleidete ab 1927 das Amt des Notars und wohnte im Gebäude des Amtsgerichts. 1933 durfte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Kurz vor der Deportation nach Gurs konnte die Familie in die USA flüchten.
Vier Gedenksteine sollen für Ida, Johanna, Erich und Liselotte Erlanger in die Hauptstraße 13 eingelassen werden. Ida war die Ehefrau des 1926 verstorbenen Arztes Isidor Erlanger, die Kinder waren christlich getauft. Ida Erlanger erlitt kurz vor ihrer Verschleppung nach Gurs 1940 einen tödlichen Herzinfarkt. Ihre Tochter Liselotte wurde 1940 im Lager Grafeneck ermordet. Ihre Tochter Johanna Erlanger konnte mit ihrem Mann nach Chile flüchten. Ihr Sohn Erich musste seine Arztpraxis schließen und wurde nach Dachau verschleppt. Nach seiner kurzfristigen Freilassung gelang ihm uns seiner Frau die Flucht in die USA.
Auch an den Apotheker Heinz Cohn und seine Frau sollen zwei Gedenksteine erinnern. Sie wohnten in der Hauptstraße 20. Heinz Cohn galt in Stockach als großer Wohltäter, er war Mitglied des Narrengerichts sowie Vorstand des Musikvereins. Bereits 1934 wurde er von der Stadtverwaltung mit einem Berufsverbot belegt und ein Jahr später zur Aufgabe seines Geschäfts gezwungen. Das Ehepaar wanderte 1936 in die USA aus, sehnte sich aber immer nach seiner Heimat. Heinz Cohn habe sich geweigert Englisch zu lernen, teilte die Stadtverwaltung mit. 1958 kehrten beide nach Stockach zurück. Heinz Cohn starb noch im gleichen Jahr. Er und seine Frau sind auf Loreto begraben.