
Die Erzählungen von Markus Meyer (Name von der Redaktion geändert) erinnern an Nachrichten aus Brennpunktschulen in Großstädten. Der Schüler, der die Mittelstufe am Ellenrieder-Gymnasium besucht, fühlte sich über viele Monate hinweg von Mitschülern aus seiner Klasse verfolgt und gepeinigt. „Sie haben mir aufgelauert, mich getreten, geschlagen – mit Händen und mit Fäusten“, erzählt der Junge. Mindestens vier Mal habe ein Junge der Clique die Szenen mit dem Handy gefilmt. Lange hielt das Opfer still.
Doch als seine Peiniger ihn Anfang des vergangenen Jahres über einen Hinterhalt in ein Klassenzimmer lockten, seinen Kopf gegen eine Tischplatte stießen, ihn anschließend wider eine Wand drückten und ihn dabei so verletzten, dass eine Beule unübersehbar war, vertraute sich Markus Meyer zunächst einer Lehrerin, dann seinen Eltern an. Noch am gleichen Abend erstatteten diese Anzeige. Das Handy, auf dem die Gewaltszenen gespeichert waren, wurde von der Polizei beschlagnahmt.
„Die Szenen sind dokumentiert, die schlagenden Mitschüler sind identifiziert und wurden vor dem Jugendgericht zu Sozialarbeit verurteilt“, betont der Vater des Opfers. Bis auf einen Schüler besuchen alle weiterhin das gleiche Gymnasium. Der Schulwechsel eines Jungen habe schon festgestanden, bevor die Gewalttaten ans Licht kamen. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Schule so weich reagiert hat“, klagt Vater Helmut Meyer. Der Familie des Opfers wäre es lieber, wenn der Haupttäter von der Schule verwiesen würde.
„Ich habe nach reiflicher Überlegung so entschieden“, rechtfertigt sich Direktor Peter Beckmann. Er räumt ein, dass er mit einem solchen Fall noch nie konfrontiert gewesen sei, deshalb habe er auch juristische Unterstützung vom Regierungspräsidium Freiburg eingeholt sowie eng mit der Polizei zusammen gearbeitet. „Was würde ein Schulausschluss bringen? Dann wäre der Bub woanders“, sagt der Direktor. Er ziehe es vor, die Clique an der Schule genau im Blick zu behalten. Die Schüler hätten sich in Aufsätzen mit der Problematik Handys und Gewalt auseinander setzen müssen, der Haupttäter habe nach einer Klassenkonferenz einen befristeten Schulausschluss auferlegt bekommen.
Inzwischen absolviere er ein Anti-Aggressions-Training. „Wir wussten, dass der Junge vor Gericht eine Strafe erhält“, sagt Beckmann, deshalb habe man die Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen des Schulgesetzes nicht ausreizen wollen. Zudem wäre ein Wechsel auf ein anderes Konstanzer Gymnasium wegen der unterschiedlichen Profile für den Jungen schwer gewesen. Polizist Jürgen Harder, Leiter der Gewaltprävention, zieht Beckmanns Entscheidung nicht in Zweifel: „In jedem Einzelfall muss gesondert entschieden werden.“
Der Junge und seine Eltern haben jedoch den Eindruck, dass Beckmann nur die Täter im Blick hat. Markus Meyer fühlt sich von der Schule alleine gelassen. Vielen Mitschülern sei nicht klar, weshalb die Familie es zum Prozess kommen ließ und machten ihm Vorwürfe. „Wir haben vergeblich auf eine Entschuldigung gewartet. Auch von den Eltern hätten wir uns ein Einsehen gewünscht“, erläutert Helmut Meyer. Ein Schulwechsel kommt für das Opfer, das inzwischen eine Parallelklasse besucht, selbst nicht in Frage.
Er sagt: „Ich habe an dieser Schule meine Freunde.“ Auf dem Schulhof gehen sich die Jugendlichen aus dem Weg, doch fühlt sich Markus weiter unter Beobachtung. „Ich hatte viele schlaflose Nächte“, erzählt der Junge. Inzwischen gehe es ihm zwar besser, doch er glaubt, dass es ihm besser ginge, wenn er den Haupttäter nicht in der Schule sehen müsste.


