
Die Umformung der Klinikenlandschaft und des Donaueschinger Krankenhauses war eine jüngste Folge daraus. Als nutzbringend wird sie oft bilanziert, die Versorgungsstruktur als sicher. Aber wie kommt all die Veränderung bei der Bevölkerung an? Das beklemmende Erlebnis einer jungen Hüfingerin zeigt, dass offiziell gemessene und privat gefühlte Sicherheit auseinander gehen können.
Tatjana Zuchowski (21) ließ sich die Mandeln herausnehmen. Ein Allerweltseingriff, der nach Arztempfehlung in Stuttgart stattfand. Die Operation verlief glatt, Tage später war sie zu Hause, noch eine Woche lang schonte sie sich. Montags sollte die Speditionskauffrau-Auszubildende wieder zur Arbeit. Aber dann kam der Samstag.
Spät abend besuchte Tatjana mit einer Freundin ein Restaurant, gemütlich die Genesung feiern, erster Ausgang seit der Operation. Plötzlich schmeckte sie Blut im Hals. Nachblutungen hatten eingesetzt, zunächst nur leicht. Das Rote Kreuz kam, versuchte einen Dienst habenden HNO-Notfallarzt aufzutreiben. Offenbar keine leichte Aufgabe in dieser Samstagnacht. In Donaueschingen und VS, sogar Tuttlingen und Trossingen habe es Anrufversuche gegeben, bekam Tatjana mit. Keiner war zuständig. Schließlich setzte sich ein DRK-Fahrzeug Richtung Stuttgart in Bewegung: zurück ins Operationskrankenhaus, wo 24-Stunden-Vollversorgung auch am Wochenende herrscht.
Der Transport kam aber nicht weit. Auf der Autobahn wurden die Blutungen heftig. Tatjana spürte das DRK-Personal nervös werden, hörte den Satz "die schafft es nicht". Eine Rachenblutung zu stoppen, ist eine heikle Angelegenheit. Rasch zurück in eine der Kreiskliniken? Wieder der Griff zum Telefon, die Schwenninger Klinik-Notaufnahme lehnte die Einlieferung der Patientin ab, empfahl die Weiterfahrt nach Stuttgart. "Eine richtige Entscheidung", so urteilte später Kreiskliniken-Sprecher Peter Grabherr nach seiner Rekonstruktion des
Wo war der Notarzt?
Hergangs auf SÜDKURIER-Anfrage. "Der diensthabende Arzt in Schwenningen war kein HNO-Fachmann und hätte nicht operieren können." In Donaueschingens Klinik gab es auch keinen HNO-Diensthabenden. Pro Klinik hat je ein Notarzt Wochenenddienst, das kann ein Chirurg sein, ein Frauenarzt, ein Internist.
Aber warum war der HNO-Bereitschaftsarzt nicht zur Stelle, der nach Dienstplan der niedergelassenen Ärzte im Landkreis erreichbar hätte sein müssen? Grabherr konnte es nicht letztgültig recherchieren, "wir werden das bei der Kassenärztlichen Vereinigung ansprechen."
Blut quoll aus Tatjanas Mund und Nase. Dem DRK-Team war nicht wohl bei dem Rat zur Weiterfahrt. Es drehte einfach um und fuhr die Schwenninger Klinik an. Der diensthabende Klinikarzt, der Chirurg, kümmerte sich vorläufig um die Blutung, andere versuchten fachliche Kompetenz herbeizuschaffen.
Die fand sich durch einen glücklichen Umstand in Donaueschingen: der dortige Klinik-HNO kehrte gerade aus dem Urlaub heim. Er kam sofort und operierte. Gegen fünf Uhr am Morgen erhielten Tatjanas Eltern die ersehnte Information: alles in Ordnung. Nach einer Woche Rekonvaleszenz war sie wieder auf dem Damm.
Widersprüchlich blieben in der Rekonstruktion einige Details. Offen blieben für Tatjana und ihre Eltern vor allem Fragen: Was, wenn die Rotkreuz-Team dem Klinik-Rat gefolgt und weitergefahren wäre? Was, wenn der urlaubende Donaueschinger HNO erst später heimgekehrt wäre? Und wie gewiss können sich die Baaremer auf das Zusammenspiel von Klinik-Notdienst und fachärztlichem Notdienst verlassen? Sicher zu wissen glaubt Tatjanas Vater nur eines: "Einen Notfall haben? Am Samstagabend lieber nicht."


