Erneut fahren die baden-württembergischen Schüler in Vergleichsarbeiten schlechte Noten ein. 43 Prozent der Achtklässler an den Haupt- und Werkrealschulen haben den bundesweit gültigen Mindeststandard nicht erreicht. In Mathematik blieben sogar 45 Prozent unter dieser Leistungsschwelle. „Schlichtweg katastrophal“ nennt Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold die von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) vorgelegten Zahlen.
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Alle Bundesländer lassen die Schüler der dritten und achten Klassen Vergleichsarbeiten schreiben (Vera 3 und Vera 8). Abweichend von der Praxis ihrer Kollegen veröffentlicht Eisenmann eine landesweite Zusammenfassung. Die größten Probleme zeigen sich bei den Achtklässlern in den Haupt- und Werkrealschulen: Bei Deutsch haben sich in dieser Schulart die Lücken deutlich vergrößert. 2017 verpassten nur 24 Prozent den Mindeststandard. In Mathe gibt es dagegen leichte Verbesserungen. Durch die Aufgabenstellung könnten Schwankungen zwischen den Jahren nicht eindeutig interpretiert werden, betont eine Sprecherin.
Leistungsschwächere Schüler auch an Gemeinschaftsschulen
Auch die Gemeinschaftsschulen haben eine große Gruppe leistungsschwächerer Schüler. Von 2016 bis 2018 ist der Anteil der Schüler von 13 auf 22 Prozent gestiegen, die in Lesen den Mindeststandard nicht erreicht haben. In Mathematik zeigt sich eine leichte Verbesserung von 28 auf 26 Prozent.
Als „eine Tüte heißer Luft“ kritisiert die Elternsprecherin der Gemeinschaftsschulen, Ulrike Felger, die Ergebnisse. Sie wirft Eisenmann „populistische Propaganda“ vor. Die Gemeinschaftsschulen, deren Schülerschaft ein echtes Abbild der Gesellschaft ist, könnten gerade leistungsstarke Kinder weit über das gymnasiale Mittelmaß hinaus entwickeln. Die Grünen-Abgeordnete Sandra Boser sieht die Gemeinschaftsschulen im oberen Leistungsbereich auf dem Niveau der Realschulen.
Allerdings gelten für die Realschulen schärfere Regeln. Legt man diese Vorgaben an, bleiben in dieser Schulart ebenfalls 25 Prozent beim Lesen unter dem Mindeststandard. In Mathematik sind es in diesem Jahr sogar 40 Prozent. „Die Befunde zeigen erneut einen hohen Förderbedarf für leistungsschwächere Schüler in den Fächern Mathematik und Deutsch“, räumt Eisenmann ein. Es gebe einen „akuten Handlungsbedarf bei der Qualitätsverbesserung von Unterricht und Schule“. Zugleich bittet die CDU-Politikerin um Geduld: „Um künftig wieder zu besseren Schülerleistungen zu kommen, brauchen alle Beteiligten einen langen Atem. Das funktioniert nicht auf Knopfdruck.“
Modellversuch zur gezielten Förderung kommt wohl
Im kommenden Schuljahr will Eisenmann einen Modellversuch zur gezielten Förderung der Schüler in Lesen und Mathematik starten. Ab der fünften Klasse sollen in Haupt-/Werkrealschulen,und Gemeinschaftsschulen die Programme „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“ aufgelegt werden. Jeweils 24 Schulen können teilnehmen. Die Ausschreibung laufe gerade. Baden-Württemberg greife einen „vielversprechenden Ansatz“ aus Schleswig-Holstein auf.
Allerdings muss nach Eisenmanns Ansicht schon der Unterricht in den Grundschulen besser werden. Dort würden die Grundlagen für die weiterführenden Schulen gelegt. Die Grundschulen bekommen deshalb ab dem Schuljahr 2018/19 schrittweise vier zusätzliche Poolstunden, die sie „vor allem für die individuelle Förderung in Deutsch und Mathematik einsetzen sollen“. Im Gegenzug wird der Fremdsprachenunterricht künftig erst in der dritten Klasse beginnen.
In Hessen und Rheinland-Pfalz werden Vera-Ergebnisse nicht veröffentlicht. Die Arbeiten sollen den Schulen ihren Stand im landesweiten Durchschnitt vermitteln, erklärte ein Sprecher des hessischen Bildungsministeriums. In Rheinland-Pfalz werden in den nächsten Wochen die Schulen über die Vergleichsarbeiten informiert.
Was sind die Vera-Tests?
Bei Vera 8 (VERgleichsArbeiten) nehmen alle Bundesländer mit den achten Klassen der weiterführenden Schulen teil. In Baden-Württemberg ist das seit zwei Jahren Pflicht. Die Aufgaben werden von einer wechselnden Lehrergruppe aus mehreren Bundesländern erstellt. Jede Schule kann den Leistungsstand ihrer Achtklässler mit dem landesweiten Standard vergleichen. Kultusministerin Susanne Eisenmann will das System so weiterentwickeln, dass es künftig Aussagen zum Lernstand jedes einzelnen Schüler erlaubt. (pre)