Krankes Personal, zu wenige Medikamente, kaum freie Intensivbetten: Das deutsche Gesundheitswesen muss zurzeit an vielen Stellen kämpfen. Wie dramatisch sich das auswirkt, zeigen jüngste Entwicklungen in der Region. Die Akutkliniken des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz, kurz GLKN, haben zum Wochenbeginn den Notbetrieb vermeldet. Die Ärzte und Pflegekräfte, heißt es in einer Mitteilung, arbeiten bereits weit über die Belastungsgrenzen hinaus. Ein Einzelfall ist das nicht, auch in anderen Teilen Südbadens ist die Lage mindestens problematisch.
Vor einer solchen Überlastung warnen Experten schon seit Jahren. Nachdem lange Zeit vor allem Corona die Kliniken strapazierte, treffen jetzt gleich zwei Erkrankungswellen aufeinander: einerseits die hohen Infektionszahlen mit dem RS-Virus, das besonders Säuglinge und Kleinkinder trifft, andererseits rollt die Grippesaison über das Land.
Zusammen treiben sie die Zahl der Patienten nach oben, zeichnen sich aber auch in Personalengpässen auf der Behandlungsseite ab, bei den Ärzten, bei den Pflegern und anderen Krankenhausangestellten. Was das GLKN angeht, sind es inzwischen 30 bis 40 Prozent mehr Ausfälle als üblich. „Deswegen müssen mit sofortiger Wirkung planbare, also elektive, Behandlungen in großem Umfang verschoben werden, wo dies medizinisch verantwortbar ist“, heißt es in dem Schreiben.
Im Schwarzwald-Baar-Kreis an der Belastungsgrenze
Von einer „angespannten Lage“ berichtet auch das Schwarzwald-Baar Klinikum weiter nördlich in der Region. Massiv sei hier der Zulauf von Notfallpatienten, wie eine Sprecherin schildert. Bei 50 Prozent mehr erkrankten Mitarbeitern in dieser Jahreszeit stehen dem Klinikum weniger Betten zur Verfügung. „Die Mitarbeiter, die da sind, springen für die Kolleginnen und Kollegen ein“, bekräftigt Geschäftsführer Matthias Geiser.
Inzwischen sei man an der Belastungsgrenze angelangt. „Darüber hinaus sind wir im Schwarzwald-Baar Klinikum teilweise dazu gezwungen, Patienten aus anderen Regionen aufzunehmen, weil sie von den dortigen Krankenhäusern nicht versorgt, sondern abgewiesen werden.“ Die Folge: Geplante Eingriffe werden, wo es möglich ist, verschoben.
Zu diesem Schritt sieht sich zum Teil auch das Universitätsklinik Freiburg gezwungen, selbst wenn die Situation hier nicht derart gravierend scheint wie etwa am Bodensee. „Auch bei uns sind – so wie überall – viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank“, sagt Benjamin Waschow als Sprecher. Die Krankenversorgung laufe im Großen und Ganzen im Normalbetrieb.
Einzige Ausnahme ist den Angaben nach die Universitäts-Kinderklinik, wo Behandlungen und Untersuchungen, wenn medizinisch vertretbar, verschoben würden, um freie Betten und Personalkapazitäten zu schaffen. Die Ambulanzen sind hier außerdem reduziert. Die gute Nachricht immerhin: „Alle Kinder und Jugendliche, die eine Behandlung in der Universitäts-Kinderklinik brauchen, erhalten diese auch.“
Es fehlt auch an Medikamenten in der Region
Personalausfälle und hohe Patientenzahlen sind aber nicht die einzigen Faktoren, die die Kliniken Südbadens bei ihrer Versorgung hemmen. Der Fachkräftemangel etwa zehrt an den Routinen der Stationen und Notaufnahmen. Hinzu komme, erklärt Silke Maier von den Kliniken des Landkreises Lörrach, dass viele Menschen keinen Hausarzt mehr hätten und die Wartezeiten für Facharzttermine oft so lang seien, dass Menschen lieber die Notaufnahme aufsuchten.
Von den Konsequenzen der Pandemie und der Versorgung von Isolierpatienten ganz zu schweigen. „Stark belastet sind unsere Kliniken auch unter finanziellen Gesichtspunkten“, sagt die Sprecherin. Die Patientenzahlen seien insbesondere in der Hochphase des Coronavirus stark eingebrochen.
Ein weiterer Punkt: Arzeimittel. Hieran mangelt es in Südbaden wie überall in Deutschland extrem. Silke Maier sagt: „Wir arbeiten derzeit mit Anfragen an verschiedene Lieferanten und im Fall mit alternativen Medikamenten.“ Außerdem könne das pharmazeutisches Personal vor Ort einige Arzneimittel selbst herstellen, um Lieferausfälle zu überbrücken, dazu gehören Fiebersäfte oder Zäpfchen für die Kinderklinik.

Zumindest in diesem Kampf plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deutliche Änderungen. Mit Preisregeln bei Kinderarzneimitteln soll kurzfristig gegengesteuert werden, um bald einen sehr viel größeren Markt als heute zu erschließen, wie es Eckpunkte für ein Gesetz vorsehen. Lauterbach erläuterte: „Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel.“ Engpässe gab es zuletzt allerdings auch bei Präparaten für Erwachsene, bei Antibiotika zum Beispiel und Krebsmedikamenten.
Grippewelle und RS-Virus grassieren indes weiter. Demgegenüber stehen ausgedünnte Personallagen über die Weihnachtsfeiertage. Besserung ist bis auf Weiteres nicht in Sicht. Weder für die Krankenhäuser noch für niedergelassene Praxen.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, geht davon aus, „dass diese akute Krise in der Kindermedizin noch bis Februar andauert“. Die Zahl der Infektionsfälle werde nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen voraussichtlich in den kommenden Wochen weiter steigen.