Sie versprechen gute Laune, Euphorie und Glücksgefühle. Wer sie aber einnimmt, muss mit Horrortrips rechnen: mit Angstzuständen, Wahnvorstellungen, Übelkeit, Kreislaufversagen bis hin zum Tod. Research Chemicals – Forschungs-Chemikalien – sind am Drogenmarkt auf dem Vormarsch. Und die Wirkung dieser beigen und weißen Pulver ist brandgefährlich, weil sie kaum zu berechnen ist. 2011 registrierte die Polizei den ersten Toten, der diese neue Psychoaktive Droge in Verbindung mit Alkohol konsumiert hatte.

Er war aus einem Parkhaus in den Tod gesprungen. Jetzt alarmieren drei Todesfälle am Bodensee die Ermittler. Wo genau die Erwachsenen seit Jahresbeginn starben, will das Landeskriminalamt (LKA) aus taktischen Gründen bislang nicht sagen. Die genauen Umstände hätten zu regionalen Ermittlungen geführt, heißt es in Stuttgart.

Das Tückische an den neuen Stoffen: „Wirkung und Nebenwirkungen sind nicht voraussehbar“ sagt Thomas Neugebauer vom Landeskriminalamt Stuttgart. Der Rauschgiftfahnder gehört zu dem kleinen Kreis von Spezialisten im Land, die den Drogen-Trends weltweit nachspüren. Für Konsumenten sind die sogenannten Designer-Drogen Teufelszeug. Wer das Gift konsumiert, werde zwangsläufig zum Versuchskaninchen mit ungewissem Ausgang, sagt der Beamte.

Das Gefährliche an den Substanzen sei deren Unberechenbarkeit. Im Internet werden sie zuhauf angeboten, meist in bunten Verpackungen als Pulver, in Tabletten- oder Kapselform, auch deklariert als Badesalze und Blumendünger.
Es wird geschnupft oder geschluckt und die Gewinnspanne ist immens. Die Herstellungskosten in den Laboren fernab in Indien und China liegen im Cent-Bereich. In Europa zahlt man für 3 bis 5 Gramm zwischen 25 und 50 Euro. „Das Problem ist, selten steht auf der Verpackung, was genau auch drin ist,“ sagt Neugebauer. „Der Konsument spielt Russisch Roulette, ob er die Dosis überschreitet oder nicht.“

Das Risiko ist umfassend: Weder lasse sich genau sagen, in welcher Dosierung das Pulver die Labore verlässt noch sei abzuschätzen, wie der Körper im Einzelnen darauf reagiert. Das hängt aber von mehreren Faktoren ab – etwa von der körperlichen Verfassung, der Größe und dem Zustand der Psyche. „Die Konsumenten informieren sich nach polizeilichen Erkenntnissen in einschlägigen Foren im Internet und gehen beim Konsum ein großes gesundheitliches Risiko ein“, heißt es in einem Jahresbericht des LKA.

Research Chemicals sind Drogen, die verharmlosend als Legal Highs und somit als Alternative zu illegalen Drogen bezeichnet werden. Das sind Substanzen, bei denen es sich um synthetische Derivate bereits bekannter Betäubungsmittel wie Cannabis oder Amphetamin handelt. Dazu zählen auch Kräutermischungen wie „Spice“, die erstmals im Jahr 2007 aufgetaucht waren: mit einem synthetischen Cannabinoid, das als Wirkstoff auf Kräuter oder Tabak aufgebracht und bis zu dessen Verbot auch in Shops verkauft wurde. Die Zusammensetzung der Grundsubstanzen wechselt.
Jährlich kommen neue Kombinationen auf den Markt, und es dauert jedes Mal eine Zeitlang, bis die neuen Wirkstoffe herausgefunden und deren Handel und Besitz verboten werden. „In Deutschland konnten bislang weit über 1000 verschiedene neue psychoaktive Substanzen mit über 70 unterschiedlichen Wirkstoffen identifiziert werden,“ heißt es in dem LKA-Bericht für das Jahr 2015. Ein Ende des Trends sei nicht absehbar.

Für die Wissenschaft ist die neue Droge vorerst Neuland, Langzeitfolgen sind kaum erforscht. Als sicher gilt aber, dass sie abhängig macht. Und Neugebauer kennt Schilderungen Betroffener, die darauf schließen lassen, dass „ein Entzug schlimmer ist als bei Heroin“. Die Zahl der Konsumenten von Legal High nimmt offenbar massiv zu. Im Jahr 2011 registrierte die Giftnotrufzentrale in Freiburg 117 Fälle. Und das dürfte nur die Spitze des Eisberges sein. Denn die Psychodroge wird über das Internet verkauft, und hier auch vorwiegend im Darknet, wo alle möglichen Drogen auf den Markt kommen. „Die Ermittlungen laufen international, weil viele Server im Ausland stehen,“ sagt Neugebauer. Und dafür sind Rechtshilfeersuchen unerlässlich.

Als Konsumenten sind bislang Jugendliche und Erwachsene aufgefallen, weil sie einen Draht zum Internet haben. Kinder hingegen gelten als weniger gefährdet, sie tauchen dagegen zunehmend im Zusammenhang mit Cannabiskonsum auf. Der Weg zu Research Chemicals laufe meist über eine Mund-zu-Mund-Propaganda, weiß Neugebauer.
„Einige wollen aus Neugier wissen wie das ist, andere wollen experimentieren.“ Ein Experiment mit hohem Risiko sei es aber. Allein für das vergangene Jahr soll es weit über 20 Tote durch den Konsum von Designer-Drogen gegeben haben.

 

Kinder und Drogen

Bei Heranwachsenden, für die Drogenkonsum auch keine Episode bleibt, kann sich dieser leicht in eine Sucht verwandeln. Die polizeiliche Prävention rät Eltern und Erziehern, sich zunächst mit der Frage zu beschäftigen, warum Drogen auf ihre Schützlinge einen so großen Reiz ausüben und warum sie dafür anfällig sind. Drogengefährdung und die Abhängigkeit seien niemals nur auf eine Ursache zurückzuführen, sie entwickeln sich nicht von heute auf morgen. Den Ausschlag gibt vielmehr ein ganzes Geflecht von Gründen. Dazu gehören die Persönlichkeit des Betroffenen, sein soziales Umfeld und die Droge selbst.
 

Das rät die Polizei


Wie kommt es zum Einstieg in den Drogenkonsum? Neugier, Risikobereitschaft und Abenteuerlust sind typisch für das Jugendalter. Die Bindung zu den Eltern nimmt ab, die Bedeutung von Gleichaltrigengruppen und Cliquen für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit wächst.
Unsicherheiten und Ängste im sexuellen Reifeprozess können zur starken Belastung werden, ebenso wie Leistungsanforderungen im schulischen Bereich, wo ein Versagen die Zukunftsperspektiven als negativ erscheinen lässt.

Was kann den Einstieg fördern? Sorgt das Verhalten eines jungen Menschen in der Familie häufig für Streit und Stress, spürt ein Kind wenig emotionale Bindung von seinen Eltern oder stößt das Leben der Erwachsenen den jungen Menschen gar ab, braucht er die soziale Kompetenz für den Umgang mit Konflikten und ausreichende Frustrationstoleranz, um auch Enttäuschungen verarbeiten zu können. Wichtig sind dann Fähigkeiten, Risiken wahrnehmen und einschätzen zu können und sich eigener Stärken, aber auch Schwächen bewusst zu sein. Man spricht hier von Resilienz, von psychischer Widerstandsfähigkeit, um die Persönlichkeit trotz bestehenden Risiken positiv zu entwickeln. Ein junger Mensch, der sich unverstanden und mit seinem Leben unzufrieden fühlt, entwickelt Unlustgefühle und in deren Folge möglicherweise die Motivation, diese Unlustgefühle durch den Konsum einer Droge zu beseitigen und zu vermeiden, deren Wirkung ihm angenehme, positiv empfundene Rauscherlebnisse verschafft.
Jeder positiv erlebte Rausch wirkt bei einer solchen Anfälligkeit als Verstärker für eine Wiederholung des Drogenkonsums.

Welche Gefahren birgt Drogenkonsum? Ob der Konsum von Drogen einen jungen Menschen in seinen körperlichen, psychischen und sozialen Befindlichkeiten und Fähigkeiten beeinträchtigt, stört oder schädigt, hängt maßgeblich ab von der Art und Wirkungsweise der Droge und von der Dosishöhe und Häufigkeit des Konsums.
 

Einige Drogen, die die Gesundheit beeinträchtigen können


Cannabis: Wird Cannabis geraucht, setzt bei einer Dosis von drei bis zehn Milligramm THC schnell eine Rauschwirkung ein, die innerhalb 30 bis 60 Minuten ihr Maximum erreicht und nach zwei bis drei Stunden weitgehend abgeklungen ist. Über Essen und Getränke wird THC langsamer aufgenommen, die Wirkung setzt verzögert ein und kann länger anhalten. Je häufiger Cannabis konsumiert wird, je intensiver dabei die Wirkstoffaufnahme an THC ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von schädigenden gesundheitlichen und sozialen Folgen des Konsums. Ein fest in den Alltag integrierter Gewohnheitskonsum mit täglicher oder sogar mehrmals täglicher Aufnahme hoher THCDosen über das Rauchen in einer Wasserpfeife ist ein hoch riskantes Konsummuster im Hinblick auf eine schnelle Abhängigkeit von der Droge.
Neben der Konsumform und dem Konsummuster beeinflussen aber auch die Persönlichkeit des Konsumenten und die Konsumsituation das Spektrum möglicher Wirkungen auf Denken, Fühlen, Wahrnehmung und Gedächtnis.

Amphetamine, Ecstasy, Liquid Ecstasy/Synthetische Drogen: Zu den synthetischen Drogen werden psychoaktive Rauschsubstanzen gerechnet, die aus chemischen Ausgangsstoffen nach bestimmten Syntheseverfahren in Laboren hergestellt werden. Neben Substanzen für die Anwendung in Medikamenten finden sich hier auch die sogenannten Designerdrogen. Diese Rauschmittel, deren chemische Struktur experimentell gestaltet wird, sind hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Dosierung, Wirkung und Verträglichkeit für den Menschen gänzlich unerprobt, wissenschaftlich nicht erforscht und in ihren Risiken beim Konsum völlig unkalkulierbar. Mit dem chemischen Design dieser Drogen wird gezielt das Betäubungsmittelrecht unterlaufen, um einen straflosen Umgang zu ermöglichen. Die Zeit, bis ein Suchtpotenzial der Stoffe erkannt und die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom Gesetzgeber veranlasst wird, können die Drogenproduzenten für ihre Geschäfte nutzen. Amphetamin und zahlreiche chemische Abkömmlinge dieses Stoffes, wie zum Beispiel Ecstasy, unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz und sind verbotene Rauschgifte.
Dies gilt auch für immer mehr Substanzen sogenannter „Legal Highs“ und Kräutermischungen.

Kokain: Kokain („Schnee“, „Coke“, „Koks“) ist ein weißes, kristallines Pulver, das durch chemische Verfahren aus den Blättern des südamerikanischen Kokastrauches gewonnen wird. Kokainhydrochlorid kann geschnupft, in die Schleimhäute eingerieben oder in Flüssigkeit gelöst mit Spritzen injiziert werden. Im Kokainrausch können Halluzinationen und paranoide Angstzustände auftreten. Am Ende steht ein Depressives Stadium mit Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Erschöpfung bis hin zu Suizidgedanken. Bei Rauchen von Crack oder dem Konsum von hohen Dosen besteht die Gefahr einer schnell eintretenden psychischen Abhängigkeit mit einem starken Verlangen nach dem Stoff. Dauerhafter Konsum führt zu Schlaf- und Appetitlosigkeit und zu Störungen des Nervensystems, die eine Persönlichkeitsveränderung des Abhängigen auslösen können. (Quelle: Polizei)