Der bei einem Großeinsatz der Polizei in Ellwangen gefasste Asylsuchende aus Togo wehrt sich mit rechtlichen Mitteln gegen seine Abschiebung nach Italien. Der 23-Jährige war am Donnerstag mit großem Polizeiaufgebot gefasst worden und sitzt seither im zentralen Abschiebegefängnis des Landes Baden-Württemberg in Pforzheim.
Dort wartet er auf seine Rückführung nach Italien, wo er erstmalig in der EU ankam, teilte das Innenministerium am Freitag in Stuttgart mit. Nach dem sogenannten Dublin-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisierte die geplante Rückführung, weil in Italien eine menschenwürdige Unterbringung oft nicht gesichert sei.
Über Klage noch nicht entschieden
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte bereits im November einen Antrag gegen die Rückführung des Togoers nach Italien zurückgewiesen. Der Eilantrag des Mannes gegen die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sei abgelehnt worden, erklärte eine Gerichtssprecherin. Der Anwalt des 23-Jährigen hatte gegen den Amtsbescheid zwei Verfahren angestrengt - eine Klage, über die nach Gerichtsangaben noch nicht entschieden ist, und den Eilantrag.
Die Entscheidung über den Eilantrag sei rausgeschickt worden, sagte die Gerichtssprecherin. Anwalt Engin Sanli sagte der Deutschen Presse-Agentur hingegen, er habe den Brief nicht bekommen. Er fügte hinzu, dass die Verhaftung des Mannes am Donnerstag und seine geplante Abschiebung rechtswidrig seien, weil der 23-Jährige vorläufigen Rechtsschutz genieße. Jetzt sei Deutschland für das Asylverfahren zuständig, sagte Sanli.
Gewaltsame Zwischenfälle und Großaufgebot der Polizei
Sein 23 Jahre alter Mandant lebte bis Donnerstag in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen. Die Polizei wollte ihn in der Nacht zum Montag mitnehmen und abschieben, scheiterte aber am teils gewaltsamen Widerstand von bis zu 200 anderen Migranten. Erst am Donnerstag konnte der Mann mit einem Großaufgebot der Polizei gefasst werden - auch an diesem Tag gab es gewaltsame Zwischenfälle.
Nach dem Widerstand gegen den Großeinsatz sitzen sieben Flüchtlinge in Untersuchungshaft. Vier von ihnen wirft die Staatsanwaltschaft Angriffe auf Polizisten vor. Zwei weitere sollen mit Rauschgift gehandelt haben, einem wird der gewerbsmäßige Diebstahl von Kleidungsstücken zur Last gelegt. Die sieben Verdächtigen wurden am Freitag in verschiedene Gefängnisse gebracht. Insgesamt sollen laut Polizei 23 Flüchtlinge Widerstand gegen die Beamten geleistet haben, die Ermittlungsverfahren laufen.
Polizei verteidigt den Einsatz
Die Polizei verteidigte am Freitag erneut ihr Vorgehen vom Vortag. „Es gab ernstzunehmende Aussagen von Flüchtlingen, dass man sich durch Bewaffnung auf eine nächste solche Polizeiaktion vorbereitet“, sagte der Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Waffen seien aber bei einer Durchsuchung nicht gefunden worden, sagte Polizeivizepräsident Bernhard Weber.
Die geplante Abschiebung des 23-Jährigen am Montag sei organisiert vereitelt worden, sagte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Ralf Kusterer. Dafür sprächen alle Hinweise. So hatten sich während des Zugriffs Bewohner an strategischen Plätzen postiert, viele hätten telefoniert und so Informationen weitergegeben. Die Polizei habe sowas noch nicht erlebt. „Manche Polizisten sprachen sogar von Todesangst.“
Der Gewaltbegriff orientiere sich bei der Polizei am Strafrecht: Es gebe psychische und physische Gewalt. „Dazu gehört Nötigung, Bedrängen oder Drohgebärden zeigen. Auch die Tatsache, dass sich Dutzende Afrikaner gegen vier Polizisten aufstellten, ist schon Gewalt“, sagte Kusterer. Unter diesen Umständen wäre am Montag für die vier Beamten vor Ort nach dem Polizeigesetz schon ein Schusswaffengebrauch möglich gewesen.
Vorgehen wird kontrovers betrachtet
Die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, hatte am Donnerstag Verständnis für den Widerstand der Asylsuchenden geäußert. Sie sagte: „Dass der Betroffene nicht nach Italien zurückkehren möchte, ist nachvollziehbar, denn dort müssen viele Flüchtlinge auf der Straße leben.“ Dass weitere Bewohner der Unterkunft sich mit ihm solidarisiert und seine Abschiebung verhindert hätten, sei angesichts gravierender Mängel im italienischen Asylsystem „nur allzu verständlich“.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf Jelpke daraufhin eine „skandalöse Kumpanei mit kriminellen und gewalttätigen Asylbewerbern“ vor. Sie forderte die Linkspartei auf, sich von Jelpke zu distanzieren und zu erklären, „wie sie es mit der verfassungsmäßigen Ordnung in unserem Land hält“.
Der Stuttgarter Asylpfarrer Joachim Schlecht hält die Razzia vom Donnerstag für richtig. „Der Staat muss handlungsfähig bleiben“, sagte Schlecht, der ein Beauftragter im Migrationsdienst der evangelischen Landeskirche in Württemberg ist. Es stelle sich nur die Frage, ob die Stärke von mehreren Hundert Beamten angemessen gewesen sei. Denn rund 300 der knapp 500 Bewohner afrikanischer Herkunft hätten sich gar nicht am Widerstand gegen die Polizei beteiligt.
Er erlebe die Afrikaner unter den Flüchtlingen als sehr verängstigte und verzweifelte Menschen, die um die geringen Chancen für ihre Anerkennung als Asylbewerber wüssten. In ihrer Frustration versuchten sie hierzubleiben. Dabei sei aus seiner Sicht passiver Widerstand wie ein Sitzstreik akzeptabel - aber keine Attacken gegen Polizisten.
Aus Baden-Württemberg gab es im Jahr 2017 insgesamt 3450 Abschiebungen, 7600 war laut Innenministerium geplant. In diesem Jahr wurden bis Ende April 1115 Migranten abgeschoben, geplant waren 3000. Gründe für das Scheitern von Abschiebungen sind, dass die Migranten untertauchen, vorher schon freiwillig ausgereist sind, sich der Zielstaat kurzfristig weigert, den Landsmann wieder aufzunehmen, oder gesundheitliche Aspekte dagegen sprechen.