In Baden-Württemberg werden immer mehr Menschen Opfer von Hundeattacken. So gab es 2017 im Südwesten 1396 Straftaten, bei denen Personen durch Vierbeiner verletzt wurden. Das sagte das Innenministerium auf Anfrage des SÜDKURIER. 2016 waren es 1292 Hundeattacken, 2015 noch 1239. „Jeder Hund muss von seinem Halter so geführt werden, dass von diesem keine Gefahren für Mensch oder Tier ausgeht“, erklärt ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl.
Erst am vergangenen Wochenende sorgte ein Fall in München für Schlagzeilen. Dort hat ein Rottweiler in der Nähe des Hauptbahnhofs mehrere Menschen attackiert. Das Tier wurde von der Polizei erschossen. Zwei Polizisten und drei Passanten erlitten Bisswunden und mussten in einer Klinik behandelt werden.
Hundebesitzer in Sigmaringen vor Gericht
In Baden-Württemberg beginnt heute vor dem Amtsgericht Sigmaringen der Prozess gegen zwei Halter der Rasse Kangal. Laut der Staatsanwaltschaft Hechingen hatte einer der Hunde vor fast genau einem Jahr eine 72-Jährige in Stetten am kalten Markt angegriffen. Er biss ihr in Kopf und Hals, die Frau starb. Bei dem Verfahren sollen 20 Zeugen und drei Gutachter befragt werden. Es wurden vier Verhandlungstage angesetzt.
In Baden-Württemberg kam neben diesem Fall im vergangenen Jahr eine weitere Person nach einem Hundeangriff ums Leben. Alle weiteren 1394 Fälle hatten Körperverletzungen zur Folge, darunter 17 besonders gefährliche Attacken, bei denen die Angegriffenen jeweils schwere Verletzungen davon trugen. Von den 1396 Vorfällen wurden 38 von Kampfhunden verübt. Bei diesen wurden 36 Personen verletzt.
Für 2018 kann das Innenministerium noch keine konkreten Angaben machen. Die Zahlen seien jedoch eher ansteigend, sagt der Sprecher dazu.
Strengere Vorgaben gefordert
Die Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord fordert wegen der zunehmenden Zahl an Hundeattacken strengere Vorgaben. „Wir brauchen einen verpflichtenden Sachkundenachweis für Hundehalter“, sagt sie. Einen solchen flächendeckenden Nachweis, mit dem jemand darlegen muss, dass er einen Hund ordnungsgemäß halten könne, gebe es in Baden-Württemberg noch nicht.
Laut der Polizeiverordnung seien solche Nachweise nur bei gefährlichen Hunden wie American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier nötig. Andere Bundesländer würden hier deutlich weitergehen, so Stubenbord.
SPD-Politiker Reinhold Gall hat Zweifel daran, ob die baden-württembergische Kampfhundeverordnung noch ausreichend ist. Mit Blick auf den sich im Südwesten wieder ansiedelnden Wolf stellt Gall die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: „In den vergangenen 20 Jahren wurde in Deutschland nicht ein Mensch durch einen Wolf auch nur angegriffen oder verletzt, während wir in der selben Zeit von etwa 40 Toten durch Hundebisse ausgehen können.“