In Freiburg ist seit dem Erdrutsch-Wahlsieg Martin Horns (33) am 6. Mai gegen Amtsinhaber Dieter Salomon (57) vieles in Bewegung gekommen. Ganz friedlich dürfte der Machtwechsel im Rathaus nicht ablaufen, soviel scheint heute schon erkennbar. Als Erstes ist nämlich eine höchst delikate Personalie zu klären: Beamtete Leiterin des OB-Büros ist Helga Mayer-Salomon, die dritte Ehefrau des vom Wähler vertriebenen Hausherrn Dieter Salomon.
Der neue auf dem Chefsessel, Martin Horn, wird schwerlich mit ihr weitermachen wollen, sie mit ihm wahrscheinlich auch nicht. Also muss möglichst geräuschlos eine neue Verwendung für die mit Besoldungsstufe A 16 (Jahreseinkommen 85.000 Euro) von ihrem Gatten eingestufte Verwaltungskraft gefunden werden.
Salomons Kommunikationschefin Stefanie Werntgen muss auch um ihren Job bangen und eine Versetzung fürchten, andere Salomon-Vertraute vielleicht auch. Horn will die Gespräche vertraulich halten und gibt das als neuen Stil aus.
Wie entwickelt sich Horns Verhältnis zu seinen Bürgermeistern?
Interessiert blickt die Öffentlichkeit auch darauf, wie sich Horns Verhältnis zu den vorhandenen Bürgermeistern entwickelt. Noch vor dem zweiten Wahlgang hat der erst einige Wochen amtierende Finanzbürgermeister Stefan Breiter (CDU) Horn brüskiert, weil der ihn als Teil einer neuen jungen Generation im Rathaus vereinnahmen wollte.
Breiter hängte seine Fahne aber in den abflauenden Wind von Salomon, um kurz nach Salomons krachender Niederlage auf seiner Facebook-Seite fast anbiederisch dem neuen OB seine Loyalität anzutragen, garniert mit einem Umarmungsbild vom ersten Weinfest des Jahres. Ein nicht überzeugend gelungener Schwenk, meint SPD-Frontfrau Renate Buchen skeptisch, zumal Horn dem Finanzbürgermeister bau- und wohnungspolitische Zuständigkeiten wegnehmen will.
Grüne und CDU im Gemeinderat in Bedrängnis
Hinter den Kulissen läuft die Neusortierung aber auch in der Kommunalpolitik. Vor allem die Grünen und die CDU sehen ihre führende Position als Rathausfraktionen in Gefahr. Ihnen ist der von ihnen gestützte Oberbürgermeister völlig unerwartet abhanden gekommen. Gleichzeitig ist die oppositionelle SPD als nur drittstärkste Kraft im Aufwind: Sie hat den parteilosen Wahlsieger Martin Horn nach Freiburg gelotst, sie stellt nun mit Ulrich von Kirchbach den Ersten Bürgermeister, ihr winken Nähe zum neuen Machtzentrum und Erfolgsaussichten bei der nächsten Kommunalwahl in einem Jahr.
Eine besondere Genugtuung für die SPD, die über zwei Jahrzehnte von den Grünen schier zerbröselt und gedemütigt worden ist. Die Grünen überflügelten die Genossen mit saftigen Wahlergebnissen. Je grüner sich die SPD daraufhin gebärdete, um so stärker wählten die Freiburger das Original. Jetzt kann die SPD sich zum zweiten Mal rühmen, Salomon und den Grünen samt der dem grünen Lager angeklebten CDU eine weitere Niederlage zugefügt zu haben. Der erste Sieg, der Schwarz-Grün und Salomon wehtat, war vor Jahren die Verhinderung des Verkaufs der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „Freiburger Stadtbau“ an Heuschrecken zur schlagartigen Entschuldung der Stadt durch einen von der SPD angezettelten Bürgerentscheid.
Verkehrte grüne Welt in der Grünen-Hochburg
Was im Fußball die Rote Karte ist, erwies sich in der Freiburger Kommunalpolitik als die soziale Karte – auch die bedeutet in letzter Konsequenz Platzverweis – für eine nach Meinung der SPD jahrelang unsoziale Politik und aktuell für den vermeintlich unangefochtenen OB Salomon. Renate Buchen, Fraktionsvorsitzende der SPD macht dazu eine knallharte ohrfeigenartige Aussage: „Die Grünen und die CDU hatten nur Zahlen im Kopf, nur den Haushalt. Sie haben nicht gemerkt, auch nicht im OB-Wahlkampf, dass die Bevölkerung an anderen Themen wie bezahlbaren Wohnungen interessiert ist.“
Inzwischen dämmert es Maria Viethen, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, dass ihre Politik tatsächlich blind war für soziale Belange. Dass auch die Ablehnung des SPD-Vorschlags, beim Wohnungsbau eine 50 Prozent-Quote für Sozialwohnungsbau zur Bedingung zu machen, ein Fehler gewesen sei. Oder der unverblümte Satz von Dieter Salomon, es sei „Schwachsinn“, kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr zu fordern. Sein Herausforderer Martin Horn trat der aus der Bundesregierung stammenden Öko-Idee vorsichtig nahe. Verkehrte grüne Welt in der Grünen-Hochburg Freiburg.