Kerstin Viering

Der Eindringling ist über die Wurzeln aus dem Boden gekommen. Unaufhaltsam hat er sich in den Leitungsbahnen der Bananenstaude breitgemacht und unterbricht nun den Wasser- und Nährstofftransport – mit schlimmen Folgen: Die Pflanze lässt die Blätter hängen und vertrocknet. Wieder einmal hat damit ein Erreger zugeschlagen, der für die Bananen-Plantagen der Welt zum Albtraum geworden ist.

Vor zwanzig Jahren ist der Schlauchpilz Fusarium oxysporum in einer neuen Variante aufgetaucht, die Fachleute Tropical Race 4 (TR4) nennen. Und die macht der kommerziell wichtigsten Bananensorte „Cavendish“ den Garaus. Gegenmittel gibt es nicht. So dürfte sich für die Fans der gelben Früchte einiges ändern. „Bananen werden nicht aus den Supermärkten verschwinden“, meint der Agrarökologe Andreas Bürkert von der Universität Kassel. „Aber sie werden anders schmecken und nicht mehr so billig sein“.

 

Bisher hat der Pilz in Südostasien, Ostafrika und im Mittleren Osten Fuß gefasst

 

Angefangen hat der Siegeszug von TR4 im Jahr 1990 in Südostasien. Seither hat der Pilz auch in Ostafrika und im Mittleren Osten Fuß gefasst. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis er auch die Bananen-Exportländer in Süd- und Mittelamerika erreicht. „Dazu braucht er nur ein bisschen Erde an den Wanderschuhen eines Touristen“, sagt Andreas Bürkert. Wenn die Sporen von Fusarium oxysporum erst einmal im Boden stecken, können sie Jahrzehnte überdauern. Zwar empfiehlt die Welternährungsorganisation FAO Quarantäne-Maßnahmen, um die Ausbreitung zu verhindern. Dass diese den Vormarsch stoppen können, bezweifeln Experten allerdings. „Wir müssen deshalb künftig auf Bananen setzen, die besser mit dem Pilz zurechtkommen“, sagt Andreas Bürkert.

Diese Strategie hat schon einmal zum Erfolg geführt. So lagen in den Supermarkt-Regalen Europas und Nordamerikas bis 1960 fast nur Früchte der Sorte Gros Michel. Dann wütete eine andere Rasse des Pilzes TR 4 in den Plantagen Lateinamerikas, und der Anbau brach durch die sogenannte Panamakrankheit fast komplett zusammen. Damals konnte die Bananen-Industrie auf Cavendish umsteigen. Da diese Sorte den Befall vertrug, schien das Problem gelöst zu sein. Doch nun hat sich der Pilz verändert und attackiert jetzt auch die Alternative.

Auf den Plantagen in Übersee werden die Bananen in grünem Zustand geerntet. Erst in den Bananenreifereien Europas wird die Schale gelb.
Auf den Plantagen in Übersee werden die Bananen in grünem Zustand geerntet. Erst in den Bananenreifereien Europas wird die Schale gelb. | Bild: Tipatai/stock.adobe.com

Die aber dominiert inzwischen den Anbau rund um die Welt. Denn sie lässt sich problemlos in grünem Zustand ernten und wochenlang transportieren. Am Bestimmungsort muss man sie nur mit Ethylen begasen und die Temperatur erhöhen – schon reift die Ladung gleichmäßig nach. „Es gibt im Moment keine andere Bananensorte, die das so gut kann“, sagt Andreas Bürkert. Dadurch aber ist der exportorientierte Anbau der Früchte zur Monokultur geworden. Ob auf den Philippinen, in Mosambik oder Ecuador: Cavendish, wohin man schaut.

Zu allem Überfluss besitzen alle diese Pflanzen ein einheitliches Erbgut. Das liegt daran, dass sich die essbaren Bananensorten nicht auf sexuellem Weg fortpflanzen können, weil sie keine Samen produzieren. Also funktioniert die Vermehrung nur über Ableger – und die sind genetisch genaue Kopien ihrer Mutterpflanze. Entsprechend anfällig ist der Bananenanbau für Krankheiten.

 

Das Erbgut der Bananen wird unter die Lupe genommen

 

Fieberhaft suchen Wissenschaftler nach genetischen Informationen, die den Pflanzen eine größere TR4-Toleranz verleihen könnten. Dazu nehmen sie das Erbgut von Wildbananen ebenso unter die Lupe wie das von essbaren, aber kommerziell uninteressanten Sorten. „Davon gibt es jede Menge, die hierzulande niemand kennt“, sagt Andreas Bürkert. Eine davon haben er und seine Kollegen 2004 auf einer Expedition im Oman entdeckt.

Das Team war auf den Spuren alter Seefahrer unterwegs. Kapitäne aus dem Oman waren schon ab etwa 2000 v. Chr. durch die Küstenregionen des Indischen Ozeans gesegelt und hatten Pflanzen aus fremden Ländern mit in ihre Heimat auf der Arabischen Halbinsel gebracht. Was aber waren das für Gewächse und woher stammten sie? Die Wissenschaftler hatten bei ihrer Suche bereits acht bis dahin völlig unbekannte Weizen-Varietäten entdeckt, die aus Äthiopien und Indien in den Oman gekommen waren. Nun richteten sie ihr Interesse auf die Bananen. „Anders als Weizen brauchen diese Pflanzen ständig eine gute Wasserversorgung“, erklärt Andreas Bürkert. Alte Bananensorten konnten die Jahrhunderte also nur in wenigen Oasen des Wüstenlandes überdauert haben.

 

Das Ziel der Forscher lag in einem abgelegenen Flusstal

 

Auf Satellitenbildern hatten sich die Forscher ein ebenso vielversprechendes wie abgelegenes Flusstal ausgesucht, in dem sie suchen wollten. Mit einem Flug der omanischen Luftwaffe erreichten sie per Hubschrauber ihr Ziel in der Nähe des Dorfes Umq Bir – und hatten nur drei Stunden Zeit, um den botanischen Schatz zu finden. Nach einer Weile entdeckten sie per Fernglas ein paar bananenähnliche Gewächse, die in einer Nische in einer Felswand wuchsen. Ein Bauer ließ sich im Tausch gegen Bürkerts Armbanduhr dazu bewegen, hinaufzusteigen und ein paar Ableger zu holen. Die reisten dann mit nach Deutschland, um im Gewächshaus der Universität Kassel eine neue Heimat zu finden.

Genetische Untersuchungen bestätigten später, dass es sich bei dieser Umq-Bir-Banane mit ihren nach Apfel schmeckenden Früchten um eine bis dahin unbekannte Sorte handelte. Und die wäre fast vernichtet worden, ohne dass die Fachwelt von ihrer Existenz erfahren hätte. Denn nach dem Besuch der Bananenfahnder brach ein Wirbelsturm über das Tal herein und zerstörte den Standort mitsamt den Pflanzen. Dank der Reserve in Deutschland konnten Umq-Bir-Bananen an ihren alten Fundort zurückkehren.

Sogenannte Fruchtstände mit Bananen sind aufgestapelt.
Sogenannte Fruchtstände mit Bananen sind aufgestapelt. | Bild: Jennre/stock.adobe.com

„Die Cavendish werden diese Bananen sicher nicht ersetzen können“, betont Andreas Bürkert. Dazu lassen sich ihre Früchte zu schlecht lagern. Es könnte aber sein, dass die Sorte mit dem Apfel-Geschmack stattdessen besonders Abwehrkräfte gegen Krankheiten besitzt. Dieser Möglichkeit gehen Wissenschaftler der Universität Wageningen in den Niederlanden nach. Vielleicht kann das Mitbringsel der alten Seefahrer ja wertvolle genetische Informationen für die Bananen der Zukunft liefern.

Bis tatsächlich neue Sorten für den Anbau zur Verfügung stehen, wird es nach Einschätzung des Kasseler Forschers noch etwa fünf Jahre dauern. „Viel mehr Zeit wird uns der Pilz wohl auch nicht lassen“, befürchtet der Experte. Vor allem dürfe man dann aber nicht den Fehler machen, wieder nur auf eine einzige Sorte wie die „Cavendish“ zu setzen. Auf der Plantage der Zukunft sollten nach Einschätzung von Andreas Bürkert mindestens zwei bis drei unterschiedliche Varietäten wachsen – ähnlich wie es bei Kaffee schon heute der Fall ist. Entsprechend dürfte künftig auch das Angebot in Supermärkten und Obstläden abwechslungsreicher ausfallen als bisher. Und das ist in Andreas Bürkerts Augen die positive Seite der Cavendish-Krise: „Es lohnt sich, die Vielfalt der Bananen zu entdecken.“

 

Eine uralte Kulturpflanze

  • Biologie
    Die essbaren Bananen sind Staudenpflanzen, die zwischen drei und zehn Meter hoch werden. Man unterscheidet etwa 70 Arten, von denen die meisten aus Süd- und Südostasien stammen. Dort gibt es auch heute noch die größte Vielfalt an Wildbananen. Diese sind wegen ihrer harten Samen für den Verzehr wenig attraktiv. Deshalb haben Landwirte im Laufe der Jahrhunderte mehr als 1000 essbare Sorten ohne Samen gezüchtet. Diese können sich aber nur vegetativ, also über Ableger, vermehren.
    Der Blütenstand der Staude hat violette Blätter.
    Der Blütenstand der Staude hat violette Blätter. | Bild: Chaturon M./stock.adobe.com
  • Anbau
    Bananen gehören zu den alten Kulturpflanzen. Schon um 5000 vor Christus wurden sie angebaut. Weltweit werden jedes Jahr mehr als 130 Millionen Tonnen Bananen im Wert von sieben Milliarden Dollar geerntet, knapp die Hälfte davon gehört zur Sorte „Cavendish“. Der größte Produzent ist Indien mit einem Viertel der Gesamtmenge. Zu den wichtigsten Exportländern gehören Ecuador, Kolumbien und Costa Rica.
  • Konsum
    Weltweit werden jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Bananen gegessen. Damit gilt die Banane neben Weizen, Reis und Mais als eine der wichtigsten Nahrungspflanzen. Neben den in Europa beliebten Dessertbananen gibt es Kochbananen, die in vielen Regionen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu den Grundnahrungsmitteln gehören. Den Weltrekord im Bananen-Essen halten die Ugander, die im Schnitt 240 Kilogramm pro Jahr verzehren. Da können die Deutschen, Österreicher und Schweizer mit immerhin mehr als zehn Kilogramm pro Jahr bei Weitem nicht mithalten. Doch auch in Mitteleuropa gehören Bananen zu den beliebtesten Obstsorten.
    Die süße Dessertbanane wird, anders als die Kochbanane, roh gegessen.
    Die süße Dessertbanane wird, anders als die Kochbanane, roh gegessen. | Bild: Andrea Warnecke (dpa)
    (kvi)