Maria Wendel

In Deutschland haben erwerbsfähige Menschen Anspruch auf Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch II, sofern sie als hilfebedürftig gelten. Das bedeutet: Ihr Einkommen reicht nicht aus, um den grundlegenden Lebensunterhalt eigenständig zu decken. Das Bürgergeld ist eine steuerfinanzierte Sozialleistung, die das Existenzminimum absichert – einschließlich der medizinischen Versorgung.

Laut GKV-Spitzenverband bleibt der Bund den gesetzlichen Krankenkassen jedoch jährlich etwa zehn Milliarden Euro schuldig, was die Beiträge für Bürgergeldbeziehende betrifft – auf Kosten der 75 Millionen gesetzlich Versicherten und ihrer Arbeitgeber.

Kosten für Bürgergeld-Empfänger: Krankenkassen mit Milliardenklage gegen Bund

Wie der GKV-Spitzenverband in einer Pressemitteilung bekannt gab, hat der Verwaltungsrat am 11. September 2025 beschlossen, Klage gegen den Bund einzureichen. Grund ist die aus ihrer Sicht unzureichende Finanzierung der Gesundheitskosten für Bürgergeld-Empfänger.

Laut Bild-Zeitung, der ein internes GKV-Papier vorliegt, zahlt der Bund offenbar nicht einmal die Hälfte des Betrags, der für die Krankenversicherung eines Bürgergeldempfängers nötig wäre. So zahlte der Bund laut Bild-Angaben im Jahr 2022 monatlich eine Pauschale von 108,48 Euro pro Bürgergeldempfänger. Nötig wären jedoch rund 311 Euro. Laut n-tv.de beträgt die Pauschale aktuell 133,17 Euro – ein Betrag, der immer noch deutlich unter den tatsächlichen Ausgaben der Krankenkassen liegt.

Die Differenz zwischen den tatsächlichen Ausgaben und dem Bundeszuschuss summiert sich laut GKV auf eine jährliche Finanzierungslücke von rund zehn Milliarden Euro. Diese Belastung trifft die Krankenkassen in einer ohnehin angespannten Lage – und letztlich müssen die gesetzlich Versicherten und ihre Arbeitgeber einen Großteil der Kosten tragen. Die Folge sei laut Dr. Susanne Wagenmann, GKV-Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin, höhere Arbeitskosten für die Unternehmen und weniger Netto vom Brutto für die Beschäftigten. So werde Arbeit immer teurer.

Mit der Klage vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wollen die Krankenkassen eine verfassungsrechtliche Klärung sowie eine Entlastung bei den hohen Kosten herbeiführen. Sie argumentieren, dass der Bund seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Empfängern nicht ausreichend nachkommt. Diese Unterfinanzierung sei rechtswidrig.

Krankenkassen-Klage: Streit mit Bund über Bürgergeld-Kosten

GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Wagenmann erklärte den Zeitpunkt der Klage mit dem Fehlen verbindlicher politischer Zusagen. Während frühere Koalitionsverträge noch Lösungsansätze für die Finanzierungslücke enthielten, fehle in den aktuellen Programmen von CDU, CSU und SPD jeglicher Hinweis darauf. „Die Bundesregierung scheint die Augen vor dieser sozialpolitischen Ungerechtigkeit zulasten der gesetzlich Versicherten und ihrer Arbeitgeber zu verschließen. Da können wir nicht länger zuschauen“, kritisierte Wagenmann.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte sich laut n-tv.de zwar für eine vollständige Kostenübernahme der Gesundheitsausgaben für Bürgergeld-Bezieher durch den Bund ausgesprochen, konnte sich damit jedoch in den Haushaltsverhandlungen nicht durchsetzen. Stattdessen plant sie, eine Expertenkommission einzusetzen, die Vorschläge zur Stabilisierung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeiten soll.

Des Weiteren berichtet n-tv.de, dass sich die Opposition bereits zu Wort meldete und die Regierungskoalition zum schnellen Handeln aufforderte. BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht meinte, es sei „traurig, dass diese Klage überhaupt notwendig“ sei. Ihrer Ansicht nach müssten Gesundheitsministerin und Finanzminister die milliardenschwere Finanzierungslücke rasch schließen, um nicht nur einen weiteren Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu verhindern, sondern diese idealerweise sogar wieder zu senken.

Wie der Spiegel berichtet, hält Simon Reif – Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW Mannheim – höhere Beiträge für Bürgergeld-Versicherte für nachvollziehbar. Angesichts der angespannten Finanzlage der Krankenkassen seien zusätzliche Einnahmequellen dringend nötig, um weitere kurzfristige Anhebungen der Zusatzbeiträge zu vermeiden. Die Beiträge für die rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehenden stellten dabei einen entscheidenden Hebel dar. Ein höherer Finanzierungsanteil der Bundesagentur für Arbeit könnte den gesetzlichen Krankenkassen sowie ihren Beitragszahlern eine dringend benötigte Entlastung bringen.

Übrigens: Aus einer neuen Statistik der Bundesagentur für Arbeit geht hervor, in welcher Stadt die meisten Bürgergeld-Empfänger leben. Die Stadt mit der höchsten Quote ist demnach Gelsenkirchen, wo fast jede vierte Person im erwerbsfähigen Alter Bürgergeld bezieht.