Thomas Domjahn und dpa

Die Deutsche Post macht die Entfristung von Arbeitsverträgen von den Krankheitstagen eines Mitarbeiters abhängig. Niederlassungsleiter haben von der Konzernspitze ein entsprechendes Konzept bekommen. Darin heißt es, dass Mitarbeiter in zwei Jahren nicht häufiger als sechsmal krank gewesen sein beziehungsweise nicht mehr als 20 Krankheitstage anhäufen dürfen. Weiter schreibt die Post vor, dass der Mitarbeiter „höchstens zwei selbstverschuldete Kfz-Unfälle mit einem maximalen Schaden von 5000 Euro“ verursachen darf. Außerdem dürften Postboten in drei Monaten nicht mehr als 30 Stunden länger für ihre Touren gebraucht haben als vorgesehen. Für diese strikte Personalpolitik muss die Post viel Kritik einstecken.

Wie rechtfertigt das Unternehmen sein Vorgehen?

Die Aufregung über die Einstellungspraxis erschließe sich ihm nicht, sagte ein Post-Sprecher: "Dass wir im Konzern überlegen, wer auf Dauer den Anforderungen gewachsen ist, das ist im Interesse aller Beteiligten, insbesondere der Kunden." Die Tätigkeit des Postboten sei auch körperlich anstrengend. Im Übrigen lege die Post aber keine Schablonen an, sondern berücksichtige immer das Gesamtbild. Da Zusteller im Moment dringend gesucht würden, könne man außerdem davon ausgehen, dass die Auswahl nicht nach zu strengen Kriterien erfolge. Innerhalb des vergangenen Jahres habe die Post rund 9000 befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete überführt, teilte der Sprecher mit. Dieses Jahr habe der Konzern bereits 2500 unbefristete Stellen geschaffen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, bezeichnete die Personalpolititik der Deutschen Post als "moralisch höchst verwerflich". Es sei an der Zeit, dass mit diesem "Unfug" aufgeräumt werde. Martina Dukek vom Landesverband Baden-Württemberg der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lehnt pauschale Kriterien wie die der Deutschen Post ab. Man müsse sich jeden Einzelfall anschauen, so die Expertin für den Bereich Postdienste, Speditionen und Logistik.

Wie reagiert die Politik?

Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe von CDU/CSU, kritisierte die Post mit harten Worten: „So ein Kriterienkatalog, wie er vorliegt, ist ein Quatsch und der Personalabteilung eines Großunternehmens unwürdig.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, es handele sich um "eine Praxis, die nicht hinnehmbar ist.“ Bundesfinanzminister Scholz sagte, er nehme diese Praxis nicht hin, sie sei nicht in Ordnung und nicht gut. Er sei überzeugt, dass die befristete Beschäftigung zurückgedrängt werden müsse.

Kann die Regierung die Personalpolitik der Deutschen Post beeinflussen?

Ja, zumindest indirekt, denn der Bund hält über die Staatsbank KfW knapp 21 Prozent an der Deutschen Post. Mit Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hat die Regierung sogar einen Sitz im Aufsichtsrat der Deutschen Post. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bereits angekündigt, den Einfluss des Bundes zu nutzen und die umstrittene Einstellungspraxis bei der Deutschen Post zu ändern. Der Bund könne seine Meinung zwar nicht durchsetzen, aber „deutlich machen“, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Was sagen die Arbeitgeber?

Der Arbeitgeberverband BDA kritisierte das Vorgehen von Scholz und betonte: „Die Praxis der Post entspricht vollständig Recht und Gesetz.“ Es sei sinnvoll und notwendig, dass Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern alle Umstände berücksichtigten. Aus Sicht des BDA ist es „befremdlich, wenn Unternehmen für ihre Einstellungspraxis von staatlichen Vertretern kritisiert werden, obwohl der Staat selbst nur nachweislich gesundheitlich geeignete Bewerber in das Beamtenverhältnis beruft und bei wiederholten oder erheblichen Erkrankungen von einer Einstellung absieht“. Auch Aktionärsschützer kritisierten die Äußerungen von Scholz. „Hier wird mit Hilfe der Staatsbeteiligung versucht, eine politische Agenda durchzusetzen“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Verstößt die Personalpolitik der Deutschen Post gegen das Arbeitsrecht?

Nein. „Wenn der befristete Vertrag eines Arbeitnehmers ausläuft, hat er grundsätzlich keinen Anspruch auf eine befristete Verlängerung des Arbeitsvertrages oder eine Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis“, sagt Winfried Boecken, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Konstanz. Das Unternehmen könne seine Kriterien bezüglich der Übernahme frei definieren und müsse seine Entscheidung nicht begründen.

Ist es sittenwidrig, die Verlängerung eines Arbeitsvertrags an Krankheitstage zu koppeln?

Nein. "Auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit trifft nicht zu“, so Boecken. So seien sich häufende Krankheitstag in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sogar als Kündigungsgrund anerkannt, so der Autor eines Buches zum Teilzeit- und Befristungsgesetz.