Wenn ein Trainer nach dem Spiel seinem freudig gelaunten Kollegen gratuliert, ist das meist mit einer Niederlage verbunden. Die gab es für die Bayern zwar nicht im hohen Norden, aber der 1:0-Auswärtssieg bei der SV Drochtersen/Assel wurde vom Gastgeber wie ein Sieg gefeiert. Bis neun Minuten vor Schluss hielt der Regionalligist die Bayern in Schach. Dann traf Robert Lewandowski. Am Ende jubelte dennoch ganz Drochtersen.
Die Gastgeber hatten ein „Jahrhundertspiel“ angekündigt: „Mondlandung, Wiedervereinigung, Bayern in Drochtersen“ – das solle für jeden in diesem Dorf an der Elbe die herausragenden Ereignisse in seinem Leben sein, hatte der Stadionsprecher im allgemeinem Jubel verkündet. „FußballGroßstadt“, hatte ein Witzbold über das Ortsschild gepinselt und an der Kirche hing ein Transparent „Wunder gibt es immer“.
Und dieser Samstag wird in Drochtersens Geschichte eingehen, denn die Bayern spielten, wie von Trainer Niko Kovac angekündigt, mit allen Stars. Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Rafinha, Javi Martinez, Arjen Robben, Thomas Müller, Thiago, Franck Ribéry und Robert Lewandowski. Vier Weltmeister und sieben weitere Nationalspieler einschließlich der legendären Flügelzange Robben und Ribéry – mehr geht nicht. Eine Aufstellung fürs Halbfinale der Champions League.
Die Stimmung im auf 8000 Zuschauern hochgerüsteten kleinen Kehdinger Stadion war schon vor dem Anpfiff auf Volksfest-Niveau. Es sollte ein Fußballfest werden und es wurde eins. „Hier schlägt das Herz des DFB-Pokals“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel vor dem Anpfiff. Danach war er völlig begeistert von der Atmosphäre und dem Kampfgeist der Hausherren. „Drochtersen kann total stolz sein, das war Werbung für den DFB-Pokal, Bayern wird Drochtersen so schnell nicht vergessen“, sagte Grindel.
Etwas weniger Spektakel hätte sich Bayern-Trainer Nico Kovac gewünscht. „Es war ein schwieriges Spiel, Kompliment an den Gegner. Wie sie es gemacht haben, mit Herzblut, Leidenschaft und Motivation, allergrößten Respekt. Das ist das, was den Fußball ausmacht. Das geht in die Geschichte ein, das werden sie ihren Kinder und Ekelkindern zeigen können“, sagte Kovac, der zumindest nach außen hin Gelassenheit demonstrierte. „Gott sei Dank ist heute nichts passiert. Abhaken, vergessen, im Pokal zählt nur, eine Runde weiterzukommen.“
Dass es auch anders hätte ausgehen können, räumte Kovac ein: „So lange es 0:0 steht kann immer etwas passieren.“ Mit weiterer Hochachtung sagte der neue Bayern-Trainer: „Die eine Chance, die sie in der ersten Hälfte liegen gelassen haben, war schon sehr gut. Aber dafür haben wir Manuel. Es war schwierig, diese Abwehr zu durchbrechen.“
Tatsächlich hatte die Fußabwehr von Neuer gegen Florian Nagel in der 32. Minute den Rückstand der Bayern verhindert. „Ich kann aber kein Mitleid mit dem Schützen haben, bei allem Respekt“, meinte Neuer, während der verhinderte Torschütze mit der Situation haderte: „Ich weiß, dass ich den machen muss, ich werde mir da wohl zu Recht noch einiges anhören müssen.“ Zur Pause wurden die D/A-Spieler bejubelt und abgeklatscht.
Die Bayern wirkten über 96 Minuten zwar engagiert, aber uninspiriert. Robert Lewandowskis Tor nach einer Hereingabe von Franck Ribéry war die einzige zählbare Ausbeute, dass Ribery zuvor mit der Hand im Gesicht seines Gegenspielers war, belegten erst die Fernsehbilder. Im Stadion hatte das kaum jemand gesehen.
Bei allem Engagement der Hausherren hatte niemand der 8000 Zuschauer den Eindruck, dass D/A das Spiel gewinnen könnte. In der Offensive ging nichts, dafür in der Defensive sehr viel. Bis zum Schlusspfiff wurde um jeden Ball gekämpft, die Fünferkette stand bis auf den einen Ausrutscher so sicher, dass den Bayern kein Durchkommen möglich war. Ein Abseitstor von Müller, ein Lattenschuss von Thiago – mehr Chancen hatte der Meister nicht.
Nach dem Spiel zeigten sich die Bayern-Spieler freundlich und wohlwollend gegenüber den begeisterten Zuschauern des Fußball-Volksfestes. Bis auf Boateng zeigten alle viel Geduld mit den Fans. Fast jeder D/A-Spieler bekam das Trikot seines Gegenspielers, Mats Hummels suchte sogar minutenlang im allgemeinen Getümmel den D/A-Mannschaftskapitän Sören Behrmann, dem er das Trikot versprochen hatte.
Hoffenheim kommt mit breiter Brust
Zum Bundesligaauftakt am Freitag (20.30 Uhr/ZDF) kommt 1899 Hoffenheim mit breiter Brust in die Allianz-Arena. Die Hoffenheimer gewannen ihr Pokalspiel beim 1. FC Kaiserslautern klar mit 6:1 (3:1). Mit drei Treffern war Joelinton (6./22./56.) erfolgreichster Torschütze. Für die weiteren Tore sorgten Nico Schulz (13.), Pavel Kaderabek (51.) und Joshua Brenet (63.). Den Ehrentreffer für die überforderten Pfälzer schoss Florian Spalvis (33.) zum zwischenzeitlichen 1:3.