Was Opposition und Kommentatoren gesagt und geschrieben hätten, wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Kabinett vorgestellt hätte, das einen geringeren Frauenanteil als das Vorgängergremium aufweist, lässt sich leicht ausmalen – und das auch noch am 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts.
Also mussten einige Herren gehen. Es traf Personen, die als wertvoll bis unverzichtbar angesehen wurden. So hätte man nicht gedacht, dass Söder auf den gestandenen Rechtsprofessor Winfried Bausback im Amt des Justizministers verzichtet, der sogar bei der Opposition angesehen war. Oder auf die Arbeitstiere Marcel Huber, Franz Josef Pschierer und Josef Zellmeier. Es sei „Regionalproporz vor Kompetenz“ gegangen, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Arnold. Das stimmt im Falle von Ex-Justizminister Winfried Bausback gerade nicht, aber die Behauptung „Frauenquote vor Kompetenz“ ist politisch völlig unkorrekt und darf daher nicht aufgestellt werden – von einem Sozialdemokraten schon gleich gar nicht.
Loyalität vor Kompetenz?
In einem Fall könnte man vermuten, dass Loyalität vor Kompetenz gegangen ist: Der bayerische Junge Union-Vorsitzende Hans Reichhart hat zwar sein Landtagsmandat wegen des schlechten Abschneidens der CSU bei der Landtagswahl verloren, wird aber dennoch Chef des Bau- und Verkehrsministeriums. Ob das etwas damit zu tun hat, dass er und seine Organisation im vergangenen Machtkampf zwischen Söder und Parteichef Horst Seehofer um das Amt des Ministerpräsidenten frühzeitig und deutlich sichtbar für Ersteren Partei ergriff? Dagegen spricht, dass ein anderer aktiver Söder-Unterstützer, nämlich der ehemalige Bildungsminister Ludwig Spaenle, schon bei der Bildung des ersten Söder-Kabinetts vor acht Monaten den Stuhl vor die Tür gesetzt bekam.
Das erreichte Aufbessern der Frauen-Quote im CSU-Teil der neuen Staatsregierung wird zu einem Teil durch die Männerriege der Freien Wähler (FW) wieder ausgeglichen. Gleichberechtigung und Frauenquote gehören nicht zu den Herzensanliegen von FW-Chef Hubert Aiwanger und den meisten seiner Getreuen. Entsprechende Themen werden dort gerne in den Bereich der Ideologie verwiesen, die man gerne Grünen und SPD überlässt. Die Folge: Unter den FW-Ministern ist keine Frau, nur die Unterfränkin Anna Stolz hält als Staatssekretärin im Kultusministerium (Chef: Michael Piazolo) das weibliche Fähnchen hoch. Bei einem solchen Koalitionspartner könne sich sogar die CSU fortschrittlich fühlen, spottete FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Da ist was dran.
Entscheidend ist, was rauskommt
Jung und weiblich sind noch längst keine Garantie für Qualität, Alt und Männlich aber auch nicht. Der großen Mehrheit wird es ziemlich gleichgültig sein, wie man den Frauenanteil der Regierung Söder berechnet oder ob das Durchschnittsalter von 47,6 Jahren höher zu bewerten ist als eines von 39,9 oder 56,3. Entscheidend ist, was am Ende hinten rauskommt, um mit Altbundeskanzler Helmut Kohl zu sprechen. Und da gibt es schon mit Blick auf den künftigen Stil in der Landespolitik reichlich Wünsche und Erwartungen: Weniger Show beim Regieren und weniger Scheingefechte im Parlament. Und weniger Selbstbeschäftigung in der Koalition als es zum Beispiel in Berlin der Fall ist.
Außerdem wünscht man sich mehr Unvoreingenommenheit gegenüber den Vorstellungen der anderen: Nicht alles ist gut, nur weil es von der Regierung kommt, und nicht alles Unfug, nur weil es von der Opposition vorgeschlagen wird. In diesem Sinne hat sich Söder zum Start seiner neuen Regierung wiederholt geäußert und das wurde auch von der Opposition aufgegriffen. Wenn man in diesen Stilfragen weiter käme, dann wäre das eine wirksame Maßnahme gegen Politikverdrossenheit. Mal sehen, was von den guten Vorsätzen im politischen Alltagsgeschäft in ein paar Monaten übrig bleibt.