Wer mit dem Zug am Berliner Hauptbahnhof ankommt und sich in Richtung Regierungsviertel bewegt, der wähnt sich zunächst im Hegaustädtchen Aach. So steht es zumindest auf dem ersten gelben Ortsschild direkt am Ausgang des Hauptbahnhofs. Aach.

Nicht etwa Berlin. Der Reisende ist nicht falsch ausgestiegen, er befindet sich tatsächlich in der deutschen Hauptstadt, mitten drin, dort wo der Einheitstag mit einem dreitägigen Einheitsfest begangen wird. Doch das Verweilen in Aach wird nur kurz sein. Denn wenige Zentimeter weiter gelangt man bereits nach Aachen, um sich schließlich 2,5 Kilometer später am Potsdamer Platz in Zwönitz im sächsischen Erzgebirge wiederzufinden.
Jede deutsche Gemeinde ist derzeit im Zentrum Berlins in Form seines Ortschildes verewigt. Fast immer in Originalgröße, 90 mal 60 Zentimeter, aus rutsch- und trittfester Folie akkurat in alphabetischer Reihe auf den Asphalt geklebt. Das gelbe Band schlängelt sich vom Hauptbahnhof über den Washington-Platz über die Fußgänger-Spreebrücke hinüber zum Paul-Löbe-Abgeordnetenhaus.
Vom Reichstagsgebäude geht es vorbei am Kanzleramt dann hinüber in Richtung Brandenburger Tor und von dort dem Tiergarten entlang zum Potsdamer Platz. Ursprünglich hätte der Parcours fünf Kilometer lang werden sollen, doch aus Gründen der Platzersparnis wurden an einigen Stellen die Schilder nicht nur einzeln nacheinander, sondern im kleineren Format in mehreren Reihen nebeneinander geklebt und so die Strecke auf die Hälfte reduziert.
Wie bei einer Art Schnitzeljagd machen sich die Touristen aus ganz Deutschland auf, um ihren Heimatort zu finden. Dabei lässt sich unterwegs viel lernen, denn bei jedem Ort ist auch die Einwohnerzahl vermerkt. Mit die prominentesten Plätze haben Stockach auf der Straße des 17. Juni und Villingen-Schwenningen schräg gegenüber des Brandenburger Tores erwischt.
Doch die Aktion will mehr sein als nur ein touristenwirksames Fotomotiv. Da die gesamte Einheitsfeier unter dem Motto „Nur mit Euch“ steht, soll sichtbar werden, dass Deutschland nicht nur aus der Hauptstadt, nicht nur aus 16 Bundesländern besteht, sondern eben ein Ganzes ist, gebildet aus 11 400 Städten und Gemeinden. Als „visuelle Verdeutlichung unseres Selbstverständnisses“ sieht Moritz von Dülmen, Geschäftsführer der Kulturgüter Berlin GmbH, das Projekt.
Dass sich das Band der Ortsschilder bei Souvenirsammlern großer Beliebtheit erfreut, sieht man nicht nur daran, dass das Berlin-Schild schon mehrfach gestohlen wurde und nun eine Lücke klafft zwischen Berkoth und Berlingen. Auch Bürgermeisterämter fragen, ob sie die Folie nach Ende der Feierlichkeiten erhalten könnten. Doch die zuständige Agentur lehnt ab.
Die Schilder würden Abnutzungsspuren aufweisen und könnten meistens nur mit Beschädigungen abgelöst werden. Vielleicht scheut auch die Firma den Versand von 11 400 Päckchen. Und so wird das Band der Einheit als einmaliges Ereignis in Erinnerung bleiben.
Band der Einheit
11 400 Ortsschilder aller deutschen Gemeinden, die meisten davon in Originalgröße (60 x 90 Zentimeter), werden zur Feier der deutschen Einheit in Berlin auf einer Strecke von 2,5 Kilometer als Folie auf dem Boden verklebt. Die Strecke reicht vom Hauptbahnhof über den Reichstag, vorbei am Kanzleramt, Brandenburger Tor und Tiergarten bis zum Potsdamer Platz. Die Aktion soll das Motto „Nur mit Euch“ bildhaft mit Leben füllen und zeigen, dass Deutschland mehr ist als nur die Hauptstadt und 16 Bundesländer. (baw)