Herr Garvey, für Ihr Album „Neon“ haben Sie sich mit mehreren Hip-Hop-Produzenten zusammengetan. Wie kam es dazu?
Auf dieser Platte hatten wir sieben Produzenten, Engländer, Amerikaner und Deutsche. Eine gute Erfahrung! Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich will, aber dann habe ich Imran Abbas getroffen, der mir sofort ein Lied geschrieben hat. Es war genau das, was ich wollte. Abbas hat zehn Lieder auf meinem Album produziert. Das ist für mich Neuland, und es fühlt sich gut an.
„Hometown“ ist ein Song über Dublin. Haben Sie manchmal Heimweh?
Die Konzerne Facebook und Google haben sich mitten in Dublin angesiedelt. Schön, dass sie vielen Leuten Arbeit geben, aber als ich durch die Straßen ging, fiel mir auf, wie die Innenstadt darunter leidet. Dublin hat sein altes Gesicht verloren. Es ist nicht mehr meine Stadt. Aber auch ich habe mich verändert, und vielleicht habe ich auch nicht das Recht, solche Entwicklungen zu kritisieren.
Mussten Sie Irland verlassen, weil Sie dort keine Arbeit fanden?
Nein, ich habe einen Job aufgegeben, um hauptberuflich Musik zu machen. Vielleicht hatte ich ja Angst davor, dass mir der Geruch von Geld zu sehr gefallen hätte. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, war, in einem Büro-Block arbeiten zu müssen. Ich musste einfach herausfinden, ob Musik das ist, was ich machen will. In Deutschland habe ich mich dann sofort wohlgefühlt.
Hätten Sie auch in Irland eine musikalische Karriere machen können?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist gut, dass ich hier und nicht dort bin.
Welcher Song auf „Neon“ beschreibt Sie am besten?
Ich glaube, „God Ugly World“. Ich habe mir sprichwörtlich die Arme ausgerissen, um ein Album zu schreiben, das Maßstäbe setzt. Ich liebe alle Songs auf dieser Platte: „Water“, „Lovers Tonight“, „Beautiful Life“, „Kiss Me“. Wir haben fünf Stunden darüber diskutiert, welches die erste Single wird. Die Wahl fiel auf „Hometown“. Solche Entscheidungen fallen mir unheimlich schwer, weil ich diese Songs geschieben habe.
Welche Vorstellung haben Sie von Ihrer Musik? Soll sie so klingen, wie Sie als Mensch sind?
Als ich meine Stimme das erste Mal im Fernsehen hörte, war ich überrascht. Ich hatte mich immer komplett anders gehört. Meine Musik muss mich immer im Herzen treffen. Es ist nur einmal in meiner Karriere vorgekommen, dass ich etwas getan habe, woran ich nicht glaubte. Es war eine Katastrophe! Seitdem verlasse ich mich nur auf mein Gefühl.
Gibt es Tage, an denen Sie Ihre eigene Stimme nicht hören können?
Nein, soweit ist es noch nicht gekommen! Ich bin niemand, der sich selbst am Tollsten findet. Ich hatte mal ein Treffen mit dem Produzenten Timbaland. Er sagte: „Man, I am Mr. Music!“ (Lacht) Ich bin in Irland aufgewachsen, ich darf sowas nicht sagen! Ich wurde dazu erzogen, am Boden zu bleiben. Auch Oasis und U2 sind total von sich überzeugt.
Sie sind auf eine katholische Schule gegangen. Wie erinnern Sie Ihre Schulzeit?
Als sehr streng. Ich bin da gut durchgekommen, andere nicht. Ich habe mich gut verteidigt gegen eine Macht, der man nicht widersprechen durfte. Damals durfte man in Irland nichts gegen die Kirche sagen. Aber irgendwann ist das ganze Ding ins Wasser gefallen. Als ich als Teenager freitagabends auf die Piste ging, war es ziemlich wahrscheinlich, dass man mit gleichaltrigen Jungs in Streit geriet. Das war ganz normal, und ich liebte es.
Sie spielen in diesem Jahr Ihre bisher größte Tour. Vermissen Sie heute die Unbeschwertheit, die Sie am Anfang Ihrer Karriere hatten?
Olympiahalle – das ist schon ein Wort! Ich habe aber Bock drauf. Es wird eine Wahnsinnsshow werden. Der Druck kommt hauptsächlich von mir. Ich freue mich tierisch, wenn die Menschen großes Interesse an meiner Arbeit haben. Umgekehrt bin ich sehr enttäuscht, wenn meine Musik nicht ankommt. Bis jetzt bin ich gesegnet, weil es für mich immer nur nach oben geht. Aber man muss dafür arbeiten. Im Leben wird einem nichts geschenkt.
Ist Musik für Sie wie eine Droge?
Ich kenne mich mit Drogen nicht aus. Ich glaube, Musik kann ein schwieriger Liebhaber sein. Wenn man die Musik liebt, wird sie dich zurücklieben. Das Wichtigste ist, dass man sich in die Musik fallen lässt. Und wenn du fällst, dann trägt sie dich.
Hatten Sie auch mal eine Sex and Drugs and Rock’n’Roll-Phase?
Ja, Sex und Rock’n’Roll auf jeden Fall. Ich bin immer noch ein großer Fan davon. Ich habe immer davon geträumt, der Letzte an der Bar zu sein und zu feiern wie ein Rockstar. Und am nächsten morgen geht man ins Studio und singt einen Song ein.
Wie häufig feiern Sie gemeinsam mit Kollegen?
Wenn ich unterwegs bin, treffe ich viele Menschen und oft ist die Freude so groß, dass wir miteinander feiern. Aber ich habe den Anspruch, meinem Publikum die bestmögliche Show zu bieten. Ich würde nie auf die Bühne gehen, ohne meine Sinne beieinander zu haben. Ich feiere gerne nach der Arbeit.
Fragen: Olaf Neumann
Zur Person
Rea Garvey, 44, wuchs mit sieben Schwestern in der irischen Stadt Tralee auf. In Deutschland wurde er als Frontmann der Band Reamonn und dem Song „Supergirl“ (2000) bekannt. Heute ist er als Solokünstler erfolgreich und saß mehrere Staffeln als Coach in der Castingshow „The Voice of Germany“. Am 23. März erscheint sein neues Album „Neon“ (Universal). (brg)
Hometown - Rea Garvey: