Steffen Rüth

Seine kommenden Auftritte sind seit Monaten ausverkauft, ob in Berlin, in München oder in Zürich: Ed Sheeran ist ganz in seinem Metier, denn Bühnenscheu ist ihm unbekannt. „Je größer das Publikum, desto mehr Spaß macht mir das Konzert“, sagt er. Für seine Show braucht er keinen Firlefanz, ja nicht einmal eine Band. Ganz alleine steht er auf der großen Bühne, singt und bedient die akustische Gitarre.

Aber warum eigentlich ist Ed Sheeran, dieser leicht übergewichtige Normalo, der größte männliche Popstar unserer Zeit? Der, den irgendwie alle zumindest okay finden? Der kaum polarisiert?

Der Tom Hanks der Popmusik

Robbie Williams, den Ed in Sachen Popularität längst hinter sich gelassen hat, versuchte sich in der „Manchester Evening News“ kürzlich an einer Erklärung: „Er ist der Tom Hanks der Popmusik. Jeder mag ihn. Er ist ein netter Kerl und ein guter Mensch. Und er scheint von seinem unglaublichen Erfolg absolut unbeeindruckt zu sein.“

Der Musiker Ed Sheeran kommt zur Berlinale Special Gala «Songwriter» in den Friedrichstadt-Palast.
Der Musiker Ed Sheeran kommt zur Berlinale Special Gala «Songwriter» in den Friedrichstadt-Palast. | Bild: Jens Kalaene

Mit seinen 27 Jahren dürfte sich Sheeran mittlerweile ein dreistelliges Millionenvermögen zusammenmusiziert haben, ansehen tut man ihm den Reichtum nicht. Er läuft mit Kapuzenpullis, Jeans und Turnschuhen immer noch so rum wie alle anderen Twentysomethings, und wenn er daheim ist, fährt er Mini, sagt er.

Ed Sheeran ist der Phil Collins der Generation Youtube. Sieht aus wie der Durchschnittsjunge von nebenan, aber schreibt Songs, mit denen er ein unglaublich breit gefasstes Publikum vom Grundschulkind bis zum Greis erreicht. Seine Lieder sind auch deshalb so genial, weil sie sich anhören, als seien sie schon immer dagewesen. Plagiatsklagen, ja, die gibt es, aber bisher war noch keine erfolgreich.

Sentimentalität und Mädchen

Sheerans frühe Hits wie „The A-Team“ oder „Lego House“, auch „Sing“ oder selbst „Photograph“ waren origineller, die Lieder auf seinem aktuellen, dritten Album „Divide“ (das natürlich weltweit bestverkaufte des Jahres 2017, in Deutschland Platz Zwei hinter Helene) scheint er mit einer Optimierungssoftware komponiert zu haben, die Allgemeingültigkeit und Individualität zu ultimativ erfolgreicher Musik verbindet.

„Shape Of You“ zum Beispiel, sein bislang größter Hit (und überhaupt global der meistverkaufte und meistgestreamte Song des Jahres 2017), hat keine komplizierte Melodie und keinen komplizierten Inhalt, ist aber durch den dezenten Einsatz von Beats und einen persönlich wirkenden Text, unter anderem über ein Date in einem chinesischen Schnellrestaurant, fesselnd genug, dass einen interessiert, was Ed da singt.

Sentimentalität, Lokalkolorit, (Pseudo)-Persönliches und Mädchen, das ist Ed Sheerans persönliche Zutatenliste. Auf die Spitze getrieben natürlich mit „Perfect“, einer Schnulze an die Liebste, mit dem Segen von Eric Clapton an „Wonderful Tonight“ gelehnte Supersingle.

Politisches vermeidet er

Kein Song war in Deutschland im ersten Halbjahr erfolgreicher als „Perfect“. Aussagen, die anecken können, etwa über Politisches, den Brexit gar, vermeidet er sowohl in seinen Liedern als auch in seinen Interviews. Und er rührt die Leute. Mit Geschichten über seine Katzen (Calippo und Dorito), seine Freundin, die Eltern, die Kumpels, den ganz manchmal zu hohen Alkoholkonsum. Ed Sheeran ist ein Typ wie du und ich, nur halt mit Hubschrauberlandeplatz im Garten und berühmten besten Freunden wie Taylor Swift oder Elton John.

Musiker Ed Sheeran in Zürich.
Musiker Ed Sheeran in Zürich. | Bild: Ennio Leanza

Er ackert aber auch für den Erfolg. Songs kann er überall schreiben, dafür hat er ein Händchen, meist geht es schnell. Sein Talent für Melodien ist außergewöhnlich, seine Begabung ein rares Gut. Eine überdurchschnittliche Emsigkeit kommt dazu. Am Anfang, mit 18, 19, spielt er 300 Konzerte pro Jahr, pennt eine Weile bei Schauspieler Jamie Foxx auf dem Sofa, als er Kontakte in Los Angeles sucht und sammelt quasi jeden seiner zig Millionen Follower bei Twitter, Instagram, Facebook und so weiter persönlich ein.

Auch jetzt gibt er sich in den sozialen Medien noch nahbar, postet etwa gern Katzenfotos oder den Lego-Bagger, den er gerade gebaut hat. Das schafft natürlich Nähe. Und er ist verdammt ehrgeizig. Will in die größten Arenen, will die meisten Plattenverkäufe. „Nur Adele ist noch vor mir“, sagte er der britischen GQ, „und wenn ich nicht sagen würde, ich will sie überholen, dann wäre ich unehrlich zu mir.“

Dass er jüngst bekundete, seine Ambitionen würden „auf null sinken“, sobald er Vater werde (was er gern bis zum 30. Geburtstag sein möchte), kann man glauben, oder auch nicht. Fakt ist: Den Titelsong für den nächsten James-Bond-Film, der Ende 2019 anlaufen soll, denn hat er schon geschrieben. Nur für den Fall.