Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) samt Staatssekretärin und Stab, dazu Wissenschaftler, Forscher, Kunsthistoriker, Außenexperten: Mit großem Tross sollen in der ersten Märzwoche bei einer einwöchigen Delegationsreise eine Bibel und eine Peitsche des namibischen Nationalhelden Hendrik Witboois nach Namibia zurückgebracht werden.
Schauplatz deutscher Schandtaten
Denn Namibia, dafür will Bauer mit der Reise ein Zeichen setzen, war nicht immer das touristische Traumziel, das es heute ist, sondern Schauplatz von Grausamkeiten deutscher Kolonialherren Ende des 19.Jahrhunderts. „Ich selbst bin mit dem in der Schule vermittelten Bild aufgewachsen, dass die Deutschen als Kolonialmacht harmlos waren", sagt Bauer. "Von Gräueltaten oder Völkermord war da nicht die Rede. Auch an diesem Bild wollen wir etwas ändern.“
Bibel und Peitsche waren vermutlich 1893 von deutschen Truppen brutal von Hendrik Witbooi, dem Anführer eines Aufstands der Nama, erbeutet worden. Seit 1902 ruhen sie fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Stuttgarter Völkerkundemuseums.
Mit der Bibel in der Hand in die Schlacht
Erst 2013 kamen Bibel und Peitsche durch ein Rückgabeersuchen aus Namibia in den Fokus, seitdem läuft der Aufarbeitungsprozess. Anfang März nun soll die Rückgabe im Rahmen eines großen Staatsakts an den namibischen Staatspräsidenten in Gibeon, dem Heimatort Witboois, erfolgen.

"In Namibia haben diese Objekte eine unfassbar hohe nationale Bedeutung", sagt Bauer. "Dort sagt man, mit der Bibel in der Hand sei der Nationalheld Witbooi in die Schlacht gegen die Kolonialherren gezogen.“ Die Rückgabe soll einerseits der Versöhnung dienen, andererseits den Startpunkt setzen für die "Namibia-Initiative" des Landes. Sie umfasst gemeinsame Projekte von baden-württembergischen Museen, Landesarchiv, Universitäten und PH mit namibischen Einrichtungen.
Klage gegen die Rückgabe
Bibel und die Peitsche sollen zunächst vom namibischen Staat verwaltet werden. Nur wenige Tage vor der Reise aber klagt nun eine Nama-Vereinigung beim Landesverfassungsgericht gegen die Rückgabe. Bauer dagegen verweist darauf, dass das Verfahren mit Witboois Nachfahren abgestimmt sei. "Dass es vor Ort keine einheitliche Haltung dazu gibt und jetzt von einer Gruppe der Nama eine Klage eingereicht wurde, ist auch Teil des Aufarbeitungsprozesses. Das Ganze reißt vor Ort Wunden auf. Es geht um das Ringen um Sichtbarkeit, Anerkennung, in manchen Fällen auch Entschädigung.“

Ob die Ministerin noch mehr der mindestens 2200 namibischen Kulturgüter im Lindenmuseum zurückbringt? "Das ist eine singuläre Situation", sagt sie. "Die persönliche Übergabe ist ein Zeichen des Respekts." Mit Namibia wäre es auch nicht getan. Im Lindenmuseum liegt noch viel mehr schwieriges Erbe: Tausende von Kulturgütern aus dem ehemaligen "Bismarck-Archipel" (Papua-Neuguinea) und aus Kamerun. Zu weiteren Reiseplänen sagt Bauer: „Wir sind am Anfang der Aufbereitung. Es werden sich sicher noch andere Projekte mit anderen Ländern ergeben. Das Ziel ist aber nicht, möglichst viel zurückzugeben, sondern gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten.“