Mehrere hundert Angestellte der Schweizer Pharmagesellschaft Idorsia werden sich bald einen neuen Job suchen müssen. Gleichzeitig haben St. Galler Spitalverbunde angekündigt, 440 Stellen zu streichen. Nur zwei Beispiele dafür, was die Schweizer aktuell umtreibt: Firmen im ganzen Land entlassen vermehrt ihre Mitarbeiter. Die „Handelszeitung“, größte Wirtschaftszeitung der Schweiz, spricht schon von einer ‚Entlassungswelle‘.

Das überrascht zunächst, wo doch – ähnlich wie hierzulande – auch in der Schweiz seit Jahren von Fachkräftemangel die Rede ist. Doch gegen Inflation und steigende Kosten ist auch unser Nachbarland nicht gefeit. Und das sind nicht die einzigen Gründe.

St. Galler Spitäler in finanzieller Not

Besonders hart trifft es die St. Galler Spitäler. Rund 440 Stellen wollen die Spitalverbunde des Kantons bis 2028 notgedrungen abbauen. Grund sei die dramatische finanzielle Lage, sagt Verwaltungsrat Stefan Kuhn. Die betroffenen Spitäler hätten zusammen ein Defizit von rund 60 Millionen Franken.

Dem soll nun ein Stellenabbau entgegenwirken. Dabei sollen sich hauptsächlich die Bereiche Verwaltung und Support verschlanken. Doch auch in der Pflege sollen Kündigungen ausgesprochen werden. Betroffen seien dort allerdings in erster Linie administrative Jobs, betont Kuhn. „Am Bett“ würden nur wenige Stellen verloren gehen.

Sinkende oder ausbleibende Nachfrage

Eines von vielen Unternehmen, das in der Schweiz einen Job-Abbau ankündigte, ist Idorsia. Die Pharmagesellschaft mit Sitz in Basel schreibt seit Jahren rote Zahlen. Grund dafür sei insbesondere eine zu geringe Produktnachfrage, wie Idorsia im Juli bekannt gab. Um „kommerziellen Erfolg zu erzielen“, müssten daher künftig bis zu 500 Stellen eingespart werden. Der Abbau beträfe vor allem Mitarbeiter in der Forschung und der Entwicklung.

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Mit fehlender Nachfrage hat auch der Winterthurer Textilmaschinenhersteller Rieter zu kämpfen. Um schwindenden Gewinnmargen entgegenzuwirken, will das Unternehmen nun bis zu 900 Stellen streichen. Betroffen davon seien vor allem Angestellte in der Produktion und der Verwaltung.

Steigende Kosten bringen Unternehmen zu Fall

Unternehmen in der Schweiz haben im Jahr 2023 mehr Angestellte gekündigt als üblich – das bestätigt auch Ralf Bopp, Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz. Gründe dafür gebe es viele, so der Experte. Verantwortlich sei beispielsweise die krisenbedingte Inflation, von der auch die Schweiz betroffen ist. „Rohstoffe und Energie sind momentan sehr teuer“, sagt der Experte. Die dadurch entstehenden Mehrkosten zwingen Unternehmen dazu, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Dazu gehöre eben auch, wo nötig, ein Stellenabbau.

Ralf Bopp ist Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz.
Ralf Bopp ist Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz. | Bild: Ralf Bopp/ Handelskammer Deutschland-Schweiz

Neben den finanziellen gibt es aber noch andere Gründe für Unternehmen, ihre Belegschaft zu verschlanken. Zum Beispiel, weil Produktionsprozesse zunehmend von Maschinen oder künstlicher Intelligenz übernommen werden können.

Die Ausnahmebedingungen während der Corona-Pandemie hätten Firmen dazu veranlasst, sich umzustrukturieren, sagt Bopp. Dazu gehöre unter anderem, Verwaltungen effizienter zu machen – oder Teile der Produktion zu automatisieren. In der Folge würde weniger Personal gebraucht.

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„Wir sehen einen Stellenabbau in der IT, in der Industrie oder in Spitälern“, sagt Bopp. Insgesamt könne er aber keine branchenbedingten Schwerpunkte feststellen.

Zahl der Arbeitslosen bleibt stabil

Der Handelskammer-Direktor hat aber auch gute Nachrichten: Die von den Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer scheinen zügig einen neuen Job zu finden. Darauf deute zumindest die stabile Arbeitslosenquote von rund zwei Prozent hin. „Außerdem werden auch ständig neue Stellen geschaffen“, merkt Bopp an. So habe das Chemie- und Pharmaunternehmen Lonza beispielsweise erst kürzlich über 100 neue Jobs in Basel geschaffen.

Deutsche haben „gleiche Chancen“ wie zuvor

Deutsche Arbeitnehmer müssten sich keine Sorgen machen, schlechtere Möglichkeiten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu haben, sagt der Experte. „Die Zahl der Grenzgänger ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Und der Fachkräftemangel besteht weiterhin. Deshalb haben deutsche Arbeitnehmer die gleichen Chancen wie davor“, versichert Ralf Bopp.