Für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg sind das denkbar schlechte Nachrichten: Der schwäbische Motorsägen-Weltmarktführer Stihl hat seine Pläne, ein neues Produktionswerk in Ludwigsburg zu bauen, endgültig beerdigt.

Schon im Oktober 2023 hatte das Unternehmen bekanntgegeben, dass das Projekt, für das mit der Stadt Ludwigsburg eine Konzeptstudie erstellt worden war und für das 2022 bereits Vorplanungen begonnen hatten, eine „unerwartet hohe Investitionssumme“ erfordern würde.

Mitte Dezember hatte dann Nikolas Stihl, Aufsichtsratschef und Enkel des Firmengründers, in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ deutlich gemacht, dass die Pläne in Ludwigsburg auf Eis gelegt seien und die Gründe dafür benannt.

Schreckensszenario 32-Stunden-Woche

„Es geht um hohe zweistellige Millionenbeträge. Dabei spielen erhebliche Energiekosten und extrem gestiegene Baukosten eine Rolle, aber auch die Unsicherheit, die sich aus den Entwicklungen in der IG Metall ergeben“, so der Unternehmer. Konkret nannte er die von der IG Metall für die Stahlindustrie geforderte 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Nikolas Stihl, der Vorsitzende des Beirats des Motorsägen- und Gartengeräteherstellers Stihl.
Nikolas Stihl, der Vorsitzende des Beirats des Motorsägen- und Gartengeräteherstellers Stihl. | Bild: Bernd Weißbrod

Die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg fürchtet, dass diese Gewerkschaftsforderung zumindest mittelfristig auch auf ihre Branche übertragen wird. Stihl hatte gesagt: „Wir investieren in Deutschland, weil wir als Familienunternehmen dem Standort eng verbunden sind und es uns noch leisten können. Wenn wir hier über eine 32-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich reden, können wir in Deutschland aber nicht mehr groß investieren. Das wäre der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

Sehr hohe Lohnkosten

Die Unternehmen beklagen seit langem die in Deutschland und auch im Südwesten im europäischen Vergleich hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie die hohe Steuern- und Abgabenlast. Dazu kommen Bürokratie, zunehmender Fach- und Arbeitskräftemangel und zuletzt deutlich gestiegene Bau- und Energiekosten.

Deutschland, so Nikolas Stihl, sei der teuerste Standort der Unternehmensgruppe, viel teuer als Österreich oder die USA. „Selbst die Schweiz ist günstiger – trotz des starken Franken“, ließ sich Stihl zitieren.

Im Februar kam nun für Ludwigsburg das endgültige Aus: Der Standort wird definitiv von Stihl nicht weiterverfolgt. „Es wurde entschieden, die Planungen zu redimensionieren und mögliche Alternativen zu prüfen.“ Als Referenz solle unter anderem die Schweiz als alternativer Standort geprüft werden, teilt das Waiblinger Unternehmen mit.

Bereits Standorte in der Schweiz

In der Schweiz produziert Stihl derzeit bereits in zwei Werken in Wil und Bronschhofen (Kanton St. Gallen) Sägeketten für den Weltmarkt, das Knowhow ist vor Ort also bereits vorhanden. „Sollte die Entscheidung für diesen Standort getroffen werden, könnte zukünftig die gesamte Schneidgarnitur für unsere Motorsägen in der Schweiz hergestellt werden“, heißt es auf Anfrage.

Ziel sei insgesamt eine realistische Planung mit einer wirtschaftlich vertretbaren Investitionssumme und einem effizienten Fertigungsbetrieb, damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gestärkt werde.

Stadt ahnte es schon

„Ja und nein“, sagt der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht auf die Frage, ob die Entscheidung von Stihl für die Stadt überraschend kam. „Einerseits hat sich das aufgrund der von Stihl gegenüber der Stadt kommunizierten Kostensteigerungen angedeutet. Schließlich wurde das Projekt eng miteinander abgestimmt, der Dialog mit Stihl war und ist sehr gut und das Verhältnis sehr vertrauensvoll.“

Am Ende sei es dann aber doch etwas überraschend gewesen, dass das Projekt ganz auf Eis gelegt wurde, so Knecht. Für den vorgesehenen Stadtteil hätte das Projekt mit weit über hundert Arbeitsplätzen und einer hochmodernen Produktion Leuchtturmcharakter gehabt und eine enorme Aufwertung bedeutet. Jetzt aber klafft im Gewerbegebiet eine Brache von 35.000 Quadratmetern. „Das Areal bleibt im Besitz von Stihl und wird zunächst stillgelegt“, teilt das Unternehmen mit.

Oberbürgermeister Knecht will sich aber noch nicht geschlagen geben. „Es wäre auch denkbar gewesen, das Projekt in etwas abgespeckter Form umzusetzen. Ich werde dazu auf jeden Fall noch einmal das Gespräch mit dem Unternehmen suchen. Wir haben dieses wichtige Projekt noch nicht aufgegeben.“ Das schmucke Barockstädtchen Ludwigsburg, mit knapp 100.000 Einwohnern im nördlichen Speckgürtel von Stuttgart gelegen, hat goldene Jahrzehnte hinter sich.

Aber als wichtiger Standort der Autozulieferer- und Maschinenbauindustrie bekommt die Stadt die Folgen von Konjunkturflaute und Transformation in der Autoindustrie voll zu spüren. Daher hat Knecht auch noch eine andere Botschaft. „Generell ist es mir wichtig, zu betonen, dass die Wirtschaftspolitik im Land und die Forderungen von Gewerkschaften die Leistungsfähigkeit und Investitionsbereitschaft unserer ansässigen Betriebe nachhaltig beeinflussen“, sagt der parteilose Oberbürgermeister.

Große Sorge beim Unternehmerverband

Eine Einschätzung, mit der er nicht alleinsteht. Man äußere sich zwar generell nicht zu Angelegenheiten von Mitgliedsbetrieben, teilt ein Sprecher von des Unternehmerverbands Südwestmetall auf die Frage mit, was die Stihl-Entscheidung über den Standort aussagt. „Aber wir beobachten mit großer Sorge, dass sich auch in Baden-Württemberg die Standortbedingungen in vielen Punkten so verschlechtert haben, dass es Unternehmen Investitionen in Zukunftstechnologien und Beschäftigung deutlich erschwert.“

Ob die Faktoren am Ende für die Schweiz sprechen, steht indes bei dem schwäbischen Motorsägen-Hersteller noch nicht fest. „Es ist bisher keinerlei Entscheidung gefallen, ob Stihl in der Schweiz investieren wird. Die Schweiz ist ein möglicher alternativer Standort, der zu gegebener Zeit ebenfalls als eine Option geprüft wird“, teilt das Waiblinger Unternehmen mit, „aber es besteht derzeit kein Entscheidungsdruck.“