Ernst Haller

Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Bürgerinitiative, aus der die Messe Friedrichshafen 1950 hervorgegangen ist. Wahrscheinlich wäre Friedrichshafen nie Messestadt geworden, wenn das Schicksal nicht den Deutschschweizer Albert Scheuermann hierher verschlagen hätte. Scheuermann kam 1941 erstmals aus Rorschach nach Friedrichshafen. Nach dem Krieg nahm er seinen festen Wohnsitz in unserer Stadt. Nach Angaben von Zeitzeugen war er ein äußerst kreativer Mensch, der ständig neue Ideen entwickelte und eine Reihe von Erfindungen machte, die er aber wegen notorischer Geldnot nur selten nutzen konnte.

Durch seine berufliche Tätigkeit als Kaufmann war Scheuermann vor dem Zweiten Weltkrieg wiederholt mit dem Messegeschäft in Basel und Frankfurt in Berührung gekommen. Als die deutsche Wirtschaft 1945 am Boden lag und die Stadt Friedrichshafen schwer zerstört war, hatte er 1948/49 die Idee, man könnte in Friedrichshafen, an der Nahtstelle dreier Staaten, einen internationalen Messeplatz schaffen. Mit der Bezeichnung „Internationale Bodensee-Messe“ (IBO) kreierte er auch gleich den Namen der zu gründenden Gesellschaft.

Vorschlag wurde zunächst nur müde belächelt

Von den meisten Zeitgenossen wurde dieser Vorschlag zunächst nur müde belächelt, bis Scheuermann schließlich in Buchhändler Gessler einen ersten ernsthaften Interessenten fand. Gemeinsam verfassten Sie 1949 einen Brief, den Sie zusammen mit Scheuermanns Messe-Exposé an Gemeinderat und Oberbürgermeister Max Grünbeck versandten. Die Reaktionen waren milde gesagt eher zurückhaltend bis ablehnend.

Tatsächlich gelang es Scheuermann den damaligen Vizepräsidenten der Industrie- und Handelskammer Ravensburg, Max Sedlmeier, für diesen „utopischen Gedanken“ zu begeistern. Sedlmeier, der damals aufgrund seiner aufrechten demokratischen Haltung während des Dritten Reiches ein hohes Ansehen genoss, gelang es schließlich, zehn weitere Persönlichkeiten als Gesellschafter zu gewinnen.

Max Grünbeck: „Machet mal, dann sehen wir weiter“

Neben ganz konkreten Vorstellungen über das Aussehen der Messe – die sich tatsächlich ein Jahr später genau so darstellte – stellte Scheuermann einen Wirtschaftsplan auf. Er ging von 400 Ausstellern und 80 000 Besuchern aus. Das Ergebnis zeigte danach, dass die Voraussagen sehr realistisch waren. Das Ziel war, die Stadt Friedrichshafen als zwölften Gesellschafter zu gewinnen, aber Oberbürgermeister Grünbeck ließ verlauten: „Machet mal, dann sehen wir weiter.“ Der Lederfabrikant Otto P.W. Hüni stieß kurz vor der Gründung der Gesellschaft als zwölfter Gesellschafter dazu. Als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung wurde der Friedrichshafener Kaufmann Max Sedlmeier gewählt.

Der schwierigste Teil bei der Firmengründung war die Bereitstellung des Stammkapitals von 2000 Mark je Gesellschafter. So kurz nach der Währungsreform verfügte kaum einer der Gesellschafter über so viel Barvermögen. Allerdings hatten sie alle Grund- und Hausbesitz in Form ihrer zerstörten Häuser, sodass die Banken bereit waren, vor diesem Hintergrund den erforderlichen Kredit einzuräumen. Der einzige, der mit einem solchen Darlehen nicht rechnen konnte und leer ausging, war der Initiator Albert Scheuermann. Ein Mann ohne Mittel war damit aus dem Spiel, allerdings brauchte er sich darüber nie zu grämen, denn an die Gesellschafter ist aufgrund der Satzung zu keiner Zeit eine finanzielle Ausschüttung erfolgt.

Zur Person

  • Ernst Haller, 1938 in Ravensburg geboren, lebt seit 1943 in Friedrichshafen. Viele Jahre war er Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen. Er ist langjähriger Elferrat und Ehrenmitglied des Vereins zur Pflege des Volkstums. Sein Interesse für Heimatgeschichte verstärkte sich nach dem Ende seiner beruflichen Karriere. Heute ist er Vorsitzender des Geschichtsvereins Friedrichshafen.
    Er ist Autor mehrerer Bücher: Fasnachtszeiten: Brauchtum von Buchhorn bis Friedrichshafen (1997), Die Geschichte des Weinbaus in und um Friedrichshafen (2005), Mühlen in und um Friedrichshafen (2010), Heimatbuch Fischbach (2014) und Alte und vergangene Gasthöfe in und um Friedrichshafen (2016). 2014 erhielt Ernst Haller den Ehrenbrief der Stadt Friedrichshafen, im Juni 2016 wurde er mit dem Kulturpreis der Kunst- und Kulturstiftung des Bodenseekreises ausgezeichnet. Im SÜDKURIER schreibt Ernst Haller in der Reihe "Häfler Geschichte(n)" über heimatgeschichtliche Themen in und um Friedrichshafen. (asa)
  • Die Serie: In loser Folge wird der SÜDKURIER ab heute exklusiv Beiträge aus der Feder von Ernst Haller veröffentlichen. In seinem nächsten Beitrag wird er das Fischbacher Strandbad in den Blick nehmen.