Lech am Arlberg, Nobelskiort, beliebt vor allem auch bei Gästen vom Bodensee und aus Baden-Württemberg, die es nicht weit haben. Die Preise steigen aber immer weiter, zuletzt steht die Gemeinde im Verdacht, sich verhoben zu haben: mit großen Investments in die eigene Schickeria und Schulden, die zu schwer wiegen für das kleine Alpendorf. Bekommen die Gäste davon etwas mit?

Sie kommen jedenfalls weiterhin zahlreich vom Bodensee, vor allem von dessen Ostseite. Viele Autos mit Kennzeichen aus Friedrichshafen, aus Überlingen, manche kommen aus Ravensburg. Und eines aus Konstanz.

Viele Gäste vom Bodensee

Das wird gerade von Andreas Sahm und Stephanie Möhrle bepackt. Er sagt: „Eigentlich wollten wir noch einkehren, atmosphärisch ist das aber nicht mehr schön hier im Ort.“ Die beiden kommen schon seit Jahren an den Arlberg, erzählen sie. Aber: „Die Preise ziehen an. Die Übernachtungskosten sind teilweise pervers“, sagt Sahm.

Und Möhrle: „Das mit dem neuen Gemeindezentrum haben wir natürlich auch verfolgt.“ Das neue Gemeindezentrum?

Moderner Holzklotz im Zentrum

Lech, etwas mehr als 1500 Einwohnerinnen und Einwohner, hat sich einen modernen Holzklotz in sein Zentrum gebaut: Veranstaltungsort und Shoppingmall mit 2500 Quadratmetern Geschäftsfläche entstehen hier für schlappe 54 Millionen Euro.

Der neue Holzklotz: Hier sollen Gemeindezentrum und Einkaufsgeschäfte entstehen – bislang fehlen aber Pächter.
Der neue Holzklotz: Hier sollen Gemeindezentrum und Einkaufsgeschäfte entstehen – bislang fehlen aber Pächter. | Bild: Jann-Luca Künßberg

Nur: Veranstaltungen entsprechender Größe sind bislang nicht geplant und noch ist kein Quadratmeter Ladenfläche verpachtet. Der Immobilieninvestor René Benko, gegen den der Staat Österreich gerade ein Insolvenzverfahren anstrengt, wollte hier ein „KaDeWe der Alpen“ errichten. Es ist ein Bauprojekt für die Klientel, mit der sich die Mächtigen in Lech wohl am liebsten identifizieren: für die Schönen und Reichen.

Hier verdienen fast alle am Tourismus

Anruf in einem Fünf-Sterne-Hotel, nachdem die schriftliche Gesprächsanfrage unbeantwortet blieb. Eine Frau hebt erstaunlich unfreundlich ab, noch bevor sie weiß, um was es geht. „Wenn die Email nicht beantwortet wurde, besteht wohl kein Gesprächsinteresse“, sagt sie.

Ein anderer Ortskundiger reagiert so: „Die Entwicklung von Lech ist für mich auch ein spannendes und wichtiges Thema, jedoch möchte ich es nicht öffentlich kommentieren.“ Warum, das sagt er nicht.

Ein Grund könnte sein, dass hier fast alle am Tourismus verdienen – da will keiner schlecht über den Ort sprechen. Solange es gut geht, geben sich die Hoteliers sendungsbewusst. Aber am eigenen Image kratzen? Kein Interesse. Das kann man verstehen.

Champagnerflaschen als Deko

Es ist viel los an diesem Donnerstag in Lech, in Süddeutschland sind Fasnachtsferien, das Wetter ist gut – Gründe für Skiurlaub gibt es genug. Auf den Tischen der Außengastronomie stehen leere Magnum-Champagnerflaschen als Deko; jeder Laden spielt seine eigene Musik, die in der zentralen Dorfstraße zu einem bassigen Klangbrei verschwimmt.

Ein Schild bewirbt die „Champagner-Gondel“ eines namhaften Prickelbrause-Herstellers – und spätestens hier muss der Reporter aufpassen, die beobachteten Details nicht zu sehr an dem so stimmig wirkenden Gesamtbild auszurichten.

Es gibt auch das andere Lech

Also auf nach Oberlech. Das geht mit Lift und Gondel, der Tagesskipass kostet für Erwachsene 75, ab mittags 57 Euro. Der Bus fährt für 1,80 Euro.

Oben angekommen gibt es dann zwei Optionen: Man kann unmittelbar am Pistenrand einkehren, hier sitzen die Leute mit Aperitif am Tresen oder liegen in Stühlen mit Blick in die Berge. Ein Typ mit Lederjacke und futuristischer Sonnenbrille legt Technomusik auf und spielt dazu Saxophon. Es ist schwer, sich hier zu unterhalten.

Bild 2: Hoch verschuldet und immer teurer: Verliert Lech am Arlberg seinen Reiz?
Bild: Jann-Luca Künßberg

Man kann aber auch in die andere Richtung weiterlaufen, auf einen der herrlichen Winterwanderwege. Dann verschallt schnell die laute Musik, es sind nur noch Freudenrufe von Kindern auf den nahen Pisten zu vernehmen. Ab und zu kommen einem Spaziergänger entgegen oder Wanderer auf Tourenski.

Schon lange Urlaubsziel für Prominente

Auch das ist Lech am Arlberg. Wer die ruhige Berglandschaft sucht, muss zwar kurz vorbei am Trubel, kann ihn dann aber bald links liegen lassen.

So auch ein älteres Ehepaar aus Stuttgart, unschwer an ihrer Mundart zu erkennen. Von den Malaisen der Gemeinde haben sie nichts mitbekommen; sie genießen hier die schneeweißen Alpen.

Sie kommen inzwischen mit dem Zug aus Stuttgart. Und sie kommen schon ewig her: Er war gerade in Lech, erzählt der Mann, als der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi zu Gast war, das war im Jahr 1966.

Der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi und Prinz Bernhard der Niederlande 1966 in Lech.
Der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi und Prinz Bernhard der Niederlande 1966 in Lech. | Bild: Oskar Spang, Stadtarchiv Bregenz

Es herrscht der Größenwahn der Männer, sagt eine Lokalpolitikerin

Lech als ein Urlaubsziel für Herrscherhäuser und besonders Wohlhabende ist kein neues Phänomen. Das Glück der guten Lage hat sich aber zu einer gewissen Erwartungshaltung entwickelt: Es habe in Lech immer der Größenwahn der Männer geherrscht und das Motto „höher, schneller, weiter“, sagte die Lokalpolitikerin Brigitte Finner der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Ein Blick auf die Pro-Kopf-Schulden des Ortes zeigt, was Finner meint: 2019 waren es 3210 Euro, im Folgejahr plötzlich 17.488. Und in den jüngsten Daten von 2022 waren es 26.526 Euro. Der Großteil geht auf das neue Gemeindezentrum zurück.

Nach der Pandemie haben sich außerdem die Übernachtungszahlen noch nicht wieder erholt. Kürzere Winter und weniger Schnee tun ihr Übriges – die Konstanzerin Stephanie Möhrle sagt auch: „Mit dem zunehmenden Klimawandel wollen wir eigentlich nicht mehr Skifahren.“ Spätestens ab mittags ist es auch im Februar zu warm für guten Schnee.

Bürgermeister ist zufrieden

Bürgermeister Gerhard Lucian ist dennoch zufrieden mit der Wintersaison. Und mit dem neuen Gemeindezentrum soll Lech künftig auch im Sommer attraktiver werden. Dass das nicht leicht wird, weiß er: „Im Sommer haben wir die ganze Welt als Konkurrenz.“

Das könnte Sie auch interessieren

Gleichzeitig möchte man aber auch für Tagesgäste aus der Region attraktiv bleiben, sagt er. Da werde es bei der Begrenzung auf maximal 14.000 Personen im Skigebiet bleiben – denn man wolle die Qualität sichern, so Lucian.

Keine Villa, nur ein Haus

Unweit des Neubaus im Zentrum erinnert das Gemeindeamt von Lech an eine beschaulichere Zeit, heute wird es wohl übersehen. Nur ein paar Meter weiter, in einer Milchglasscheibe des Holzklotzes steht: „Miteinand, für alle da“. Es klingt eher nach Wunsch denn nach tatsächlichem Gefühl im Ort.

Im Schatten des Holzklotzes steht eine kleine Pension, etwas zurückversetzt war sie in der Vergangenheit bestimmt mal ein Ruhepol. Auch hier möchte die Wirtin nicht mit der Presse sprechen. Neben ihrer Tür hängt aber ein Schild, das sich als trotzige Antwort auf die jüngeren Entwicklungen in Lech lesen lässt: „Es ist keine Villa, es ist nur ein Haus – wir lieben es trotzdem und das macht es aus!“