Dutzende von Feuern fressen sich durch die Wälder von Kalifornien, im Südosten der USA flutet der Sturm „Florence“ mehrere Bundesstaaten, in Asien tobt ein verheerender Tropensturm über den Philippinen – dramatischer hätte die weltweite Begleitkulisse zum Klimaschutzkongress Global Climate Action Summit (GCAS), der am Samstag in San Francisco nach drei Tagen zu Ende ging, kaum sein können.
Folgen der Klimaerwärmung weltweit zu sehen
Überall auf der Welt beginnen die Folgen der globalen Erwärmung dramatisch in den Alltag der Menschen einzudringen, und je mehr US-Präsident Donald Trump den Klimawandel leugnet, desto mehr formiert sich auch in den USA eine Gegenbewegung, die das Ruder herumreißen will.
Eine treibende Kraft dahinter und Gastgeber beim GCAS ist der charismatische demokratische Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, der gerade gesetzlich verankern ließ, dass Kaliforniens Stromversorgung bis 2045 komplett aus erneuerbaren Energien erfolgen soll.

Mit Eric Garcetti und Bill de Blasio, den Bürgermeistern von Los Angeles und New York City, und immer mehr anderen Akteuren ist Brown sich einig: Auch wenn Trump das Pariser Klimaschutzabkommen aufgekündigt hat, halten sie sich einfach weiter dran – „Trump is out, we are in“, wir machen weiter, sagen sie.
Kretschmann in den USA mit großem Tross auf Reisen
Mitten drin in San Francisco unter den 4500 Vertretern von Regionen, Städten, Staaten und Unternehmen aus über 50 Nationen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), derzeit mit großem Tross aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf Delegationsreise in den USA und Kanada unterwegs. Kretschmann verbindet eine tiefe Wertschätzung mit dem zehn Jahre älteren Brown, der vor knapp einem Jahr bei einem Besuch im Stuttgarter Landtag einen fulminanten Redeauftritt hinlegte.
Pakt „Under2“ ein Erfolg?
Gemeinsam hatten Brown und Kretschmann im Mai 2015 in Kalifornien den Pakt „Under2“ aus der Taufe gehoben. Dessen insgesamt zwölf Gründungsmitglieder verpflichteten sich zu Maßnahmen, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu beschränken – so der Name des Pakts, „Under2“. Aus dem Gründungsdutzend sind am Samstag nach dem GCAS-Klimaschutzgipfel stolze 220 Mitglieder geworden, die für 1,3 Milliarden Menschen und 40 Prozent der Weltwirtschaft stehen, auch 17 US-Bundesstaaten sind darunter. „Da kann man schon ein bisschen stolz darauf sein“, sagt Kretschmann, und für ihn ist dieser immense Erfolg ein Beweis dafür, dass „auf subnationaler Ebene viel gemacht werden kann“.
Was der grüne Regierungschef und seine Landesminister aus dem Umwelt-, Verkehrs- und Wissenschaftsministerium in Kalifornien mit Anerkennung und auch ein bisschen Neid registrieren: So geht es also, wenn Amerikaner ein Thema anschieben wollen. Groß, größer, gigantisch.
Riesenshow vor großem Publikum
Mit einer emotionalen Riesenshow vor jubelndem Publikum, Chefs von milliardenschweren Weltkonzernen, Promis und großen Namen wie Al Gore, Michael Bloomberg, Harrison Ford, Robert Redford, Schimpansen-Forscherin Jane Goodall oder Arnold Schwarzenegger, mit Regionalpräsidenten und Bürgermeistern aus Metropolen wie Los Angeles, Paris oder Kopenhagen, mit dramatischen Filmeinspielern, öffentlichen Bekenntnissen und Live-Gesangseinlagen.
„Da geht es darum, das Herz zu rühren, bei uns würde sich ja keiner trauen, so was zu machen“, sagt Umweltminister Franz Untersteller und sinniert darüber, wie wohl ein Auftritt von Helene Fischer bei einer Klimaschutzveranstaltung in Deutschland ankommen würde. „Bei uns stünden da nur der Nabu und der BUND, hier sind die CEOs von Weltfirmen dabei.“
So verspricht etwa der Chef des europäischen Stromriesen EdF, Jean-Bernard Lévy, seinen Konzern bis 2050 CO2-neutral zu machen, auch die Chefs der US-Kaffeekette Starbucks und des US-Cloudriesen Salesforce geben, wie viele andere auch, auf dem Gipfel ihre Programme zum Klimaschutz bekannt.
Für Fraunhofer-Direktor Markus Wolperdinger, Mitglied der baden-württembergischen Wissenschaftsdelegation, ein starkes Signal: „Ich finde es beeindruckend, dass der Klimawandel von Stakeholdern ernstgenommen wird und die Chefs von Konzernen mit Milliardenumsatz ankündigen, klimaneutral zu werden.“ Und Reinhard Bösl, Vorstandsmitglied des Waldshuter Sensorenherstellers Sick, sieht in den Klimaschutzzusagen der Unternehmen „ein gewaltiges Konjunkturprogramm – und zwar eines, das keine staatlichen Hilfen braucht.“
Boris Palmer leuchtet in Blau
Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der auf der von Baden-Württemberg in San Francisco ausgerichteten Veranstaltung zum kommunalen Klimaschutz im leuchtend azurblauen Anzug als auffälliger Markenbotschafter das Programm „Tübingen macht blau“ vorstellt, kommt ins Schwärmen: „Hier herrscht so ein Spirit, da entsteht was ganz Großes. Hier wird einfach gemacht, und es werden Gedanken umgesetzt, für die wir vor 15 Jahren noch ausgelacht wurden.“ Kretschmann nimmt als Botschaft mit, dass die Wirtschaft zu Hause mit ins Boot geholt werden muss: „Der Klimawandel ist kein Fake, sondern ein Fakt. Aber Klimaschutz schafft Arbeitsplätze und es kann viel Geld damit verdient werden.
Da muss man jetzt einfach mal Mut haben und Geld in die Hand nehmen.“ Bei all dem Aufbruchsspirit in Sachen globalem Klimaschutz, der in San Francisco auch weite Teile der Landesdelegation erfasste, mochte wohl keiner aus der Regierungsmannschaft daran denken, wie schwer sich die grün-geführte Landesregierung zu Hause damit tut, viel, viel kleinere Brötchen in Sachen Klimaschutz oder Luftreinhaltung zu backen und wie wenig speziell die heimische Automobilwirtschaft zu irgendeinem Zugeständnis überredet werden kann. Zwischen Neckartor und Golden Gate Brücke liegt halt doch ein ganzer Ozean.
Bündnis der Regionen
Baden-Württemberg hat mit Kalifornien 2015 ein internationales Bündnis für den Klimaschutz ins Leben gerufen. In der „Under2 Coalition“ verpflichteten sich Bundesland und Bundesstaat im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Paris, selbst mit konkreten Maßnahmen voranzugehen, um Treibhausgase zu reduzieren. Die Initiative zählt mittlerweile mehr als 200 Partner auf sechs Kontinenten – damit repräsentiert das Bündnis rund 1,3 Milliarden Menschen aus über 40 Nationalstaaten und rund 40 Prozent der Weltwirtschaft auf sechs Kontinenten. Allein diese Woche traten am Rande des „Global Climate Action Summit“ in San Francisco 16 neue Mitglieder bei – etwa Japan und der US-Staat Hawaii. Zielvorgabe der Bundesstaaten, Länder, Regionen und Kommunen ist es, den Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur zu begrenzen. (dpa)