Ein grauenhafter Vorfall erschüttert Frohnstetten. Ein von einem Nachbargrundstück entlaufener Hund der Rasse Kangal tötete am Dienstagabend kurz vor 20 Uhr eine 72 Jahre alte Passantin. Aufgeschreckt durch die Schreie der Frau alarmierte eine Nachbarin per Notruf die Polizei, die nach übereinstimmenden Aussagen aber erst eine gute halbe Stunde später am Tatort eintraf. Das Polizeipräsidium Konstanz weist diese Darstellung zurück. Pressesprecher Markus Sauter: "Der Alarmruf ging um 20.09 Uhr ein, um 20.14 Uhr machte sich die erste Streifenbesatzung auf den Weg und war um 20.26 Uhr vor Ort."

Die Rettungssanitäter und der Notarzt konnten erst eingreifen, nachdem der Hund von seinem Opfer abgelassen hatte und auf das Grundstück seiner Besitzerin zurückgekehrt war. Dieser Hund wurde von einem Polizeibeamten erschossen. Die beiden anderen Hunde, die sich ebenfalls auf dem Grundstück befanden, mussten von zwei Jägern erlegt werden, damit die Beamten das Haus gefahrlos betreten konnten. Die Besitzerin kehrte erst gegen Mitternacht zurück.

Nachbarn üben scharfe Kritik an den Behörden

Laut Polizeibericht hatte sie das Grundstück und die Tiere bereits am Morgen um 7 Uhr verlassen. Im Einsatz waren neben den Streifenwagenbesatzungen auch zwei Polizeihundeführer und ein Rettungshubschrauber. Außerdem wurden Grundstück und Tatort von den Feuerwehrkräften aus Frohnstetten und Stetten ausgeleuchtet. Die Polizeibeamten konnten nicht ausschließen, dass sich die Besitzerin im Haus befindet. Um das Gebäude gefahrlos betreten zu können, wurden die beiden anderen Hunde auf Bitten der Polizei von örtlichen Jägern erschossen. Inzwischen üben Nachbarn scharfe Kritik an den Behörden.

 

Tödliche Hundeattacken in den vergangenen Jahren

  • März 2017
    Zwei Rottweiler und ein Boxer greifen nahe Lübeck (Schleswig-Holstein) ein acht Jahre altes Mädchen an. Die Mutter kann das schwer verletzte Kind in Sicherheit bringen.
  • Juni 2016
    Drei Boxermischlinge gehen in Leipzig (Sachsen) auf einen 80-Jährigen los und verletzen ihn bei einem Spaziergang schwer an Kopf und Beinen.
  • September 2014
    Im Schwarzwald fällt eine 57 Jahre alte Frau dem eigenen Hund zum Opfer. Der Australian-Shepherd-Schäferhund-Mischling geht zu Hause auf die Frau los und verletzt sie tödlich.
  • Dezember 2011
    Ein zwei Wochen altes Mädchen wird in Schmallenberg (NRW) von einem Husky-Mischling in der elterlichen Wohnung totgebissen.
  • Mai 2010
    In Sachsenburg (Thüringen) greifen vier Staffordshire Bullterrier ein kleines Mädchen an und beißen es zu Tode. Die Urgroßmutter, die das Kind schützen wollte, wird schwer verletzt.
  • Juli 2006
    Eine 92-Jährige verblutet nach einer Kampfhund-Attacke bei Stendal (Sachsen-Anhalt). Bei einem Biss in den Oberarm durchtrennte der American Staffordshire Terrier eine lebenswichtige Arterie.
 

Der Tatort ist ein beschaulicher Fußgängerverbindungsweg zwischen der Amerikastraße und dem Dorfkern von Frohnstetten. Er wird gerne als Abkürzung benutzt. Direkt an diesem Weg liegt das Anwesen der Hundehalterin. Das Grundstück ist nur durch einen rund einen Meter hohen Holzlattenzaun von dem Weg getrennt. Zumindest ein Hund, so berichten Nachbarn, sei immer angekettet auf dem Grundstück gelegen. Das bestätigt auch Ortsvorsteher Johann Seßler: "Ich bin erst vor wenigen Tagen den Weg entlang gegangen und wurde von dem Hund mit gefletschten Zähnen beobachtet."

Dass die Helfer überhaupt zu der Frau kamen, ist nach Angaben des Ortsvorstehers einem der örtlichen Jagdpächter zu verdanken. Er habe mit der Pistole im Anschlag die Helfer begleitet, um sofort handeln zu können, wenn der Hund aufgetaucht wäre und auch die Rettungskräfte bedroht hätte. Dazu kam es nicht. Für die Frau kam aber jede ärztliche Hilfe zu spät, sie erlag noch an der Unfallstelle ihren schweren Bissverletzungen im Kopf- und Nackenbereich.

Nachbar: Schon mehrfach Beschwerden über Hundehalterin

Wie der Nachbar, dessen Freundin die Einsatzkräfte alarmierte, im SÜDKURIER-Gespräch sagte, habe die 43 Jahre alte Hundehalterin ihm gegenüber schon vor einiger Zeit angekündigt, Welpen züchten und verkaufen zu wollen. Es habe, so der Nachbar, in der Vergangenheit schon mehrfach Beschwerden aus der Nachbarschaft über die Frau und ihre Tierhaltung gegeben. Geändert habe sich allerdings nichts.

Unter anderem hat sich, wie Bürgermeister Maik Lehn bestätigt, das Veterinäramt um die Hunde- und Katzenhaltung gekümmert. Bei einer Kontrolle vor Ort seien die Fachbeamten aber zu der Erkenntnis gekommen, dass tierschutzrechtlich alles in Ordnung sei.

Dieser Einschätzung der Veterinäre kann der Nachbar, selbst Hundebesitzer, nicht folgen. Die Katzenstreu sei lange Zeit im Garten in einem bis zu einem Meter hohen Hügel abgelegt worden. Es habe fürchterlich gestunken. Erst auf massive Beschwerden eines anderen Nachbarn sei die stinkende Katzenstreu beseitigt worden. Der Nachbar kann sich nicht vorstellen, dass eine Hundehaltung auf einem derartigen Untergrund auf einem kleinen Grundstück artgerecht sein soll. Wegen des Betriebsausflugs des Landratsamt war von der Veterinärbehörde am Mittwoch keine Stellungnahme zu bekommen.

 

Hintergrund: Die Hunderasse Kangal

Ein Kangal in einem Käfig (Symbolbild)
Ein Kangal in einem Käfig (Symbolbild) | Bild: Andrea Warnecke (dpa-tmn)
Kangals kommen ursprünglich aus der Türkei. Nach Darstellung des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) sind die Tiere vor allem Herdenschutzhunde, das heißt, sie sollen zum Beispiel Schafe vor Wölfen schützen. In Deutschland sei die Rasse schon recht verbreitet, sagte eine Sprecherin beim VDH. Durch das vermehrte Vorkommen von Wölfen in Deutschland könnte ihre Zahl möglicherweise noch ansteigen. Die großen Hunde mit oft hellem Fell und dunkler Schnauze seien vom Charakter her sehr selbstständig. Sie gelten aber auch als ruhig und unaufgeregt.

Gefährlich seien sie grundsätzlich nicht; nötig sei aber genügend Vorwissen, um sie gut halten und auch sozialisieren zu können, hieß es. Dagegen stufen zwei Bundesländer - Hamburg und Hessen - den Kangal und auch Kreuzungen als gefährlich ein.

So heißt es beispielsweise im Hamburger Hundegesetz, die Gefährlichkeit werde vermutet, solange der zuständigen Behörde nicht für den einzelnen Hund nachgewiesen werde, dass dieser keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweise. In Hessen dürfen gefährliche Hunde nur gehalten werden, wenn Besitzer eine Erlaubnis der Behörden haben. (dpa)