„Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino“. Diese Reklame ist nicht neu. Genauer gesagt: Für Waldshut wurde sie bereits am 26. November 1927 Wirklichkeit: Da eröffnete im Hinterbau der Alten Post in der Waldshuter Kaiserstraße die Albrecht-Lichtbühne: Gezeigt wurde an diesem Tag der Stummfilm „Casanova“, musikalisch begleitet von der Waldshuter Stadtmusik. Initiator war damals Konditormeister Adolf Albrecht, der zusammen mit seiner Frau Paula nicht nur das Kaffee Albrecht führte, sondern auch die Albrecht-Lichtbühne gründete. Mit ihnen begann eine Familientradition, die in der Region Kinogeschichte schrieb und heute in dritter Generation von den beiden Enkelinnen Ursula Albrecht und Monica Albrecht-Maier weitergeführt wird.
Wächst man da automatisch hinein? Ursula Albrecht lacht: „Ich war von Anfang an von dem Medium Film begeistert und bin nach einer kaufmännischen Ausbildung bereits mit 18 Jahren in die Firma eingestiegen.“ Und sie erzählt, wie nach dem frühen Tod des Großvaters seine Frau Paula und eine Großtante das Kino übernahmen und bereits 1937 ein zweites Kino eröffneten – das „Ali-Kino“ in Tiengen. Was im Dritten Reich lief, weiß sie nicht, nur dass nach dem Krieg während der französischen Besatzung für die Franzosen hier Unterhaltungsfilme gezeigt wurden. Und dass ihr Vater Werner – nach Kriegsdienst und russischer Gefangenschaft – ab 1950 mit seiner Mutter Paula und später auch mit seiner Frau Lotte zusammen die Lichtspiele leitete.
„Da begann ja der Riesen-Kino-Boom!“, erklärt Ursula Albrecht rückblickend. Die Menschen waren ausgehungert und suchten Abwechslung. Und es gab ja noch kaum Fernsehen. Also wurde ein Kinobesuch zum Familienereignis: Man machte sich fein wie zu einem Theaterbesuch, sogar mit Hut und Handtäschchen: „Es war einfach schick, dabei zu sein.“ Zu den beliebtesten Filmen zählte leichte Unterhaltung, etwa Heimatfilme wie „Schwarzwaldmädel“ oder „Im weißen Rössl“, später dann „Sissi“, „Ein Herz und eine Krone“, „Ich denke oft an Piroschka“ oder „Die Brücke am Kwai“. Heimatfilme waren der Renner, später kamen als Straßenfeger Edgar Wallace-Filme dazu.
Auch in Kinderfilme wie „Das doppelte Lottchen“ oder „Heidi“ ging damals die ganze Familie. Erst ganz allmählich begann auch die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, etwa mit dem Antikriegsfilm „Die Brücke“. Ursula Albrecht erinnert sich: „All diese Filme liefen auch hier in Waldshut. Täglich wurden 400 bis 500 Plätze verkauft. Und sehr beliebt war auch die 15-minütige Wochenschau im Vorspann. Wir bekamen immer nur eine einzige Kopie, also mussten wir Mädchen vor jeder Vorführung von Kino zu Kino sausen, um sie hinzubringen. Alle Kinos begannen darum zu unterschiedlichen Zeiten.“ Anfangs nach dem Krieg wurde auch schon mal mit Briketts oder Zigaretten statt mit Geld bezahlt. Aber die Preise waren überhaupt noch sehr günstig: „Man bezahlte zwischen 40 Pfennig und zwei Mark, je nach Sitzplatz“, so Albrecht.
Dieser Kino-Boom führte dazu, dass die Firma Albrecht-Lichtspiele in den 50er Jahren weitere Kinos eröffnete: in Blumberg, Lauchringen, gleich drei in Rheinfelden und die Bernhalde in Waldshut. „Wir hatten zusammen mehr als 2000 Sitzplätze. Damals ging so ziemlich alles – Heimatfilme, Gruselfilme und große Gefühle.“ Sie lacht: „Kino lockte alle, und die Farbqualität wurde immer besser. Die Jugend ging natürlich auch ins Kino, um endlich mal ohne Aufsicht zu schmusen.“
Dieser Boom ging bis zum Ende der 60er Jahre. Dann begannen fürs Kino schlechte Zeiten: Alle hatten eigene Fernseher und sahen Videos oder später DVDs. „Wir konnten nur überleben, weil wir auch mal Porno- oder Karatefilme zeigten.“ Was gab es an technischen Umbrüchen? „Der größte Umbruch war 2013 die Umstellung auf Digitalisierung und auf 3D. Da konnten wir viel mehr Filme ins Sortiment nehmen und auch länger zeigen. Aber schon vorher wurden in den 80er Jahren Dolby-Lautsprecher eingebaut oder für den Film 'Erdbeben' extra Verstärker geliehen.“
Die Familien-GmbH ging nach dem Tode des Vaters an die beiden Töchter. Viele der früheren Kinohäuser sind heute vermietet, seit dem Jahr 2014 besitzen sie nur noch die beiden Kinos Bernhalde und Ali in Waldshut. Um deren Existenz macht sich Ursula Albrecht keine Sorgen: „2015 war wieder ein richtiger Boom. Wir hatten tolle Filme und 30 Prozent mehr Besucher. Auch die Filmnächte 2016 waren mit Unterstützung des Werbe- und Förderungskreises wieder ein großer Erfolg.“
Und sie fasst zusammen: „Heute muss mehr Event sein. Kino muss Neues zeigen. Auffällig ist die größere Anzahl von Frauen, und dass mehr Cliquen ins Kino kommen.“ Was sie dagegen stört, sind die vielen Auflagen und Vorschriften der Verleihfirmen. Ungewiss ist auch, ob eine der vier Töchter die Firma in vierter Generation weiterführen wird: „Aber jetzt wird erst mal im nächsten Jahr unser 90-jähriges Bestehen gefeiert!“ Wahrlich eine Erfolgsgeschichte mit Tiefen und Höhen.
Zur Person
Ursula Albrecht leitet heute zusammen mit ihrer Schwester Monica Albrecht-Maier die Firma „Albrecht-Lichtspiele“ in dritter Generation. Die gebürtige Waldshuterin wuchs in Rheinfelden auf, ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Ursula Albrecht, vor der Reklame zum Film „Pets“, leitet heute mit ihrer Schwester Monica Albrecht-Maier die Firma „Albrecht-Lichtspiele“ in dritter Generation. Die gebürtige Waldshuterin wuchs in Rheinfelden auf, ist verheiratet und hat zwei Töchter.
| Bild: Rosemarie Tillessen
"Ein Filmriss war gefährlich "
Interview mit dem früheren Filmvorführer Albert Saub (68). Er hat von 1978 bis 2013 in Waldshut die Filme der "Albrecht Lichtspiele" eingelegt. Sein Beruf ist seit der Digitalisierung ausgestorben.
Trauern Sie Ihrem Beruf nach?
Ja, hundertprozentig! Das war mein Metier und eine große Herausforderung.
Was war früher anders als heute?
Für die analoge Technik brauchten wir eine andere Beleuchtung mit Kohlestäben. Da musste man oft korrigieren. Pro Film gab es fünf bis sechs Filmrollen. Die mussten auf zwei Projektoren immer so eingelegt werden, dass die Zuschauer den Übergang nicht merkten. Das verlangte viel Geschick. Ein Problem war auch der Staub. Da konnte ein Film schon mal "verregnet" ausschauen. (Lacht) Beschwipst durfte man bei dieser Tätigkeit nicht sein! Und man durfte den Vorführraum nie verlassen.
Was konnte schief gehen?
Ein Filmriss war gefährlich. Das geschah leicht bei dem früheren Material Triacetat. Das war der pure Adrenalinstoß. Zur Vorsicht lag immer ein Tesastreifen parat.
Was machen Sie heute?
Ich bin zweimal in der Woche immer noch dabei, zum Filme Einlegen, aber auch sonst für Hausmeisteraufgaben. Und jetzt kann ich endlich auch mal die Filme anschauen, die gerade laufen. Das ging früher nie.
Damals und heute
- Unsere Serie: In der großen Serie „Gedächtnis der Region“ widmet sich der SÜDKURIER in seinem Lokalteil dem Wandel am Hochrhein, am Bodensee und im Schwarzwald in den vergangenen Jahrzehnten. In Bildpaaren aus historischen und aktuellen Aufnahmen zeigt unsere Zeitung, wie sich das Gesicht der Region und mit ihm das Leben verändert hat.
- Ihre Bilder und Geschichten: Unsere Zeitung sucht historische und außergewöhnliche Bilder vom Leben in den Dörfern und Städten, von Festen, Vereinen und Arbeitsplätzen.
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