Die Gaspreise werden ab Herbst für alle massiv steigen – ob Bestands- oder Neukunde. Mit der Ankündigung der Bundesregierung, den Gaskonzernen die Weitergabe der höheren Einkaufspreise an die Kunden zu erlauben, rollt eine saftige Preiserhöhung auf die Abnehmer zu. Doch wie ist das rechtlich begründet? Und was müssen Verbraucher darüber wissen? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Welche Stufen gibt es beim Notfallplan Gas eigentlich?

Es gibt drei Eskalationsstufen – die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe. Aktuell gilt die Alarmstufe. Eine Feststellung der Bundesnetzagentur über eine erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland liegt derzeit noch nicht vor.

Was gilt rein rechtlich aktuell noch?

Noch müssen sich die Gasanbieter an die geschlossenen Verträge und darin enthaltenen Preisgarantien halten. Preiserhöhungen sind nicht erlaubt, so lange der Vertrag noch läuft. Preiserhöhungen dürfen in diesem Fall abgelehnt werden, der Verbraucher ist nicht verpflichtet, sie anzunehmen.

Wie soll das Gesetz geändert werden?

Nach Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes kann die Bundesnetzagentur die Feststellung treffen, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland vorliegt. Dazu muss aber die sogenannte Alarmstufe oder Notfallstufe ausgerufen worden sein, letzteres ist aber nicht der Fall.

Wird eine Gasmangellage festgestellt, dürfen die Energieversorgungsunternehmen, die Gas teurer einkaufen müssen oder mit weniger Gas arbeiten müssen, ihre Preise auf ein angemessenes Niveau anpassen. Das heißt, höhere Kosten, die in der gesamten Lieferkette anfallen, dürfen an den Endverbraucher weitergegeben werden.

Die Gasrechnung könnte im kommenden Winter deutlich höher ausfallen: Das zumindest lässt eine Gesetzesänderung erahnen, die die ...
Die Gasrechnung könnte im kommenden Winter deutlich höher ausfallen: Das zumindest lässt eine Gesetzesänderung erahnen, die die Bundesregierung derzeit vorbereitet. | Bild: Bernd Weißbrod

Eine Alternative wäre Paragraf 26: Demnach ist die Bundesregierung berechtigt, eine Verordnung auf den Weg zu bringen, wonach die höheren Preise über eine Umlage an die Verbraucher weitergegeben werden dürfen. Die Höhe der Umlage errechnet die Bundesnetzagentur. Betreffen würde sie alle.

Welche Regelung wird voraussichtlich kommen?

Die Verbraucherzentrale geht nicht davon aus, dass Paragraf 24 genutzt werden wird, weil er eine erhebliche Mehrbelastung für Verbraucher bedeuten würde und die Lasten ungleich verteilen würde.

Bei Paragraf 26 legt die Bundesnetzagentur eine Umlage fest, ähnlich der EEG-Umlage, die dann aber auch für alle gilt. Das könnte ein Vorteil sein, weil die Last dann auf vielen Schultern verteilt wird, so dass die Erhöhung für den einzelnen Verbraucher nicht so massiv ausfallen würde, erklärt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklärt, wie sich der Energiemarkt entwickeln wird.
Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklärt, wie sich der Energiemarkt entwickeln wird. | Bild: Wolfram Scheible

Was bedeutet das für die Kosten?

Energieexperte Bauer geht davon aus, dass unter Paragraf 26 die Umlage eine nur geringe Teuerung für Verbraucher bedeuten könnte: „Dann kommen wir vielleicht wirklich mit ein paar Cent weg.“ Wie hoch die Umlage sein wird, ist aber noch nicht bekannt, voraussichtlich dürfte die Bundesnetzagentur Ende August eine Aussage dazu treffen, glaubt der Experte.

Größere Härten würden die Verbraucher unter Paragraf 24 erwarten. Denn dann wäre eine gesetzliche Prüfung deutlich schwieriger, es gäbe Raum für künstliche Preiserhöhungen seitens der Unternehmen, um ihre Gewinne zu erhöhen. Auch deshalb glaubt der Experte, dass Paragraf 24 keine Anwendung finden wird.

Ab wann und wie lange wird die Ausnahmeregelung gelten?

Noch gibt es diese Verordnung für eine sogenannte salidierte Preisanpassung nicht. Voraussichtlich ab Oktober dürfen die tatsächlichen Preise an die Kunden weitergegeben werden. Gelten darf sie maximal zwei Jahre.

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Muss mein Energieversorger mich vorab über die Preisänderung informieren?

Ja. Eine Preisanpassung muss allerdings nur eine Woche vor Eintritt der Änderung mitgeteilt werden. Bei den bisherigen gesetzlichen Regelungen hat der Verbraucher noch sechs Wochen Zeit, um sich einen neuen Anbieter zu suchen, wenn er die Preissteigerungen nicht hinnehmen will. Die Verkürzung bemängelt die Verbraucherzentrale: „Für Laien ist es nahezu unmöglich, in so kurzer Zeit eine preiswertere Alternative zu finden“, sagt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, zuständig für den Bereich Bauen, Wohnen und Energie.

Wie kann ich prüfen, ob mein Energieversorger nicht mehr als die entstandenen Kosten auf mich abwälzt?

Nach Angaben der Bundesregierung soll überwacht und sichergestellt werden, dass die Energiekonzerne die Umlage nicht dazu nutzen können, ihre Gewinnmarge zu vergrößern. Wird Paragraf 26 genutzt, veröffentlicht die Bundesnetzagentur ohnehin die Kosten. Die Preise sind dann festgelegt.

Schwieriger würde es bei Paragraf 24 – dann müsste der Staat eine Lösung finden, um zu verhindern, dass die Weitergabe ausgenutzt wird und der Verbraucher noch stärker belastet wird.

Kann ich den Vertrag dann vorzeitig beenden?

Ja. Kunden haben bei einer solchen Preisanpassung ein Sonderkündigungsrecht. Allerdings müssen Verbraucher ob der kurzen Zeitspanne sehr schnell reagieren. Binnen einer Woche einen neuen Vertragspartner zu finden, dürfte kaum möglich sein. Verbraucher würden also in die Grundversorgung rutschen – wo die Tarife möglicherweise nicht besser sind.

Wie groß ist die Chance, günstigere Anbieter zu finden?

Das ist schwer zu sagen und von der Region abhängig. Manche Grundversorger bieten noch Sondertarife für ihre Kunden an, andere nicht mehr. Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 helfen bei der Suche aber nicht mehr, warnt Verbraucherschützer Bauer. Zum einen, weil die Portale Grundversorger oft gar nicht anzeigen, zum anderen, weil die Auswahl der Energieanbieter stark abgenommen hat: Mehr als 40 Energieanbieter haben seit dem vergangenen Jahr ihr Geschäft eingestellt oder sind insolvent gegangen.

Tarife vergleichen lohnt sich aber nach wie vor, glaubt Bauer. Die Suche nach einem passenden Anbieter müsse aber selbst geleistet werden, durch das Prüfen der einzelnen Angebote der Energieversorger in der Region – unabhängig von Vergleichsseiten.

Wird sich der Energiemarkt wieder normalisieren?

Jein. Energieexperte Bauer glaubt nicht, dass die Preise noch einmal so tief sein werden wie im vergangenen Jahr. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Bundesrepublik auch im Fall eines Endes der Ukrainekrise kaum zu einem Abhängigkeitsverhältnis von Russland in Sachen Gas und Öl zurückkehren wird. Andere Länder wie Norwegen, aber auch die Beneluxstaaten, werden künftig eine größere Rolle spielen. Die dortige Energie war aber immer schon teurer. Durch die stärkere Nachfrage steigen die Preise weiter.

Hinzu kommt: In diesem Jahr haben viele Kunden noch Bestandsschutz laufender Verträge genossen, die oft auf zwei Jahre abgeschlossen werden. Das wird sich kommendes Jahr ändern. Die Preise werden dann angeglichen, die Energie für alle insgesamt teurer. Die eigentlichen Preissteigerungen könnten also im Winter 2023/2024 erst noch auf uns zukommen, warnt Bauer.

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