Bloß kein Ibuprofen, und ASS ohnehin nicht, dafür aber Paracetamol. Nicht nur im Netz kursieren derzeit allerlei Gerüchte, was den Einsatz von Schmerzmitteln bei Covid-19 und ihrem Einfluss auf das Immunsystem angeht. Ein australisches Forscherteam hat sich daher näher mit diesem Thema beschäftigt und jetzt eine Studie dazu vorgelegt.
Paracetamol gehortet
Christina Abdel-Shaheed von der University of Sydney fiel schon zu Beginn der Corona-Pandemie auf, dass die Menschen in ihrer Umgebung Paracetamol horteten, um gegen den Infekt gewappnet zu sein.

In Italien setzte man derweil auf Ibuprofen, während umgekehrt der Gesundheitsminister in Frankreich ausdrücklich davon abriet. Als Grund nannte der Minister Einzelfälle – eine Handvoll Jugendlicher, deren Covid-19-Symptome sich nach der Einnahme des Schmerzmittels deutlich verschlimmert hätten.
Ob da ein kausaler Zusammenhang bestand, wurde von dem Krankenhaus, in dem die Patienten lagen, als spekulativ bezeichnet – doch da war es schon zu spät. Seitdem geistert Ibuprofen in den sozialen Medien als kontraproduktives Medikament für die Covid-19-Therapie herum.

Solche Berichte brachten die australische Schmerzforscherin dazu, mit ihrem Team 170 Studien zu analysieren, die zum Thema Immunsystem und Schmerzmittelkonsum vorliegen. Die Ergebnisse sind erstaunlich. „Mit vielem davon haben wir nicht gerechnet“, so Abdel-Shaheed.
Nutzen und Risiken von Schmerzmitteln bei Corona
So scheinen einige der Schmerzmittel mit dem Immunsystem zusammenzuarbeiten, um Infekte zu bekämpfen. Andere arbeiten dagegen und erhöhen dadurch das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Zu ihnen gehören vor allem die in der Krebsbehandlung häufig eingesetzten Morphine.
Morphine unterdrücken wichtige Teile des angeborenen Immunsystems, die weißen Blutkörperchen werden teilweise sogar regelrecht in den Selbstmord getrieben, in die so genannte Apoptose. Was, wie Abdel-Shaheed betont, umso schwerer wiegt, insofern Krebspatienten ohnehin schon zu den besonderen Risikogruppen der Covid-19-Pandemie gehören.
Zweiter Booster für Krebspatienten ratsam
Da wäre möglicherweise der Wechsel auf ein anderes Opioid – vielleicht in Kombination mit einem nicht-opioiden Schmerzmittel – eine Option. Außerdem sei die schmerzmittelbedingte Infektanfälligkeit der Krebspatienten ein weiteres Argument dafür, dass gerade sie sich durchimpfen und nach dem ersten noch einen zweiten Booster geben lassen sollten. Wobei man bei der Impfung ebenfalls den Schmerzmittelkonsum im Blick haben sollte.
Griff nach Schmerztabletten
Paracetamol und Ibuprofen können Antikörperreaktion auf Corona Impfung dämpfen
„Einige Studien haben gezeigt, dass Paracetamol und Ibuprofen die Antikörperreaktion auf die Impfung tatsächlich verringern können“, berichtet Shaheed. Was nicht weiter verwundern darf. Denn wie bei einer Infektion, so kommt es auch bei einer Impfung zu einer Entzündung, und die gehört zu den typischen Zielen von Schmerzmitteln, die auch als Fiebersenker eingesetzt werden.
Keine präventive Einnahme von Paracetamol, Ibu & Aspirin gegen Corona
Shaheeds Rat daher: Sofern die Nebenwirkungen der Impfung erträglich sind, auf diese Mittel verzichten, und präventiv sollte man sie schon gar nicht nehmen. „Der Körper soll ungestört seine Arbeit machen und eine Immunantwort aufbauen können“, so die Schmerzforscherin.
Für Acetylsalicylsäure (ASS), einen anderen bekannten Entzündungshemmer, wäre ein ähnlicher Dämpfeffekt auf die Impfung denkbar, doch bislang fehlen verlässliche Daten dazu.
Besser belegt ist da schon, dass sie – sogar wenn sie nur in geringer Dosis zur Blutverdünnung und Infarktprävention genommen wird – dabei hilft, besser durch eine akute Covid-19-Infektion zu kommen. Das bekannteste ASS-Präparat ist Aspirin.
Blutverdünner ASS senkt Risiko für schweren Corona Verlauf
Ein US-Forscherteam hat den Krankheitsverlauf von 98 akuten Covid-19-Patienten, die „Low dose-ASS“ (knapp 100 mg) bekamen, mit dem von 314 unbehandelten Patienten verglichen. Das Ergebnis: Wer mit dem Blutverdünner behandelt wurde, hatte ein um knapp 30 Prozent geringeres Risiko für eine Einweisung in die Intensivstation und dort ein ähnlich verringertes Risiko für eine mechanische Beatmung. Und das, obwohl er eigentlich eine viel schlechtere Prognose hatte.
Denn wer ASS als Blutverdünner einnimmt, macht dies ja nicht ohne Grund. „Solche Patienten leiden häufiger an erhöhtem Blutdruck und Diabetes sowie Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, betont Studienleiter Jonathan Chow von der University of Maryland School of Medicine. Aber dank ihrer Low-Dose-ASS hätten sie trotzdem bessere Chancen auf einen milden Covid-19-Verlauf als andere.
Schwere Nebenwirkungen bei Indometacin
Sollte also während der aktuellen Pandemie jeder das Mittel einnehmen? Also auch dann, wenn er es sonst gar nicht braucht? Anästhesiologe Chow rät davon ab. Selbst niedrig dosiertes ASS kann zu schweren Blutungen führen, auch bei Gesunden. „Dann sieht am Ende die Nutzen-Risiko-Bilanz doch negativ aus“, warnt Chow.
Dies könnte auch bei Indometacin passieren, einem weiteren bekannten Schmerzmittel. Zu seinen potenziellen Nebenwirkungen gehören Magen-Darm-Blutungen sowie Tinnitus, Schwindel, depressive Verstimmungen sowie erhöhte Leberenzymwerte, was allesamt keine Bagatellen sind.
Indometacin: Hemmung auch gegen Omikron
Aber dafür kann Indometacin neben der Entzündungshemmung noch weiter im Kampf gegen Covid-19 punkten: nämlich eine direkte Hemmung des Virus. „Das gilt wohl auch für seine neue Omikron-Variante“, betont Rajan Ravichandran vom MIOT International Hospital im indischen Chennai. Denn das Mittel habe sich schon bei anderen Viren des Corona-Stamms bewährt.
Nebenwirkungen von Indometacin
In langfristiger Anwendung kann Indometacin aber zur Psychose und depressiven Entpersonalisierung führen. Oder anders ausgedrückt: Am Ende verliert man möglicherweise nicht nur das Virus, sondern auch sich selbst. Also besser vorher über die Nutzen-Risiko-Bilanz nachdenken.
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