Maren Breitling und Alexander Michel

Für den Fleischliebhaber gibt es ihn mit Mettwurst, Schinken und Salami-Tattoo: den Adventskalender mit dem klangvollen Namen „Adwurstkalender“. Natürlich sind die Inhalte über 24 Tage haltbar. Auch das Haustier darf nicht zu kurz kommen. Für Hund und Katze gibt es ihn mit Leckerlis oder Spielzeug. Weihnachten verspricht gute Geschäfte.

Adventskalender gehören für die meisten zum Advent wie der Tannenbaum zu Weihnachten. Jeden Tag soll er eine kleine Freude bereiten, um die Zeit bis Heiligabend zu verkürzen. Doch haben die etlichen Kalender-Varianten noch etwas mit der Vorbereitung auf Weihnachten zu tun?

Früher eher Augenmerk auf religiösem Sinn

Der Kalender diente ursprünglich dazu, den Nachwuchs mit dem religiösen Sinn der Adventszeit, der Vorbereitung auf Weihnachten, vertraut zu machen. Erste Vorläufer des Adventskalenders sollten bereits im 19. Jahrhundert begeistern: Kinder durften täglich einen von 24 Kreidestrichen an der Wand wegwischen. Es gab außerdem weitere Varianten wie stückweise abzubrennende Kerzen sowie Abreißkalender.

Dann hatt der Münchner Verleger Gerhard Lang eine zündende Idee. Er verkaufte Anfang des 20. Jahrhunderts den ersten kommerziellen Kalender mit 24 Klebebildern. Damit hatte er die Grundlage für eine nicht enden wollende Erfolgsgeschichte rund um den Adventskalender gelegt.

Religiöse Motive dominierten bis in die 1950er-Jahre, bevor zu Beginn der 60er-Jahre Firmen den Adventskalender zunehmend als Werbeplattform für ihre Konsumprodukte nutzten. Als Folge spielt der christliche Hintergrund bei Adventskalendern – bei allen weihnachtlichen Motiven, die darin verarbeitet sind – kaum mehr eine Rolle.

Der Adventskalender aus Jutesäckchen. Er hat den Vorteil, dass man ihn individuell befüllen kann. Und wiederverwendbar ist er auch noch.
Der Adventskalender aus Jutesäckchen. Er hat den Vorteil, dass man ihn individuell befüllen kann. Und wiederverwendbar ist er auch noch. | Bild: dpa

Insgesamt wollten 2015 laut Studie des Marktforschungsunternehmens GfK 65 Prozent der Deutschen einen Adventskalender aufstellen oder aufhängen. Davon kauften knapp die Hälfte einen Kalender, der mit Süßigkeiten gefüllt war. Immerhin: ein Drittel legte Wert auf Individualität und bastelte den Adventskalender selbst.

Die Qual der Wahl

Die Auswahl an Adventskalendern im Handel ist riesig. Es gibt ihn mit Bier, Lippenstift, Whisky-Fläschchen, beliebten Spielfiguren (die zu einem Weihnachtsenseble zusammengestellt werden können), Müsli und selbstverständlich mit Schokolade in unterschiedlichen Qualitätsstufen.

Der Adventskalender als Zwillingsbruder zum Schokoladen-Weihnachtsmann oder -Nikolaus ist ein lukrativer Dauerbrenner für die Hersteller, denn die Unternehmen lassen sich die Kalender gut bezahlen. Für eine Variante mit Schraubendrehern muss der Kunde 46 Euro zahlen, für eine Version mit verschiedenen Gin-Sorten 130 Euro. In den vergangenen Jahren wurde indes eine ganz neue Form von Adventskalendern beliebt: 24 Säckchen (meist aus Filz oder Jute hergestellt), die durch eine Schnur verbunden sind und in der Wohnung wie eine Girlande aufgehängt werden. In jedes Säckchen kann dann etwas eingefüllt werden. Vorteil: Beim finanziellen Aufwand ist der Spielraum sehr groß.

Der Wert eines Adventskalenders liegt dem Psychologen Peter Groß zufolge aber nicht im Materiellen. Daher empfiehlt er, sich zu mäßigen: „Ein selbst gebastelter Kalender zeigt, dass ich mir Aufwand gemacht und Zeit genommen habe.“ Der Kalender sei wahrscheinlich nicht so perfekt – das sei aber nicht schlimm. Adventskalender mit schönen, sinngebenden Sprüchen seien besser, denn der Empfänger könne davon profitieren. „Der Adventskalender soll Spaß machen und Freude bringen“, so Groß.

Ein Adventskalender aus dem Jahr 1910 – noch ohne Süßigkeiten.
Ein Adventskalender aus dem Jahr 1910 – noch ohne Süßigkeiten. | Bild: dpa

'Andere Zeiten': ursprüngliche Bedeutung stärker betonen

Der ökumenische Verein „Andere Zeiten“ will die ursprüngliche Bedeutung des Advents in der Gesellschaft wieder bekannter machen. Der Kalender „Der Andere Advent“ soll daher die weihnachtlichen Gedanken anregen statt den Magen. Darin stehen Gedichte von Hans Arp oder Antoine de Saint-Exupery, ein Text von Friedenspreisträgerin Carolin Emcke oder ein Peanuts-Comic. Dieser Kalender startet am 2. Dezember, dem Vorabend des diesjährigen ersten Advents, und endet an Dreikönig (6. Januar). 650 000 Stück wurden im vergangenen Jahr verkauft.

Einen anderen Ansatz gibt es bei sogenannten Hausadventskalendern. Im Schwarzwald-Ort Gengenbach dient zum Beispiel das Rathaus als Kalender, und die Fenster sind die 24 Türchen. In der Kleinstadt steht angeblich „der größte Hausadventskalender der Welt“. Täglich um 18 Uhr wird während des Advents ein hinterleuchtetes Fenster geöffnet. Dieses Jahr präsentiert die Stadt in den Fenstern Bilder von Andy Warhol und zeigt damit eine „fantastische Bildergeschichte mit wundersamen Wesen wie Engeln, Amor oder Akrobaten“.

Im Freiburger Stadtteil Hochdorf gestalten die Gemeindemitglieder jeweils zu einem Thema ein Fenster, das geöffnet wird, um den Advent als Vorbereitung auf Weihnachten bewusst zu erleben. Die Menschen kommen zusammen und hören im Licht von Kerzen bei Glühwein, Tee, Kinderpunsch und Plätzchen eine schöne Geschichte an. Aber selbst die Fassaden-Variante des Adventskalenders hat der Kommerz schon kopiert: Sie wird auch an Filialen von Geldinstituten und Kaufhäusern verwirklicht.

 

Wann beginnt der Advent?

Wie lang ist die Adventszeit? Diese Frage wurde im Mittelalter intensiv diskutiert. Bis im damaligen Kloster Limburg eine weitreichende Entscheidung getroffen wurde. 

  • Hochmittelalter: Am Sonntag den 26. November des Jahres 1038 machte Kaiser Konrad II. (990 bis 1039) auf dem Weg von Burgund zur seiner Kaiserpfalz (Burg) Goslar im Harz halt in Straßburg. Er besuchte dort den Bischof, seinen Onkel Wilhelm. Der hatte geplant, mit der Ankunft des Kaisers auch die Ankunft des Herrn und den ersten Advent zu feiern. Doch es kam anders. „Der Kaiser und seine Umgebung waren damit nicht einverstanden“, schreibt der Historiker Herwig Wolfram. Noch heute bestimmt dieses Ereignis, wann der Advent beginnt – in diesem Jahr am kommenden Sonntag, den 3.12.
  • Vier Sonntage: Hätten Konrad und Wilhelm den 1. Advent bereits am 26. November gefeiert, hätte es fünf Adventssonntage gegeben – einen mehr als von Papst Gregor dem Großen gut 400 Jahre zuvor vorgegeben. Bis zum kaiserlichen Besuch bei Bischof Wilhelm stand nur die Zahl der Adventssonntage fest, zum Datum war nichts gesagt. Das sorgte für Diskussionen über die Länge der Adventszeit.
  • Regelung: Eine Woche nach seiner Ankunft zog Kaiser Konrad II. einen Schlussstrich unter den sogenannten Adventsstreit. Am 3. Dezember feierte er zusammen mit seiner Frau Gisela und mehreren Bischöfen im Kloster Limburg bei Bad Dürkheim in der Pfalz den ersten Advent. Zugleich ließ Konrad die Datums-Spanne regeln. Es wurde festgelegt, dass der erste der vier Adventssonntage immer zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember liegen muss. Das führt dazu, dass der Advent in diesem Jahr besonders kurz ausfällt. Für den Historiker Jürgen Keddigkeit, den Projektleiter des Pfälzischen Klosterlexikons, ist die Adventsregelung auch interessant, weil letztlich nicht die Kirche, „sondern der liebe Kaiser“ darüber entschieden habe. (dpa)