Heute beginnen für die Narren der Region mit dem Schmotzigen Dunnschtig die wichtigsten Tage im närrischen Jahr. Auch beim Nachbarn Rheinland-Pfalz erreicht die rheinische Fastnacht ihren Höhepunkt. Die Narren in der Fastnachts-Hochburg Mainz zelebrieren den Ausnahmezustand bis zum Aschermittwoch allerdings mit etwas anderen Ritualen als es beispielsweise in Villingen, einem Zentrum der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, üblich ist.
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Närrischer Auftakt: Während viele Narren in der Region bereits früh um 6 Uhr zum traditionellen Wecken ausrücken, lassen sich die Narren in Mainz noch Zeit. Traditionell startet um 11.11 Uhr die Weiberfastnacht, bei der die Frauen für einen Tag die Macht übernehmen. Nach einem alten Brauch schneiden sie wichtigen Männern der Stadt als symbolischen Machtentzug die Krawatte ab. In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht werden heute die Kinder aus der Schule befreit. In Villingen steht der Schmotzige Dunnschtig besonders im Zeichen der Kinder, die beim großen Kinderumzug durch die Innenstadt ziehen. Die Mächtigen kommen aber auch hier nicht unversehrt davon: Die Narren ziehen am Sonntag ins Rathaus und übernehmen vom Oberbürgermeister die Herrschaft über die Stadt bis zum Beginn der Fastenzeit und damit dem Ende der närrischen Tage.
Der Präsident des Mainzer Carneval-Vereins (MCV), Reinhard Urban, eröffnet mit einer Uhr in der Hand vom Balkon des Osteiner Hofes die Verlesung der "Närrischen Grundgesetze". Traditionell werden alljährlich die "Närrischen Grundgesetze" mit ihren 11 Artikel für die Narrenfreiheit am 11.11. um 11.11 Uhr in Mainz verkündet. | Bild: Andreas Arnold Am Schmotzigen Dunnschtig zieht in Villingen der närrische Nachwuchs durch die Innenstadt, wie hier zwei Kinder im Wueschtkostüm der Narrozunft. | Bild: Elke Rauls -
Narrenrufe: In Mainz schallt bis Aschermittwoch das Helau durch die Straßen und Säle. Abgeleitet vom Wort hellauf, das im 18. Jahrhundert so viel bedeutete wie hell auflachen. Den Ruf Helau sollten sich Besucher in Villingen lieber verkneifen, denn dort grüßen die Narren mit Narri Narro. Im Gebiet der schwäbisch-alemannischen Fastnacht gibt es zahlreiche lokale Abwandlungen des Narrenrufs. Auch in der rheinischen Fastnacht haben einzelne Orte eigene Grüße. So wird in Koblenz Olau gerufen, in Ludwigshafen grüßen die Narren dagegen mit Ahoi. Bis ins nördliche Rheinland-Pfalz dominiert aber weitgehend der Ruf Helau die rheinische Narrenszene. Ab dem Kreis Neuwied sind dann die ersten Alaaf-Rufe in den Dörfern und Städten zu hören.
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Vereine: Zünfte, wie sie in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht üblich sind, sind in Mainz eine große Seltenheit. Die Narren organisieren sich in Karnevalsvereinen oder Garden, die im 19. Jahrhundert als Spott über das Militär gegründet wurden. Der traditionelle Gardetanz wird zu Marsch- und Polkamusik aufgeführt, meistens von Tanzmariechen. Vor dem Zweiten Weltkrieg tanzten traditionell Männer den Gardetanz. Im Nationalsozialismus etablierten sich dann aber Tanzmariechen. Die Hose des Kostüms wurde durch einen Rock ersetzt. Mit Dreispitzhut, einer Perücke mit geflochtenen Zöpfen und Stiefel erinnert das Kostüm an eine Uniform aus dem 18. Jahrhundert. Garden können eigene Vereine sein oder Teil eines Karnevalvereins. In Mainz gibt es 78 Karnevalsvereine und Garden. Die Historische Narrozunft prägt mit ihren über 4000 Mitgliedern maßgeblich die Fasnet in Villingen.
Gardisten marschieren beim Mainzer Rosenmontagsumzug in ihrer traditionellen Uniform, die an eine Militäruniform aus dem 18. Jahrhundert erinnern soll, durch die Stadt und trommeln dabei im Takt. | Bild: Andreas Arnold Ein Villinger Narro (l) und eine Alt-Villingerin (r), Narrenfiguren der Narrenzunft Villingen, laufen beim grossen Fasnachtsumzug in der Innenstadt von Villingen-Schwenningen vor dem Oberen Tor. Mehrere zehntausend Besucher verfolgen stets das fasnachtliche Treiben. | Bild: Patrick Seeger -
Verkleidung: Die Narrenkappe symbolisiert in Mainz die Zugehörigkeit zum jeweiligen Karnevalverein. In Villingen ist das handgefertigte Häs die Traditionsverkleidung. Das Häs kostet aufgrund der aufwendigen Handarbeit bis zu 4000 Euro. In vielen Familien wird das historische Kostüm weitervererbt. In Mainz sind neben traditionellen Kostümen auch Mottogruppen ein fester Bestandteil der rheinischen Fastnacht. Meistens sind es Tanz- oder Turngruppen, die jährlich unter einem neuen Motto auftreten und dazu ein passendes, oft selbst genähtes, Kostüm kreieren. In Villingen prägen Traditionsfiguren, Hexen und Tiermotive die närrische Szene. Dabei darf die Scheme, eine handgeschnitzte Holzmaske, in der Villinger Fasnet nicht fehlen.
So kennt man den Villinger Narro. Eine stolze Narrenfigur. | Bild: Sprich, Roland Der Schwellkopp aus Pappmaché gehört seit den 1920er-Jahren zur Mainzer Fastnacht dazu. Als Auflockerung laufen verschiedene Schwellkopp-Figuren, beim Rosenmontagsumzug zwischen den Zugteilnehmern mit. Schwellkoppträger tragen die aus Hals und Kopf bestehende Figur vier Stunden durch die Straßen in Mainz. | Bild: Sascha Kopp, Bildarchiv Stadt Mainz -
Straßenumzüge: An diesem Donnerstag ist sowohl in der rheinischen als auch in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht der Übergang von der Sitzungs- zur Straßenfastnacht. In Mainz ist der Rosenmontag der Höhepunkt der Fastnachtszeit und wird mit dem größten Umzug im Land gefeiert. Im Schnitt schauen sich 500 000 Besucher den neun Kilometer langen Zug an. Immer mit dabei sind die sogenannten Mainzer Schwellköppe: 25 Kilo schwere, überdimensionale Köpfe aus Pappmaché, die satirisch Persönlichkeiten aus Mainz darstellen. Motivwagen beleuchten das politische Geschehen des zurückliegenden Jahres. Ein wichtiges Ritual ist das Werfen von Süßigkeiten.
In Villingen heißt der Montag Fasnetmentig. Besucher erwarten beim historischen Umzug neben Süßigkeiten auch Stroh-Attacken der laufenden Narren. Der Narro, eine Hauptfigur der Villinger Fasnet, beeindruckt die Zuschauer beim traditionellen Narrosprung mit dem Klang seiner umhängenden Narrorollen. Zum Narrokostüm gehören neben dem Häs und der Scheme unter anderem auch ein weißer Kragen, eine Kappe mit Fuchsschwanz, schwarze Handschuhe und ein Narrosäbel. Beim Umzug ist auch die Wortgewandtheit des Narros beim sogenannten Strählen gefragt. Dabei sagt er seinem Gegenüber auf humorvolle Art hinter seiner Scheme die Wahrheit ins Gesicht.Ein Mottowagen mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump als Elefant im Porzelanladen rollt unter dem Motto „Trum-pel-tier“ beim Rosenmontagsumzug 2017 in Mainz durch die Straßen. | Bild: Andreas Arnold Fasnet-Montag-Nachmittag: Maschgerelauf der Narrozunft in Villingen. | Bild: Roland Sigwart
Schon gewusst?
Die närrischen Tage vor der am Aschermittwoch beginnenden Fastenzeit haben von Region zu Region verschiedene Namen: Das Brauchtum meist in ursprünglich katholischen Gebieten veranstaltete heißt im Rheinland Karneval, in Mainz und Umgebung Fastnacht, im schwäbisch-alemannischen Gebiet Fasnet oder Fasnacht und im bayrisch-österreichischen Raum Fasching. Dabei sind lokale Abwandlungen keine Seltenheit. Seit dem zwölften Jahrhundert ist das Wort Fastnacht im Mittelhochdeutschen bekannt. Das Wort Karneval stammt wahrscheinlich vom Mittellateinischen „carne levare“, was „Fleisch wegnehmen“ bedeutet. Vermutet wird, dass die Feiern neben christlichen Bezügen auch Wurzeln in germanischen und römischen Frühlingsfesten und Fruchtbarkeitskulten haben. (KNA)